Ein Schelm, wer Böses dabei denkt

Roland Schimmel gibt Nachhilfe zur vorsätzlichen Täuschung: „Von der hohen Kunst ein Plagiat zu fertigen“

Von Willi HuntemannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Willi Huntemann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Unter Freiherr zu Guttenbergs Rechtfertigungsversuchen zum Plagiatsvorwurf fehlte bislang ein Argument. Was wunder – hatte er seinerzeit doch noch keine Handreichung zum Plagiieren, wie sie hiermit nun vorliegt. Der Freiherr reicht dieses Entlastungsargument nunmehr in seinem kurzen Geleitwort nach: Das Buch zeige, „wie schwierig es ist, Plagiate zu verfassen. Ich wäre, hätte ich dies vorgehabt, auch damit gescheitert. Der Vorwurf des Vorsatzes ist also absurd“. Welch köstliche, verquere Logik, die man sich auf der Zunge zergehen lassen muss! Ausgerechnet die Berufung auf eine Wahrheit und das Einräumen des Scheiterns – bei der Betonung auf „auch damit“ – sollen vom Vorwurf des Vorsatzes freisprechen.

Der Frankfurter Jurist Roland Schimmel hat diese Erklärung zu Guttenberg in den Mund gelegt und das Geleitwort vorsorglich auf den 1. April datiert. In der Tat zeigt seine Anleitung zum Plagiieren wissenschaftlicher Arbeiten, wie schwierig so ein Unterfangen ist. Nach einer Begriffsklärung wird, nach Art einer Anleitung zum Verfassen wissenschaftlicher Arbeiten, in zehn Schritten detailliert und mit reichlich Fußnoten entfaltet, was alles zu beachten ist. Damit nicht genug: für den Fall einer unverhofften Entlarvung des (Blend-)Werkes werden noch einige Tipps für Rechtfertigungsstrategien verraten, damit das Schlimmste, so weit es eben geht, vermieden wird. Wer die Anleitung wirklich mit dem Vorsatz durcharbeiten sollte, ein Plagiat zu verfassen, kann leicht zu der Erkenntnis kommen, dass der intellektuelle Aufwand dermaßen groß ist – von der psychischen Belastung einmal ganz abgesehen –, dass man lieber gleich eine selbstverfasste Arbeit in Angriff nehmen kann.

Die Logik, nach der der Ratgeber funktioniert, ist die des Bestsellers „Anleitung zum Unglücklichsein“ des Kommunikationspsychologen Paul Watzlawick. Möglich ist dies nur dadurch, dass Roland Schimmel seinen Text wie eine Satire angelegt hat, die keinerlei interne Signale für ihren Satirecharakter aufweist. Nicht zufällig ist ein zeitloses Musterbeispiel dieses Satiretyps Jonathan Swifts Meisterwerk „Modest Proposal“; man könnte aber auch einen Meilenstein in der Geschichte der deutschen Fernsehsatire anführen: Tom Toelles „Millionenspiel“ aus dem Jahre 1970, das eigentlich von der Einblendung „Achtung, Satire!“ hätte begleitet sein müsste, um nicht von manchen schlichten Gemütern für bare Münze genommen zu werden – was durchaus vorkam.

Das Bändchen ist für Freunde feiner, intellektuell ansprechender Satire ein Genuss, unabhängig vom Interesse am Gegenstand. Dass ausgerechnet ein Vertreter einer Zunft so etwas zuwege bringt, die notorisch im Ruf steht, trocken und unverständlich zu schreiben, und dem man keine literarischen Ambitionen unterstellen würde, wirft nebenbei ein Licht auf den gegenwärtigen Stand der literarischen Kunst der Satire.

Schimmel beherrscht als Jurist die Kunst der komplexen, aber dabei klaren Textgliederung und des Fußnotenschreibens; dass er eine juristische Arbeit vor Augen hat, stellt keine Einschränkung dar, da alles sinngemäß auf andere Fächer übertragbar ist. Der Anmerkungsapparat enthält eine Fülle von (ungefälschten!) Literaturhinweisen, die – gegen den Strich gelesen – solide über Plagiate, zumal in Zeiten des Internet, und die in den letzten Jahren sich etablierende Plagiatsforschung informieren. (Ergänzend sei an dieser Stelle auf das ebenso lesenswerte Büchlein von Peter Rieß et al.: „Prolegomena zu einer Theorie der Fußnote“ hingewiesen, in der gleichen Reihe „fußnote: anmerkungen zum wissenschaftsbetrieb“ erschienen.) Unter den zahlreichen Publikationen, die der Fall Guttenberg nach sich gezogen hat, wird diese kleine augenzwinkernde Schrift wohl auch späterhin noch von Interesse sein.

Titelbild

Roland Schimmel: Von der hohen Kunst ein Plagiat zu fertigen.
LIT Verlag, Berlin 2011.
91 Seiten, 8,90 EUR.
ISBN-13: 9783643112484

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