Zufriedene Psychopathen

Roland Hoja untersucht in seiner Studie „Ripley & Co.“ Aspekte der Kleinbürgerlichkeit und dekadenten Genialität bei tragenden Romanfiguren von Patricia Highsmith

Von Michael EschmannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Michael Eschmann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Roland Hoja, Autor verschiedener Studien zu Bertolt Brecht und Heinrich Heine, legt eine wissenschaftliche Analyse über die Romanfiguren der Patricia Highsmith im Spiegelbild einer modernen Gesellschaft vor.

Die literarische Welt der Patricia Highsmith war immer anders. Sie unterscheidet sich von vielen Krimiautoren schon alleine dadurch, dass die Aufklärung des Verbrechens nicht im Vordergrund steht. Bei ihr geht es um das Innenleben des Täters. Das Morbide, das Grausame, das Anormale faszinierte die Autorin ein Leben lang. Von ihren Figuren geht eine seltsame Zufriedenheit aus. Sie empfinden keine Schuldgefühle. Ganz im Gegenteil: Die Morde geschehen fast in einer notwendigen, logischen Konsequenz und suggerieren dem Leser die unheimliche Botschaft: „Eigentlich war alles gerechtfertigt“. So wird der Leser zum (moralischen) Mittäter. Das ist das Erfolgsgeheimnis ihrer Bücher. Sie nimmt die Leser mit auf eine Reise durch das innere Dickicht ihrer Romanfiguren. Deshalb ist Patricia Highsmith mehr eine psychologische als kriminalistische Erzählerin. Ihr „Tom Ripley“ mordet sich durch fünf dicke Bücher, immer auf der Suche, nicht nach neuen Opfern, vielmehr nach einem kleinen Stückchen bürgerlichem Glück. Das gelingt auch. Umgeben von Kunst- und Sprachstudien lebt er in Frankreich. Eigentlich möchte er nicht (wieder) morden, doch die Vergangenheit klopft erneut an die Tür. Und jetzt ist er gezwungen, zu handeln. Ein weiterer Mord muss passieren, um einen alten zu vertuschen.

Der Verfasser hat eine umfassende Studie nicht nur über Tom Ripley, sondern auch über all die anderen „Helden“ der Highsmith Romane geschrieben. Es ist eine fundierte literatursoziologische Arbeit geworden. Allerdings an manchen Stellen nicht immer leicht zu lesen. Roland Hoja versteht es, auf einen Aspekt im Werke Highsmiths besonders aufmerksam zu machen: die Politik. Sicherlich war die Schriftstellerin keine „politische“ Autorin. Dafür fehlte die eindeutige Botschaft. Viel sublimer vollziehen sich ihre politischen Anspielungen, die von Hoja gut aufgedeckt und belegt wurden: „Ich lege hier die Auffassung zugrunde, dass natürlich die Psychologie die eine Seite der Handlungs- und Figurenkonstellation ist, während die andere begründet ist im extern kapitalistischen Lebenszusammenhang.“ Ob allerdings Figuren wie „Tom Ripley und Co.“ wirklich das negative Produkt eines kapitalistischen Gesellschaftssystems sind, wird immer ein Streitpunkt bleiben. Kriminelle Emporkömmlinge gab es zu allen Zeiten und in allen Gesellschaftssystemen.

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Roland Hoja: Ripley & Co. Die sieben Todsünden des Kleinbürgers oder Kleinbürgerlichkeit und dekadente Genialität in tragenden Roman-Figuren der Patricia Highsmith.
Nordpark Verlag, Wuppertal 2011.
200 Seiten, 17,00 EUR.
ISBN-13: 9783935421683

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