Feiern bis zum Morgengrauen

Ben Beckers Autobiografie „Na und, ich tanze“ überrascht positiv

Von Stefan SchweizerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Stefan Schweizer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Über die Bedeutung von Ben Beckers Leben kann man geteilter Meinung sein, über seine Autobiografie nicht. Die überzeugt nämlich auf der ganzen Linie. Das Buch ist stilistisch hochwertig, dramaturgisch spannend und lässt einen bei der Lektüre kaum Atem holen. Dabei ist das Buch viel mehr als eine einfache Biografie. Es ist ein Stück sozialgeschichtlicher Historie der Bundesrepublik Deutschland und des wiedervereinigten Deutschlands. Zahlreiche Leser, die ähnlich alt wie Becker sind, werden bei vielen Schilderungen ihre eigene Geschichte wiedererkennen – oder zumindest das von ihnen Erlebte. Außerdem liest sich die Autobiografie wie ein Anti-Bildungs-Roman, allerdings mit offenem Ausgang. Die zahlreichen Bilder forcieren und illustrieren den Text und sind somit eine gelungene Ergänzung.

Ein interessantes Leben hat Ben Becker schon gelebt als Spross einer Künstlerfamilie mit zahlreichen und weitreichenden Kontakten. Welchem Menschen ist es schon vergönnt, im zarten Alter in Kneipen mit Show-Größen wie Robert De Niro herumzusitzen?

Becker schloss sich bereits früh der Punk-Szene, aber auch anderen Stilrichtungen an – ohne irgendwie zu dogmatisch zu werden. Alkohol, Pillen und Joints bildeten wichtige Parameter seiner Jugend – ebenso wie Probleme in der Schule und reihenweise durchgemachte Nächte in Discos. Eher verblüffend ist dann Beckers Bekenntnis, dass es lange brauchte, bis er beim anderen Geschlecht landete.

Becker fand durch all diese Wirrungen seinen Weg – natürlich zum Theater. Diese Vita schien bei seiner Herkunft und seinem Naturell vorgezeichnet. Allerdings begann er als Bühnenarbeiter und näherte sich dann immer mehr der Schauspielerei an. Hier absolvierte er auch eine Ausbildung. Die Karriere war ein Auf und Ab, wobei das Positive natürlich überwog. Beckers Fazit ist dennoch durchwachsen: Trotz des Erfolgs und dem Versuch der bürgerlichen Konsolidierung ((gescheiterte?) Ehe und Tochter) gesteht er ein, Schwierigkeiten zu haben, dem aus Alkohol und Feiern geprägten Leben weitgehend zu entsagen. Die von ihm hierfür gebrauchte Metapher ist die der Flucht. So wie die Schauspielerei eine Flucht sei – ebenso wirkten Alkohol und andere berauschende Substanzen als Fluchtmittel. Wer zumindest auf den Versuch der Einsichtigkeit gehofft hat, wird enttäuscht, denn Becker konstatiert, dass er eben sei, wie er sei, und sich nicht ändern könne.

Besonders interessant sind die Stellen, an denen Becker aus dem Nähkästchen plaudert. So beschreibt er einen Abend mit dem großen Dieter Krebs nach einem anstrengenden Drehtag. Es ist schon köstlich, wie Becker dezidiert das opulente Mahl und den gesegneten Appetit von Krebs im teuersten Restaurant weit und breit beschreibt. Anschließend hätte Krebs im Auto eine riesige Platte Haschisch hervorgezaubert und nach einigen Joints eine Valoron eingeschmissen, um danach in einer Kneipe bis zum Morgengrauen weiter zu feiern. Becker kannte viele Größen des Showbusiness, aber auch Unbekannte. So schildert er eindringlich seine Bekanntschaft und Freundschaft mit den Hell’s Angels und wie er sich den Rockern verbunden fühlt, aber bei aller Sympathie auch Respekt besitzt.

Mehr sollte an dieser Stelle nicht verraten werden, damit der Leser noch einige unterhaltsame Überraschungen zu erwarten hat. In der Summe ist Beckers Werk absolut empfehlenswert: Es bietet gehobene Unterhaltung, deutsche Sozialgeschichte und ein spannendes Leben.

Titelbild

Ben Becker: Na und, ich tanze.
Droemersche Verlagsanstalt, München 2011.
500 Seiten, 22,99 EUR.
ISBN-13: 9783426275368

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