Tamtam mit aufsteigendem Rauch

Romain Slocombe hat eine kleine rasante Abstiegsstory geschrieben, kann aber auf Mystik nicht verzichten

Von Walter DelabarRSS-Newsfeed neuer Artikel von Walter Delabar

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die Qualität großer Krimis beruht in vielen Fällen darauf, dass sie sich auf das Wesentliche konzentrieren (die meisten Versuche, das anders zu machen, gehen schief). Das führt zu knappen Büchern, die rasch auf ihr Ziel zusteuern und nicht die Zeit ihrer Leser vergeuden, die ja noch anderes zu tun haben, zum Beispiel andere Krimis lesen oder Krimis im Kino anschauen.

Allerdings ist das knappe Format selbst wieder nicht ganz ohne Gefahren, zumal dann, wenn beim Schreiben bereits eigentlich die Verfilmung die größte Aufmerksamkeit auf sich zieht. Ein modifiziertes Drehbuch ist eben leider kein guter Roman und ein Roman, der nach dem Film schielt, vergisst leicht, was er eigentlich will. Allerdings darf man einer Reihe, die Filmkrimis herausgibt, nicht vorwerfen, was ihre Aufgabe ist. Oder vielleicht doch?

Die französische serie noire ist für kurze und knappe Romane berühmt, und Distel hat sich schon lange große Verdienste damit erworben, französische hard-boiled-Krimis ins Deutsche zu übersetzen. Franzosen sind eben besonders aufmüpfig und großmäulig, mit anderen Worten, ein Volk, das seine Chefs in ihren Büro festsetzt und eine solche Küche hat, muss einfach gute Krimis schreiben. Alles andere wäre unlogisch und ungerecht, fast ein Verbrechen.

Romain Slocombe steht offensichtlich in dieser Tradition, auch wenn in „Das Tamtam der Angst“ keine Chefs eingesperrt werden und hier auch nicht gut gegessen wird. Aber es geht rasch bergab und das sehr konsequent.

Fridelance, der Illustrator eines langsam niedergehenden Fantastikverlags mit zweifelhaften Texten – Drachen und schwarze Leute vor vollbusigen, leicht bekleideten Frauen – erfährt durch Zufall, dass ein Erbstück seines Vaters, ein Hocker aus Afrika, sehr sehr viel Geld wert sein soll. Den Hocker rettet er mit Mühe aus dem Müll, aber statt des Geldsegens, den er sich aus dem Verkauf des Möbels erhofft, der von einem renommierten Architekten stammt, gibt es nur eine Menge Ärger.

Fridelance gibt den Hocker an ein Auktionshaus, das den Hocker zwar zur Hauptattraktion seiner nächsten Auktion macht, aber anscheinend darauf aus ist, den unerfahrenen und verbitterten Fridelance übers Ohr zu hauen. Ein Strohmann soll den deutlich zu niedrig geschätzten Hocker aufkaufen, damit ihn das Auktionshaus später für großes Geld weiterveräußern kann. Als Trick ganz übel, zumal das Haus sich den Hocker nur über einen Einlieferungsschein aneignet.

Als Fridelance den Braten riecht, ist es zu spät. Das Autktionshaus stellt ihm überhöhte Rechnungen, der Anwalt, den er hinzuzieht, hält sich mit seinem Engagement tunlichst zurück, das ganze eskaliert, bis schließlich Stuhl, Auktionshaus und Fridelance in Flammen aufgehen.

Je komplizierter die Situation, desto mehr gerät Fridelance aus dem Häuschen, bis er schließlich gewalttätig wird. Das ist noch nicht das Ende der Geschichte, denn Fridelance hat wohl noch eine Nachgeschichte, die allerdings ein wenig mysteriös ist.

Und das hängt an dem letzten Buch, das er für seinen Schundverlag illustriert: Denn Fridelance findet in dem Buch eine Reihe von Rezepten, die er spaßeshalber einfach anwendet.

Das nun führt zu merkwürdigen Ereignissen und Leiden, die diejenigen befallen, die ihn im Zusammenhang mit dem Hocker quälen – seinen Verleger, den Auktionator, dessen Tochter. Sie leiden an merkwürdigen Krankheiten, siechen vor sich hin und leiden sehr heftig. Der Verfasser des Buches, das ansonsten wenig bemerkenswert ist, hat diese Rezepte von seinem Onkel, der sich als Wunderheiler betätigt hat.

Daran glaubt man natürlich nicht, was einen natürlich nicht davon abhält, solche Rezepte einmal auszuprobieren. Man weiß eben nie.

Wenn man den schmalen Text, der seinen Protagonisten halbwegs in die Hölle verfrachtet, so liest, dann fällt seine merkwürdige Unentschlossenheit auf. Denn konzentrierte er sich auf die Betrugsgeschichte, käme eine kleine feine Geschichte dabei heraus, die die Hilflosigkeit dieses kleinen Mannes zeigt.

Indem Slocombe aber die ein wenig hausbackene Zaubereigeschichte in seinen Plot mischt, wird aus der kleinen Psychostudie nichts anderes als eine recht platte Schundstory: Kleiner Mann ganz hilflos, rächt sich – ein wenig ungewollt – an seiner Umwelt mithilfe einer zufällig gefundenen Hexerei? Das ist ein bisschen müde und am Ende auch nicht nötig, außer um die schon wenigen Seiten zu füllen und zu tun, als ob heute so etwas irgendwie in der Waage zu halten wäre.

Titelbild

Romain Slocombe: Das Tamtam der Angst.
Übersetzt aus dem Französischen von Katarina Grän.
Distel Verlag, Heilbronn 2010.
105 Seiten, 10,00 EUR.
ISBN-13: 9783942136075

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