Lieber Liebes-Ratgeber

Kurze Anmerkungen zu Christiane Rösingers biografisch angehauchtem Sachbuch „Liebe wird oft überbewertet“

Von Thomas NeumannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thomas Neumann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Im Klappentext ihres neuen Buches wird Rösinger als „Mitgründerin, Sängerin und Texterin der Berliner Bands ‚Lassie Singers‘ und ‚Britta‘“ vorgestellt. Zu ihren vielfältigen Aktivitäten gehört auch ihre Arbeit als Schriftstellerin. So legte sie ein als „Sachbuch“ betiteltes Taschenbuch vor, das sicherlich zu einem Teil – oder zumindest dem Titel nach – auf ihrem Lied „Liebe wird oft überbewertet“ basiert. Nimmt man diesen Grundton des Songs als Ausgangspunkt, kommt man Inhalt und Tenor des „Ratgebers“ recht nahe. Dabei liefert Rösinger eines Mischung aus „Berliner Tagebuch“ – also Aufzeichnungen über ihre alltägliche Befindlichkeit und die ihrer Umgebung – und einer mehr oder weniger systematischen Analyse verschiedener Ratgeber und „Machwerke“ aus dem Regal „Ratgeberliteratur für Beziehungen zwischen Menschen und anderen humanoiden Lebensformen“, die man in jeder drittklassigen Buchhandlung zuhauf finden kann.

Dabei sind die Berichte aus dem Berlin der Gegenwart in der präzisen, analytischen und sezierenden Sprache Rösingers der unterhaltsamere Teil des Buches. Bei der Aufarbeitung der „Single- und Beziehungsratgeber“ analysiert sie zwar unlustige Lektüre, gewinnt dieser „problematischen“ Textsorte aber durchaus humorige Aspekte ab. Die hiermit zumindest in Ansätzen lustige Lektüre  bringt den Leser aber trotzdem nicht weiter und ist an manchen Stellen – ebenso wie die Vorlagen – literarisch und unterhaltungstechnisch eher uninteressant. Dennoch schafft es Rösinger, die nicht unberechtigt als Expertin in Sachen schlechter Laune gelten darf, einem „an sich“ humorlosen Textkomplex zu einem einigermaßen unterhaltsam zu lesenden „Bericht“ zusammenzufassen, dessen Ergebnis das Rösinger’sche Motto – noch aus Zeiten der „Lassie Singers“ stammend – „Pärchen verpisst euch, keiner vermisst euch“ treffend zusammenfasst. So bleibt die Lektüre des Buches zwar ironisch gebrochen, hinterlässt den Leser desorientiert.

Und so ist es doch wahrscheinlicher, dass die Formulierung, dass Frau Rösinger keine „Pärchen“ mag, nur eine eloquente These ist, um dem Buch zu erhöhtem Absatz zu verhelfen. Denn es scheint eher so, das Frau Rösinger nicht nur keine Pärchen mag, sondern einfach ihre Mitmenschen nicht ausstehen kann. Das ist zunächst natürlich nicht so schön. Aber ist es nicht so, dass wir ihr bei dieser Feststellung auch aus ganzem Herzen zustimmen könnten, wenn wir einmal genauer nachdenken? Denn was begegnet nahezu jedem Leser jeden Tag? Unausstehliche Pärchen, furchtbare Singles, grässliche Kollegen, grauenhafte Kunden, ätzende Familienmitglieder und nervende Freizeit-mit-einem-zusammen-Verbringer. Ja, es bleibt uns nichts anderes übrig, als Frau Rösinger Recht zu geben. Auch Pärchen sind ätzend, aber nicht nur. Viel Spaß bei einer übellaunigen Lektüre.

Titelbild

Christiane Rösinger: Liebe wird oft überbewertet. Ein Sachbuch.
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2012.
205 Seiten, 13,99 EUR.
ISBN-13: 9783100929464

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