Auf der Jagd nach einem historischen Fundstück

Andrea Camilleri erzählt von der eigenwilligen „Münze von Akragas“

Von Patrick WichmannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Patrick Wichmann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Wer hat noch nicht zumindest einmal davon geträumt? Davon, irgendwo im Wald, auf der Wiese oder einem Acker einen bedeutenden archäologischen Fund zu machen – der bestenfalls zugleich einen unermesslichen Reichtum mit sich bringt: In seinem neuen Buch „Die Münze von Akragas“ geht Andrea Camilleri der Geschichte eines dieser ebenso seltenen wie faszinierenden Funde nach und beschreibt die Reise einer kleinen Münze von den Anfängen in der Antike bis zu den Wirren rund um ihre Wiederentdeckung zu Beginn des 20. Jahrhunderts.

„Aus unsern Fenstern erblicken wir den weiten und breiten sanften Abhang der ehemaligen Stadt, ganz von Gärten und Weinbergen bedeckt, unter deren Grün man kaum eine Spur ehemaliger großer bevölkerten Stadt-Quartiere vermuten dürfte.“ So beschreibt Johann Wolfgang von Goethe in seiner „Italienischen Reise“ die Ruinen Akragas’ auf Sizilien. Aus dieser Stadt, die einst ein bedeutendes Zentrum der griechischen Italien-Besiedlung war, stammt nun die „kleine Akragas“ genannte Münze.

Camilleri schildert das Abenteuer des Geldstückes von den Anfängen an: Alles beginnt im antiken Akragas, das von den Karthagern erobert wird. Dort steht das Schicksal des Soldaten Kalebas, dem ersten Besitzer des Goldstücks, im Mittelpunkt. Den Hauptteil der Erzählung bestimmt jedoch die Geschichte rund um die Ausgrabung der Münze und die Person des Arztes und Hobby-Numismatikers Stefano Gibilaro – es entwickelt sich im Laufe des Buches eine wahrhaftige Kriminalgeschichte rund um die Jagd nach der Münze vor dem historischen Hintergrund des Erdbebens von Messina 1908.

Neben der Geschichte der „kleinen Akragas“ spinnt Camilleri noch einige andere Handlungsfäden von russischen Matrosen über sizilianischen Bauern und königlichen Abgesandten. Dabei durchschlägt die Münze die Existenzen ihrer Träger „wie ein Meteorit“, wie Camilleri seinen Doktor Gibilaro sagen lässt; sie bringt ihren Besitzern mal Glück und mal Unglück. Vereinzelt drängt sich den Charakteren, aber auch dem Leser, der Eindruck auf, die Münze habe ein Eigenleben entwickelt und wolle geradezu in ewiger Vergessenheit entschwinden. „La moneta di Akragas“, so der Originaltitel, breitet menschliche Schicksale unterschiedlichster Couleur aus und mutet mitunter gar wie ein Märchen an – dabei hat die Geschichte einen allzu realen Hintergrund in Camilleris Familienhistorie.

Camilleri zeichnet mit seiner kargen, unprätentiösen Sprache ebenso spannende wie atmosphärisch dichte Szenen. Ihm gelingt mit wenigen Worten das Arrangement von prägnanten Charakteren innerhalb einer klaren Handlung. Diesen minimalistischen Stil fängt die Übersetzung von Annette Kopetzki wunderbar ein und transportiert ihn passgenau ins Deutsche. Bei all der Kürze verpasst es der Italiener jedoch keineswegs, den Leser bisweilen – ganz im Sinne seiner Kriminalromane rund um Commissario Montalbano, durch die er international bekannt wurde – zielgenau in die Irre zu führen und auf eine falsche Fährte zu locken. Mit „Die Münze von Akragas“ hat Camilleri ein kurzweiliges und packendes Buch geschrieben, mit unwiderstehlichem Charme erzählt er die abwechslungsreiche Geschichte eines realen historischen Fundstücks.

Titelbild

Andrea Camilleri: Die Münze von Akragas.
Übersetzt aus dem Italienischen von Annette Kopetzki.
Nagel & Kimche Verlag, Zürich 2012.
133 Seiten, 14,90 EUR.
ISBN-13: 9783312004959

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