Menschen und Pläne

Tapani Bagges „Schwarzer Himmel“ ist ein schön geschriebenes Schaustück in Sachen Folgenbewältigung

Von Walter DelabarRSS-Newsfeed neuer Artikel von Walter Delabar

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Es gibt eine schöne Wendung, mit der die Häufung von Misserfolgen beschrieben werden kann: Leute, denen sowas passiert, haben eben Dreck an den Händen (Dreck natürlich in der alten Bedeutung).

Da gibt es etwa in Tapani Bagges Buch einen Überfall in Schweden, bei dem nicht nur ein Polizist erschossen wird, sondern auch noch ein paar der Gangster draufgehen. Das ist schon schlecht. Dann muss der Kopf der Bande – Ernesto, der Sohn von Exilchilenen – aber auch noch hinnehmen, dass er die Beute zwar hat, im nächsten Moment wird sie jedoch von einer Windhose, die auch ihn selbst ein wenig durchschüttelt, erfasst und in alle Himmelsrichtungen verstreut. Das Geld ist weg, die Arbeit für die Katz, und dann gibt es noch das Problem, dass Ernesto nicht ganz ohne Hintermänner ist, denen er nun mächtig viel Geld schuldet.

Was zweierlei Konsequenzen hat: Entweder Ernesto verliert das Leben oder er findet eine Kompensation. Option zwei ist wohl die mit der besten Überlebenschance. Also fällt Ernestos Wahl auf Option 2 – Klarer Fall.

Nur, wenn eine Sache schon schlecht anfängt, wird sie nicht notwendig danach besser. Und so ist es auch in diesem Fall. Der zweite Raub, den Ernesto durchführt, geht noch gewaltiger daneben, diesmal final für ihn.

Das ist zwar das Ende des Romans, aber der Clou des Krimis des finnischen Autors, der sein Handwerk bei Jerry Cotton gelernt haben soll (was für eine seriöse Grundausbildung spricht), ist nicht das Ende, sondern der Weg dahin.

Den schildert Bagge nämlich in einer atemlosen Erzähltechnik, die nicht lange bei einer seiner Figuren verweilt, sondern rasch zum nächsten weiterspringt. Das birgt die Gefahr, dass man Überblick und Einsicht in das was passiert verliert. Feierabendleser wollen wohl vor allem die Grusel-Identifikations-Nummer und sich sicher nicht über die Gebühr anstrengen. Konzentrieren geht aber nicht anders, was eben auch zu der fast schon eintönigen Erzählweise der internationalen Durchschnittsware führt, die allerdings dann sehr erfolgreich ist, wenn sie stilistisch und vom Plot her einigermaßen sauber ist und ein Thema hat, das en vogue ist.

Dem Krimi-Genre tut das nicht besonders gut. Weder, wenn daraus folgt, dass die Krimis in Harmlosigkeit versinken wie zahlreiche amerikanische Erfolgstexte, noch wenn sie sich mit der nächsten und noch schlimmeren Grausamkeit übersteigern, wie das schwedische Krimis immer wieder tun.

Aber immerhin hat das die Neugierde auf immer neue Varianten des Krimigenres nicht zunichte gemacht. Ganz im Gegenteil, immer wieder gibt es Neuentdeckungen, die sich in ihrer Erzähltechnik auch ins offene Gelände wagen. Schenkel ist ein Beispiel dafür, Vargas auch, und eben auch Tapani Bagge.

Dabei ist Bagges Ansatz nicht einmal besonders avantgardistisch. Zwar zerlegt er seine Erzählung in verschiedene Stränge, die aber aufeinander zusteuern und in ihrer Binnenstruktur an Lesbarkeit nichts eingebüßt haben.

Daraus bildet sich nach und nach das Bild einer hoffnungslosen Aktion, die haltlos ins Desaster stürzt. Was soll man aber von einem abgehalfterten Eishockeyspieler, was soll man von einem Gangster halten, der sich mal eben ins Bein schießen lässt? Wie gut ist ein Plan, der dauernd geändert werden muss, weil nichts so funktioniert, wie es soll? Was ist von einem Team zu halten, aus dem sich dauernd Leute verabschieden, zum Beispiel weil die Frau ein Kind bekommt? Das ist für echte Gangster alles ziemlich uncool.

Oder ein Kerl, der Bumm-Bumm-Arnie heißt und so weiter. Wenn man für einen Überfall einen Panzer aus einem Armeereservoir klaut, muss man schon ganz schön durchgeknallt sein. Vor allem, wenn man anschließend mit dem Ding in ein Haus fährt, um an die Kohle zu kommen, die darin lagert. Aber jeder Gangster hat wohl so seine Gewohnheiten, was Raubüberfälle angeht.

Man kann aber wohl nicht davon ausgehen, dass solche Leute erfolgreich sind oder einigermaßen unauffällig. Und das sind sie auch nicht. Eine Reihe von Leuten heftet sich an die Fährte der Möchtegerngangster und ihres grandiosen Anführers und mischt sich fleißig in die Aktion mit ein. Und nicht alle sind friedliche Polizisten, die einfach nur ein paar Gangstern das Handwerk legen wollen. Da gibt es dann schon genug Kollateralschäden.

Und nicht zuletzt deshalb endet der große Plan, der das große Geld bringen soll, in einem Desaster. Nun gut, es wird Geld dabei erbeutet, und das nicht wenig. Aber es bleiben irgendwie alle möglichen Leute auf der Strecke dabei, und am Ende hat jemand das Geld, dem man es nicht zugetraut hätte.

Titelbild

Tapani Bagge: Schwarzer Himmel. Kriminalroman.
Übersetzt aus dem Finnischen von Stefan Moster.
Suhrkamp Verlag, Berlin 2012.
272 Seiten, 8,99 EUR.
ISBN-13: 9783518463192

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