Traditionsbezüge

Bernd Leistner legt seine Beiträge zu Peter Hacks gesammelt vor

Von Kai KöhlerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Kai Köhler

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Über gut zwanzig Jahre hinweg, zwischen 1978 und 2001, hat sich der Germanist Bernd Leistner immer wieder mit dem Werk von Peter Hacks auseinandergesetzt. Nun liegen die zuvor verstreut publizierten Beiträge vereint vor.

Eine solche Wiederveröffentlichung erfordert ein gewisses Maß an Mut: Stets, weil das vor dreißig Jahren Gedachte und Geschriebene nun altbacken wirken kann, und besonders in diesem Fall, weil viele der Aufsätze über den sich bewusst als Schriftsteller der DDR verstehenden Hacks vor dem Fall der Mauer entstanden sind und sich nun ein ganz neuer Blick auf die Geschichte durchgesetzt hat.

Doch haben Leistners Schriften die Zeit überstanden, ohne Schaden zu erleiden. Das liegt, um mit dem Offensichtlichsten zu beginnen, an ihrer Sprache, die ganz ohne politischen oder methodologischen Jargon auskommt. Bei vielen literaturwissenschaftlichen Texten aus Ost und West und besonders aus der jüngsten Zeit verrät das Vokabular Entstehungszeit und wissenschaftliche Schule. Leistner hat derartige fachspezifische Spielchen nicht nötig. Wie er über Literatur und Literaturgeschichte schreibt, ist zum von hoher Präzision und Anschaulichkeit und gleichzeitig auch für ein nichtwissenschaftliches Publikum verständlich.

Thematisch haben seine Beiträge meist Hacks’ Traditionsbezüge zum Thema, wobei Leistner die Vorbildfunktion der Klassik hervorhebt. Das gilt besonders für Goethe, auf den Hacks sich immer wieder bezog, doch auch für seine eher indirekt formulierten Parallelen zu Schillers Funktionsbestimmung der Kunst. Die positive Rezeption der Klassik bedeutete bei Hacks stets auch eine Abwertung der Romantik, und zwar sowohl der historischen Romantik wie auch ihrer Verteidiger unter den Schriftstellern der DDR. Dieser Auseinandersetzung ist der neueste der Beiträge gewidmet. Wenn Leistner über die Romantik-Freunde schreibt: „All die einschlägigen Texte verhielten sich sperrig dem in der DDR konventionell gewordenen Klassikbild gegenüber“, dann ließe sich das noch verschärfen: Tatsächlich ging es nicht nur um ein erstarrtes Klassik-Bild, sondern um eine Abwertung der in Aufklärung und Klassik entwickelten Vernunftkonzepte.

In diesem Streit geriet Hacks in eine Randposition. Von der Mehrheit in die Isolation getrieben zu werden, verlangt Haltung; eben diese Haltung hob Hacks an Goethe hervor, um sie als seine eigene zu kultivieren. Wenn Leistner diese persönliche Dimension der Erbe-Aneignung benennt, dann nicht denunziatorisch. Die Disziplin, mit der Hacks sich zur Produktion von autonomer Kunst auf höchstem Niveau zwang, während ringsum die Spekulation auf ein mitproduzierendes Publikum zur Mode wurde, wird durchaus mit Respekt dargestellt, wenn auch ein wenig Befremden anklingt. Ganz abseitig erscheint in dieser Perspektive eine Literatur der subjektiven Klage, der aus Hacks’ Sicht das Fehlen jeder Haltung vorzuwerfen ist.

Leistner arbeitet Hacks’ Standpunkt sorgsam heraus, um dann ebenso sorgsam seine Gegenposition zu formulieren. Bereits im Aufsatz zu den Schiller-Bezügen von 1981 ist das Bedenken spürbar, dass Hacks Ideal und Wirklichkeit gegeneinander setze, statt zwischen den Bereichen zu vermitteln. Dem entspricht in der Rezension zu Hacks’ „Ascher gegen Jahn“ von 1992, dass Leistner – mit Hacks einig im Abscheu gegenüber Jahns demagogischen Umtrieben – Distanz zu Hacks’ Lob für das Preußen nach 1815 erkennen lässt. Die Diskussion um Hacks’ Staatsbegriff war, damit konnte Leistner sich mit dem Dichter einig wissen, stets eine um die DDR, und die nach 1989 geschriebenen Rezensionen Leistners haben alle auch zum Thema, dass Hacks schon in der Spätphase der DDR zum „Staatsdichter ohne Staat“ geworden war.

Hier ließe sich die Frage anschließen, wie man wieder zu einem Staat kommt, den man mit gutem Gewissen bedichten könnte. Die Fragestellungen, mit denen Leistner an Hacks’ Werke herantritt, sind immer noch aktuell; Autor und Verlag ist für die Zusammenstellung seiner Aufsätze zu danken.

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Bernd Leistner: In Sachen Peter Hacks. Studien und Kritiken aus zwei Jahrzehnten.
Verlag André Thiele, Mainz 2011.
137 Seiten, 14,90 EUR.
ISBN-13: 9783940884398

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