Geld oder Gefühle

Wolfgang Schmidbauer: Das kalte Herz. Von der Macht des Geldes und dem Verlust der Gefühle

Von Stefanie LeibetsederRSS-Newsfeed neuer Artikel von Stefanie Leibetseder

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Wolfgang Schmidbauer ist einer der bekanntesten deutschen Psychoanalytiker, dessen frühere Publikationen, genannt sei „Die hilflosen Helfer“ (1977), ihn zu Recht bei einem breiten Publikum bekannt gemacht haben. Heute arbeitet er als Paartherapeut und Lehranalytiker in München und unterhält eine wöchentliche Kolumne in der Wochenzeitung „Die Zeit“.

Als Fabel seines gegen die seelischen Auswirkungen der Konsumgesellschaft gerichteten Buches hat er Wilhelm Hauffs Kunstmärchen „Das kalte Herz“ gewählt. Sein Protagonist, der Kohlenmunk-Peter, tauscht sein fühlendes warmes Herz gegen einen Steinklumpen ein, um auf dem von ihm ersehnten Weg zum wirtschaftlichen Wohlstand nicht durch menschliche Anteilnahme und Rücksicht auf andere behindert zu werden. Zahlreiche Beobachtungen aus Schmidbauers beruflicher Praxis illustrieren die seelischen Beschädigungen, die Menschen erleiden, wenn sie der im Märchen beschriebenen Macht des Geldes ausgesetzt sind. Kurz gesagt: Wer das Geld hat, hat das Sagen, aber es gilt auch wie in der Sage vom König Midas, dass man kann Geld nicht essen kann und trotz seines Geldes verhungern, wenn man nicht in der Lange ist, sinnstiftende Beziehungen zu anderen Menschen aufzubauen.

Dies legt Schmidbauer ausnahmslos an überzeugenden Beispielen dar, aber wie bereits der Kritikerkollege Gerhard Bliersbach von „Psychologie Heute“ monierte, sind Schmidbauers Befunde alles andere als neu, und als Zeitdiagnostiker wirkt er „verzagt“. Das liegt daran, dass er seine Analyse auf zu viele gesellschaftliche Felder ausdehnt und auf ihnen zum Teil unpräzise und wenig überzeugend argumentiert. Als Beispiel seien seine Ausführungen zur Sterbehilfe genannt, für die er als Psychoanalytiker natürlich Sigmund Freud als Beispiel heranzieht. Dieser hatte in der Ausweglosigkeit seines Kehlkopfkrebses um eine erlösende Morphiumgabe ersucht, die ihm sein Arzt Max Schur auch gewährte. Schmidbauer leitet hieraus eine Vorgabe für den Umgang mit den Todeswünschen Schwerstkranker ab, denen unbedingt nachzugeben ein Gebot der Menschenliebe sei. Die Existenz einer ausgedehnte Hospiz- und Palliativmedizinbewegung in den deutschsprachigen Ländern, deren Anliegen es ist, einen würdevollen Umgang mit Sterbenden zu ermöglichen, erwähnt Schmidtbauer dagegen nicht.

Auch schwinden mit der Konsumgesellschaft nicht die Möglichkeiten, Kränkungen zu ertragen, wie Schmidbauer meint, sondern der Konsum dient vielmehr in erster Linie zur Kompensation von Kränkungen und zur Aufwertung des eigenen Ego, mithin als Statussymbol. Und was ist mit den Kränkungen derjenigen, die an den gesellschaftlichen Verlockungen der Konsumgesellschaft gar nicht teilnehmen können, weil sie nicht das nötige Geld dazu haben, etwa Hartz IV Empfänger sind? Ihr daraus resultierendes Ausgeschlossensein aus den Möglichkeiten der gesellschaftlichen Teilhabe wird nicht von Schmidbauer thematisiert.

Das der Mensch mit weniger Besitz glücklicher sei als mit mehr Besitz, ist zudem plumpe Ideologie, die man Schmidbauer in dieser Form nicht zugetraut hätte. Wie schon Oscar Wilde es so trefflich formulierte: Es gibt eine Klasse von Menschen, die noch mehr über das Geld nachdenkt als die Reichen, das sind die Armen. In den Überlegungen Schmidtbauers spiegelt sich vielmehr die seit Freud bestehende Fixierung der Psychoanalyse auf das mittlere und gehobene Bürgertum und somit das eigene bildungsbürgerliche Milieu als Adressat. Dieses besitzt den Zugang zu materiellen Ressourcen und den mit ihnen verbundenen Möglichkeiten der Bildung und des gesellschaftlichen Aufstiegs. Anderen bleibt er verwehrt. Verzichten kann, wer satt ist und das sind in aller Regel nicht die Armen.

Titelbild

Wolfgang Schmidbauer: Das kalte Herz. Von der Macht des Geldes und dem Verlust der Gefühle.
Murmann Verlag, Hamburg 2011.
214 Seiten, 19,90 EUR.
ISBN-13: 9783867741248

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