Leben mit Feuer und Eis

In ihrem neuesten Reisebuch „Auf der Insel der Gletscher und Geysire – Meine Zeit in Island“ zeigt sich Carmen Rohrbach überrascht von der Kontrastfülle der Atlantikinsel

Von Stella HoffmannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Stella Hoffmann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Ísafold, die Eisumschlungene, so nennen die Isländer ihre Heimatinsel. Bereits dieser poetische Eigenname weckt die Neugier auf den sagenumwobenen Inselstaat, der 1944 seine Unabhängigkeit von Dänemark erlangte. Die preisprämierte Reiseautorin Carmen Rohrbach bereiste sechs Monate lang die Insel, die mit zu den ältesten demokratisch verwalteten Staaten Europas gehört. In ihrem aktuellen Buch „Auf der Insel der Gletscher und Geysire – Meine Zeit in Island“ berichtet sie von ihren erfüllten und unerfüllten Erwartungen, mit denen sie auf ihrer Rundreise konfrontiert wurde.

Einerseits hatte sich die erprobte Reiseexpertin mit dem Credo „Unterwegs sein ist mein Leben“ die Insel mit „der nördlichsten Hauptstadt der Welt“ ebenso „kalt, rau und windig“ vorgestellt, wie sie sich in der Gletscherregion zwischen dem berühmt-berüchtigten Eyjafjallajökull und dem Tindafjallajökull zeigte. Ersterer machte kurz vor ihrem Abflug im April 2010 durch seine Eruption, die verheerende Auswirkungen auf den Flugverkehr hatte, Schlagzeilen. Andererseits wurde die Globetrotterin von der Gegensätzlichkeit Islands überrascht. Während man auf dem Gletschersee Jökulsárlón treibende Eisschollen bewundern kann, wird in den heißen Quellen wie der Landmännerquelle gebadet oder am Rande eines Vulkans Brot gebacken.

Die Naturverbundenheit teilt die studierte Biologin mit den Isländern. Immer wieder sucht sie trotz sprachlicher Barrieren das Gespräch mit den Einheimischen und lässt sich in deren Geschichte und Lebensweise einweihen. Doch von Zeit zu Zeit zieht es Carmen Rohrbach wieder zurück in die Einsamkeit der Natur. Dort schießt sie nicht nur farbenprächtige Fotos, sondern findet auch Zeit für ihr naturwissenschaftliches Studium. Allerdings verschwimmen in den immer wiederkehrenden Passagen die Grenzen zwischen ansprechendem Reisereport und spezifischer Vogelkunde.

Möglicherweise wäre es ergiebiger gewesen, für ihre biologischen Untersuchungen einen angemesseneren, naturwissenschaftlichen Publikationsort wie zum Beispiel eine Fachzeitschrift zu wählen. Auch in sprachlicher Hinsicht scheint der Autorin der Spagat zwischen naturwissenschaftlichem Duktus und kunstvoller Poetik nicht ganz leicht zu fallen. Wer einen sachlichen und nüchternen Schreibstil erwartet, wird allerdings überrascht. Carmen Rohrbachs Sprache ist sehr detail- und bildreich. Auch ohne die Fotos gelänge es ihr, mit Worten die Landschaften Islands vor dem geistigen Auge des Lesers nachzuzeichnen. Doch leider schleichen sich zwischen anmutigen Sätzen wie „In dieser totschwarzen Welt kann kein Leben überdauern“ eine ermüdende Repetition von Beschreibungen, überladende Fauxpas’ sowie ein Hang zur Personifikation ein. In wiederholender Manier ducken sich Häuser und Pflanzen zwischen Felsen und Steine, während „im Norden, über hundert Kilometer entfernt, […] zart wie in einer chinesischen Tuschzeichnung der schneebedeckte, fast perfekte Kegel des Snæfellsnesjökull schimmert“ und Wogen auf die Küste Islands zureiten.

Im Großen und Ganzen ist Carmen Rohrbach mit ihrem Reisebuch ein unterhaltsames und zugleich lehrreiches Porträt der Atlantikinsel am nördlichen Polarkreis gelungen. Sie versteht es, verschiedene Disziplinen miteinander zu verbinden und somit ein möglichst vielfältiges Bild von Island zu entwerfen. Neben der biologischen und geologischen Untersuchung des Landes, widmet sich Carmen Rohrbach zusätzlich seiner Historie, Politik, Religion und Mythologie. Mit stetigem Aktualitätsbezug erzählt sie von den Sitten und Gebräuchen der Isländer. Durch Anekdoten aus dem täglichen Leben sowie durch Kunst und Dichtung wird die Forscherin in den Bann des isländischen Volksglaubens mit seinen Feen und Trollen gezogen, der auf der Insel auch im 21. Jahrhundert noch weit verbreitet ist. Die integrierten Karten im Buchdeckel helfen dem Leser die einzelnen Stationen ihrer Rundreise besser nachzuvollziehen und die Fotos in der Mitte des Buches wecken zusätzlich als optische Anreize die Reiselust. Im Anhang findet der zukünftige Island-Reisende wertvolle Tipps zum Land selbst wie auch zu möglichen Unterkünften oder weiterführender Reiseliteratur, die bei der Planung einer Island-Reise von großem Nutzen sein können. Nach ihrem preisgekrönten Werk „Im Reich von Isis und Osiris“, das auf einer der weltweit größten Reisemessen einen der ITB BuchAwards 2012 als bestes literarisches Reisebuch gewann, kann „Auf der Insel der Gletscher und Geysire – Meine Zeit in Island“ als würdiger Nachfolger antreten. Und wer weiß: Vielleicht wird auch dieser Reisereport im kommenden Jahr bei den ITB BuchAwards 2013 noch einiges Aufsehen erregen.

Titelbild

Carmen Rohrbach: Auf der Insel der Gletscher und Geysire. Meine Zeit in Island.
Malik Verlag, München 2011.
266 Seiten, 19,99 EUR.
ISBN-13: 9783890293851

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