Sprechen kann fast jeder, aber reden…?

Der Redenschreiber Peter Sprong schreibt über „Das befreite Wort“

Von Bernd HeinrichRSS-Newsfeed neuer Artikel von Bernd Heinrich

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

„Man kann über alles reden, aber nicht über eine Stunde“ heißt ein ungeschriebenes Gesetz, das Redner möglichst beherzigen sollten. Es gibt die unterschiedlichsten Reden zu den verschiedensten Anlässen ebenso wie begnadete, brillant formulierende Redner oder förmlich am Manuskript klebende, stotternde Langweiler. Mit Letztgenanntem keineswegs in Verbindung gebracht werden möchten jene, die gelegentlich selbst am Rednerpult stehen oder sich gar als Redenschreiber versucht haben. Peter Sprong, Kölner Historiker und Literaturwissenschaftler, ist seit über zehn Jahren als Redenschreiber und Rhetorik-Coach für Führungskräfte der deutschen Wirtschaft tätig. Sein Buch „Das befreite Wort“ will er nicht als ein Lehrbuch für Redner verstanden wissen, ebenso wenig als Rhetorikbuch. Trotzdem enthält sein Band wertvolle Kenntnisse und Erkenntnisse gleichermaßen für Redner und Zuhörer.

Der Autor hat über die Jahre ein spezifisch deutsches Unbehagen am öffentlichen Redeauftritt registriert, ganz im Gegensatz zur Wahrnehmung freier, zumeist unterhaltsamer Reden in angelsächsischen Ländern. Obwohl diese Wahrnehmung wissenschaftlich nicht belegt ist, mutmaßt Sprong, die deutschen Führungskräfte seien davon überzeugt, reden zu müssen, aber nicht reden zu können. Sicher gehört zum Reden auch Talent. Nicht jeder kann ein guter Redner sein. Wer sich allerdings als solcher exponiert, der muss reden wollen. Seine rhetorische Ethik entscheidet mehr als alles andere über den Redeerfolg.

Von der rhetorischen Ethik vor allem handelt „Das befreite Wort“. Dazu gehören selbstredend unbedingte Aufrichtigkeit, Kompetenz, eine Botschaft, Überzeugung, Glaubwürdigkeit, Klarheit, Haltung. Man prüfe bei nächster Gelegenheit die Rede eines Wirtschaftsvertreters oder Politikers auf obiges Verlangen. Sind es nicht oftmals von einem Mitarbeiter der Pressestelle aufgeschriebene, mit aktuellem Zahlenwerk angereicherte Allgemeinplätze? Diese werden dann dem Auditorium in geringer Variation als Jubiläumsrede, Lobrede bei einer Preisverleihung, Wahl- oder Werberede, Parlaments- oder Belegschaftsrede zugemutet.

Mitunter tritt der Redner gewissermaßen als ein unseriöser Verkäufer auf, als Marktschreier, als manipulierender Blender; unbeteiligt, distanziert, arrogant und eitel. Hinter dieser öffentlichen Wahrnehmung verbergen sich häufig Scham- und Schuldgefühle, Hemmungen, Angst und Pein. Da bleibt nichts übrig vom dem heiligen Antonius zugeschriebenen Spruch: „In Dir muss brennen, was Du in anderen entzünden willst.“

In seinen geradezu philosophischen Einlassungen bricht Sprong eine Lanze für die hoch angesehenen Redner der Antike, für brillante Rhetoren wie John F. Kennedy, Martin Luther King und schließlich für Willy Brandt und Joschka Fischer, Barack Obama und Joachim Gauck. Er spannt den großen Bogen von den Grundsätzen, die eine gelungene Rede ausmachen, bis zu sprachlichen Entgleisungen, spart die Wirkung von Gestik, Mimik, Blickkontakten und Tricks nicht aus. Kurz: Nach der ernsthaften Lektüre seines Buches werden Redner wie Redenschreiber mit mehr Vorsicht und Sensibilität an ihr nächstes ‚Werk‘ gehen. Auch, um Mark Twain Lügen zu strafen, der meinte: „Das menschliche Gehirn ist eine großartige Sache. Es funktioniert bis zu dem Zeitpunkt, wo du aufstehst, um eine Rede zu halten.“

Als erstes Buch zum Thema Rhetorik bietet „Das befreite Wort“ in einem eigenen Blog zahlreiche Links zu weiterführenden Interviews, Aufsätzen, Videos und Podcasts im Internet.

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Peter Sprong: Das befreite Wort. Was für gute Redner wirklich wichtig ist.
Nicolai Verlag, Berlin 2011.
148 Seiten, 19,95 EUR.
ISBN-13: 9783894796440

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