Ein unheiliger Heilsbringer

Über Christian Mährs Roman „Das unsagbar Gute“

Von Martin GaiserRSS-Newsfeed neuer Artikel von Martin Gaiser

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Nachdem Heinrich Steinfest mit „Die Haischwimmerin“ nicht unbedingt sein stärkstes Buch vorgelegt hat (an Perlen wie „Ein sturer Hund“ oder „Nervöse Fische“ kommt dieser aktuelle Roman bei weitem nicht heran) und Wolf Haas in einer kreativen Pause zu überwintern scheint, ist die Phase gerade günstig für Christian Mähr, der mit „Das unsagbar Gute“ einen witzig-klugen, herrlich verdrehten und angemessen respektlosen Roman vorlegt, der den genannten Kollegen und Landsmännern, so sie denn Werke des eigenen Genres lesen, gefallen könnte.

Ob der 1952 geborene Mähr, der seit 1987 publiziert und das beileibe nicht nur im Bereich der schönen Literatur, diesem Duo ein gleichrangiger Mitspieler werden wird, bleibt abzuwarten. Das vorliegende Buch ist bereits das dritte, das der Henning Mankell- und Richard Stark-Verlag Zsolnay veröffentlicht, schon 2008 gab es „Semmlers Deal“, in 2010 den Roman „Alles Fleisch ist Gras“ aus Mährs Feder respektive Laptop.

Und noch einmal zurück zu Steinfest und Haas: Christian Mähr hat keinen Serienhelden, keinen Markus Cheng, keine Lilli Steinbeck, keinen Simon Brenner, seine Romane sind allesamt einzelne, für sich stehende und in sich abgeschlossene Bücher. Man kann „Das unsagbar Gute“ selbstverständlich als Krimi bezeichnen, es kommen jede Menge Tote vor, es geht um die Herstellung und den Vertrieb chemischer Drogen, es ist ein Batzen illegal erworbenes Geld im Spiel. Doch eine ermittelnde Person, einen Detektiv, gar die Staatsmacht sucht man in diesem augenscheinlich mit sehr viel Freude verfassten Buch vergeblich.

Alles beginnt damit, dass Frau Doktor Leupold, pensionierte Chemielehrerin eines Tages in der von ihr – und temporär von ihrem Enkel Manfredo Gonzales Leupold – bewohnten sogenannten Hämmerle-Villa eine Glühbirne auswechseln möchte. Da die Räume gut vier Meter hoch sind, steigt sie also auf einen Tisch, um diese Aktion durchzuführen. Doch da ist noch ihr Kater Sami und der Nachbarkater Schnurrli (dazu später mehr). Die Anwesenheit der Katzen erzeugt kurz ein Durcheinander, es kommt zu einem Sturz, dann liegt Frau Doktor tot auf dem Boden.

Da sie die hintere Haustür offengelassen hatte, besteht nun für allerlei Nachbarn die Möglichkeit, die Villa zu betreten, wovon besagte Nachbarschaft auch Gebrauch macht. Da sind zum Einen die vom Autor sogenannten „Stimmen“, die im Verlauf des Buches immer wieder ihre Auftritte haben und deren Existenz recht spät im Buch gelüftet werden wird. Dann schleicht Mauritius Schott ums Haus, dringt ein und sieht die Tote da liegen. Der arbeitslose und – natürlich – geschiedene Journalist, der dazu auch noch ein gescheiterter und frustrierter Literat ist, findet beim Inspizieren des Leupold’schen Kellers nicht nur ein veritables Labor vor, sondern auch noch einen großen Haufen Bargeld, das da achtlos und sorglos herumliegt. Und noch während er sich zurechtlegt, warum er die Polizei wegen der Leiche noch nicht benachrichtigt hat, wird ihm klar, dass er – seine ökonomische Lage überschlagend – dieses nicht tun und statt dessen das Geld nehmen und die Villa wieder verlassen wird. Als der zum Schein als Künstler getarnte Enkel aus Wien zurückkommt, findet zwar auch er die Großmutter, nicht jedoch das Geld, das er erst einmal auch gar nicht vermisst, nimmt er doch an, die ordentliche Oma habe es verstaut. Ihm stellt sich nun die Frage, was mit der Leiche geschehen möge, denn sollte die Polizei ins Haus kommen, fände sie wohl das Labor und würde unangenehme Fragen stellen. Auf den Plan tritt Dr. Romuald Nowak, dessen Ex-Arbeitgeber, ein multinationaler Pharmagigant, keine Verwendung mehr für ihn hatte. Auch er ist geschieden und frustriert.

Nowak und Manfredo kennen sich vom Treffen des Vereins „Vorarlberger in Wien“, und der junge Mann rekrutiert den Älteren, um diesem die Fortführung der Kellerarbeit seiner Großmutter anzubieten: die Herstellung von Methamphetamin, welches Manfredo mit Hilfe einer Drogenvertriebsstruktur in Wien absetzt. Nowak nimmt an und schlägt vor, die Leiche in einer Kühltruhe im Keller zu verstauen, was dem Enkel widerstrebt. Er will sie des nächtens begraben. Auf der Fahrt zu einer entlegenen Stelle überfahren sie einen Schnüffler, der auf sie von Wien aus angesetzt wurde. Zwei Leichen, zwei Kühltruhen. Da der Schnüffler nun keinen Bericht wird liefern können, müssen Manfredo und Nowak nach Wien reisen, um das Problem, das sich über kurz oder lang ergeben wird, selbst zu lösen.

Im Schatten dieser turbulenten Krimikomödie, die an „Ladykillers“ erinnert, beginnt eine Romanze zu blühen, die wiederum mit einer der Katzen zu tun hat, denn Sami hat sich bei Mauritius Schott (der ja das Geld hat) einquartiert. Aufgrund einer Unpässlichkeit muss sein neues Herrchen mit ihm zum Tierarzt, genauer: zur Tierärztin, die in den guten Mann wie der sprichwörtliche Blitz einschlägt. Und so nimmt ein höchst origineller und kurzweiliger Roman seinen Lauf, unterhält den Leser mit immer neuen Überraschungen und Entwicklungen der ohnehin reichen Handlung und macht auch vor übersinnlichen Phänomenen nicht halt.

Der in Dornbirn lebende Autor Christian Mähr, der mit mundartlichen Worten wie „Glasgraffel“, „derrappelt“ oder „immer noch besser wie die andere“ auf seine sprachliche und biografische Herkunft hinweist, mischt sich immer wieder als Erzähler in das Geschehen ein und thematisiert gar seine Tätigkeit, etwa wenn er die Figur des Nachbarkaters Schnurrli zu erklären und zu entschuldigen sucht: „(Ich kürze den Namen von hier ab mit S. ab, das grenzdebile „Schnurrli“ macht den ganzen Text kaputt; wenn also in Hinkunft von S. die Rede ist, meine ich den „anderen“ Kater, ja, ich weiß, Sami beginnt auch mit einem „S“, ungünstig, aber was soll ich machen?)“.

Und was es mit dem titelgebenden „unsagbar Guten“ auf sich hat? Nun, lieber Leser, das müssen Sie schon selbst herausfinden.

Titelbild

Christian Mähr: Das unsagbar Gute. Roman.
Paul Zsolnay Verlag, Wien 2011.
320 Seiten, 17,90 EUR.
ISBN-13: 9783552061705

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