Eine „Kult-Biene“ auf hundertjährigem Flug

Waldemar Bonsels’ Geschichte der Biene Maja in einer ansprechend gestalteten, nostalgischen Neuauflage

Von Barbara TumfartRSS-Newsfeed neuer Artikel von Barbara Tumfart

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Wer kennt sie nicht, die etwas pummelige, blondgelockte, freche kleine Biene Maja, die in den 1980er-Jahren die deutschsprachigen Fernsehbildschildschirme unsicher machte? Dass dieser bis heute noch populäre Zeichentrickserie eine literarische Vorlage vom Anfang des 20. Jahrhunderts zu Grunde liegt, ist allerdings den wenigsten ihrer Fans bekannt.

Der deutsche Schriftsteller Waldemar Bonsels (1880-1952) schaffte 1912 mit dem Buch „Die Biene Maja und ihre Abenteuer“ einen bahnbrechenden Erfolg. Die Bienengeschichte wurde allein im deutschsprachigen Raum über zwei Millionen Mal verkauft, in 40 Sprachen übersetzt und avancierte in den 1920er-Jahren zum Kinderbuch-Klassiker par excellence. 1915 ließ der Autor dem Buch mit „Himmelsvolk“ noch eine Fortsetzung folgen. Bonsels wurde in den darauffolgenden Jahrzehnten zu einem der meistgelesenen Autoren Deutschlands. Obwohl seine Bücher mit Ausnahme der „Biene Maja“ 1933 den Nazi-Bücherverbrennungen zum Opfer fielen, sympathisierte Bonsels mit den Nationalsozialisten, sein umstrittener Roman „Der Grieche Dositos“ (1943) legt Zeugnis seiner antisemitischen Gesinnung ab. Letztendlich ist das umfangreiche Werk Bonsels in Vergessenheit geraten, die Figur der Biene Maja konnte sich nur auf Grund ihrer TV-gerechten Aufbereitung und einer entsprechend umfangreichen Merchandising-Maschinerie in die Gegenwart retten.

Grob skizziert hat die Serie mit den Geschehnissen der literarischen Vorlage nur mehr die Grundzüge und einzelne Figuren gemein. Die junge Biene Maja verlässt bei ihrem ersten Flug den schützenden Bienenstock, da ihr das unermüdliche Arbeiten und die ewige Pflichterfüllung einer Arbeitsbiene zu langweilig und eintönig erscheint. Sie quartiert sich in einem Baumloch ein und lebt frisch-fröhlich alleine und abgeschnitten von ihren Artgenossen. Dabei lernt sie eine Vielzahl anderer Insekten und Tiere kennen, besteht so manches gefährliche Abenteuer und trifft sogar auf den Menschen. Erst durch die Gefangennahme durch die bösartigen und feindlichen Hornissen erkennt sie die Bedeutung ihrer Herkunft. Sie kann durch eine List fliehen und den bedrohten heimatlichen Bienenstock vor dem drohenden Hornissenangriff gerade noch rechtzeitig warnen. Der abschließende Kampf zwischen den Hornissen und den Bienen geht für das brave Bienenvolk unter großen Opfern glimpflich aus und Maja wird zur Beraterin der Bienenkönigin ernannt.

In schwülstig stilisierter, pathetischer Sprache begleitet der Leser die Biene Maja auf ihren Abenteuern und wundert sich über so manche drastisch geschilderte Brutalität im Buch. Lässt man sich auf die antiquiert wirkende Sprache ein und berücksichtigt, dass nun schon 100 Jahre vergangen sind, seitdem diese Maja geschlüpft ist, so ist Bonsels Buch doch auch ein unterhaltsamer Klassiker, der zwar nicht unbedingt durch seine literarische Qualität besticht, aber auf Grund seiner Entstehungsgeschichte doch lesenswert erscheint. Die aktuelle Buchausgabe ist unbestritten eine sorgfältig gestaltete Neuauflage des 1912 erstmals veröffentlichten Werkes, die durch die farbigen Zeichnungen von Waltraut und Ottmar Frick einen nostalgischen, kultigen Leseeindruck vermittelt.

Titelbild

Waldemar Bonsels: Die Biene Maja und ihre Abenteuer. 2. Auflage.
Deutsche Verlags-Anstalt, München 2012.
172 Seiten, 16,95 EUR.
ISBN-13: 9783421043207

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