Blutrünstiges Beten

Der Romandebütant Mark Belóv bemüht sich um authentischen Psycho-Wahn

Von Volker Maria NeumannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Volker Maria Neumann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Er gibt sich rüde, der Autor, rüde und unberechenbar. Dem "guten Geschmack" mit allen erdenklichen Mitteln und voller Wucht unter die Gürtellinie zu treten, dies scheint sein oberstes Anliegen zu sein. Und doch bildet ein berechnend gestricktes Netz den psychologisch hintergründigen Zusammenhalt des Erstlingswerkes "Fosters Fleischparadies" von Mark Belóv.

Der Ich-Erzähler Bick Stump schildert seine atemberaubende Karriere vom texanischen Kleinstadt-Nichtsnutz zum passionierten Schlachter bei Amerikas wichtigster Fleischverarbeitungsgesellschaft. Die Anfänge seines Werdegangs liegen im Sarg seines Vaters, bei voyeuristischen Teenie-Schweinereien und dem sexuellen Mißbrauch durch seine wegen ihrer makellosen Schenkel verehrten Tante Susan. Das Schicksal habe unseren guten Bick auserkoren, der Herr selbst berufe ihn zu höheren Dingen als zu all den perversen Spielchen im gottverdammten Texas. Bick folgt seiner Tante, die gerade mit dem Mormonenprediger und Gynäkologen ("Mösenklempner") Reverend Goldmann liiert ist, nach Chicago. Bicky-Baby wird erwachsen, soll heißen: er vögelt seine Tante und bringt den abtrünnigen Reverend mit dem Fleischermesser zur Räson. In der Abteilung Vorzerlegung bei "Fosters Fleischparadies" erfährt er endlich seine eigentliche Berufung: Im Auftrag des Herrn kämpft Bick Stump gegen die schleichende Zersetzung der amerikanischen Gesellschaft durch Nigger, Schlitzaugen, Kommunisten und vor allem durch die Soja-Mafia. In seiner unermüdlichen Schlacht gegen den Todfeind Vegetarier beläßt Bick es nicht beim Zerlegen von Schweinelenden.

Der Bericht eines Psychopathen. Brutal und widerlich. Wir Leser verfolgen das Geschehen ungetrübt mit den blutunterlaufenen Augen des Wahnsinnigen. Was tut er uns da an, der Sprachakrobat und Psychologiedoktorand Mark Belóv? Als wäre alles eine Art psychiatrischer Gruppensitzung, spricht uns sein durchgeknallter Protagonist anfangs mit "Meine Freunde" und später, im Habitus des Reverends, mit "Meine Brüder und Schwestern" an. Die Erzählung als Erklärung, authentisch wie auf Band gesprochen in einer schalltoten Gummizelle; ausgeklügelte Psychologie des Romanhandwerkers in drastischer Gossensprache. Wir sollen Komplizen werden, die Tat aus des Täters Winkel betrachten - dies das Fangnetz - uns selbst bei der Lust an fleischiger Sünde ertappen. Allmächtiger! Durch wieviel Schweinedarm müssen wir eigentlich waten, knietief, bis wir das Licht, die feinsinnige Machart des Romans erblicken? Im Text wimmelt es von orthographisch gekürten Monsterbräuten, von wir-setzen-jetzt-ganz-viele-Bindestriche-Konstruktionen, und noch viel mehr verstümmelten Artikel bis'n Arzt kommt.

Haltet durch, meine Freunde im Herrn, haltet durch - ihr, die ihr nicht Bukowski- und Ellis-Fans seid. Wir wissen ja alle, warum wir so gerne gute Bücher lesen.

Titelbild

Mark Belóv: Fosters Fleischparadies.
Rake Verlag, Rendsburg 1999.
214 Seiten, 10,10 EUR.
ISBN-10: 3931476227

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