The good, the bad and the ugly

Ein von Frank Fromholzer, Michael Preis und Bettina Wisiorek herausgegebener Tagungsband stellt die Facetten des Bösen dar, zeigt aber auch seine guten Seiten

Von Constanze FiebachRSS-Newsfeed neuer Artikel von Constanze Fiebach

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Der Tagungsband „Noch nie war das Böse so gut“ entstand im Rahmen einer interdisziplinären Tagung und verspricht einen Beitrag zur „Aktualität einer alten Differenz“. Insgesamt 17 Beiträge beschäftigen sich mit dem Bösen, diese sind in ihrer wissenschaftlichen Ausrichtung ebenso facettenreich wie der Gegenstand, den sie beleuchten. Schon der Buchtitel „Noch nie war das Böse so gut“ zeigt verschiedene Deutungsansätze auf: Heißt das, das Böse ist heute weniger Böse als ehemals? Oder erfüllt es gerade seine Bestimmung und ist deshalb gut? Aus philosophischer, psychologischer, theologischer, soziologischer, literaturwissenschaftlicher und sogar juristischer und wirtschaftswissenschaftlicher Sicht wird im Buch diesen und weiteren Fragen nachgegangen. Dabei begegnet dem Leser das Böse in einer Fülle von Ausprägungen, von denen Teufel und Schlange wohl die offensichtlichsten sind.

Besonders alltagsnah und verständlich, dabei aber nicht mit weniger wissenschaftlichem Anspruch, beantwortet Verena C. Seibold in ihrem Beitrag „Noch nie war das Böse so gut – Warum auch gute Menschen böse handeln“ eine Frage, die sich unzählige Menschen täglich beim Anblick der Nachrichten oder in anderen Zusammenhängen stellen. Der Beitrag aus psychologischer Sicht plädiert für einen kritischeren und differenzierteren Umgang mit der Gut-Böse-Thematik und erweitert den Blick auf diese durch die Unterscheidung des Alltagsverständnisses von Gut und Böse von dem der empirischen Wissenschaften.

Ebenfalls sehr lesenswert ist der Beitrag Bernd Oberdorfers, der mit Blick auf die Genesis-Erzählung zwar einen oft bemühten Text zur Thematik heranzieht, zu diesem jedoch neue Deutungsansätze anbietet. Ein großes Plus in „,Ihr werdet sein wie Gott‘. Die Raffinesse des Bösen“ ist auch, dass nur besonders zentrale Stellen erneut zitiert werden, was einem Gefühl des tausendmal Gehörten vorbeugt.

Etwas weniger leicht zugänglich, aber ebenso spannend ist die Betrachtung des Bösen aus systemtheoretischer Perspektive, die Christian Kirchmeier in seinem Aufsatz „Am Anfang war der Teufel ein Engel. Moral aus systemtheoretischer Perspektive“ anbietet. Hier geht es weniger um das konkrete Böse in sichtbarer Form als vielmehr um das Aufzeigen einer Problemkonstellation, die die Gut-Böse-Differenz thematisiert. Die Erklärung, warum die Moral heute nicht mehr dazu geeignet ist, die ganze Gesellschaft zu organisieren, ist aufschlussreich, der Weg dahin durch einen komplexen theoretischen Unterbau allerdings lang. Einige Beispiele kommen sehr plötzlich und der Zusammenhang zum Gesagten ist nicht immer einleuchtend.

Alexa F. Wilke greift in ihrem Text „‚Honigseim träufelt von ihren Lippen‘ – Die Attraktivität des Bösen im Diskurs alttestamentlicher Weisheit“ eine Frage mit Tradition wieder auf: Wieso wird das Böse so oft im Weiblichen verkörpert? Neben dieser interessanten Fragestellung ist die dezidierte Textarbeit hervorzuheben. Leider bleibt der Artikel im Wesentlichen deskriptiv.

Die literaturwissenschaftliche Sichtweise auf das Böse bildet mit 7 der siebzehn Beiträge einen Schwerpunkt in diesem Tagungsband. Neben Johann Wolfgang Goethes „Die guten Frauen“, William Shakespeares „Othello“ und Thomas Manns „Doktor Faustus“ wird Marcel Beyers Roman „Kaltenburg“ auf das Böse hin betrachtet. Eine Besonderheit stellt dar, dass der Autor Marcel Beyer selbst zu Wort kommt, wenn es um die Frage geht, wie man gut vom Bösen erzählen könne. Der Artikel „Man erzählt immer mit schmutzigen Händen“ ist das Verbindungsstück zwischen den theoretischen Betrachtungen des Bösen und dessen Rolle in der Praxis eines Literaten.

Julia Dietrich und Angelika Zirker setzen ihre Kenntnisse im Beitrag „Noch nie war das Böse so clever: Iagos Soliloquien in Shakespeares Othello aus literaturwissenschaftlicher und ethischer Perspektive“ gewinnbringend ein. Er ist ein lesenswertes Beispiel für die Betrachtung eines gemeinsamen Gegenstandes mit zwei fachlich verschiedenen Augen.

Insgesamt stellt der Tagungsband „Noch nie war das Böse so gut. Die Aktualität einer alten Differenz“ eine lesenswerte, interdisziplinär aufschluss- und lehrreiche Textsammlung zur Verfügung, die mit überraschenden Ansätzen und spannenden Fragestellungen für ein breites Leserpublikum geeignet ist. Im Anhang befindet sich ein Personen- und Sachregister, welches die Orientierung nach Fachbereichen und Interessen ermöglicht.

Titelbild

Franz Fromholzer / Michael Preis / Bettina Wisiorek (Hg.): Noch nie war das Böse so gut. Aktualität einer alten Differenz.
Universitätsverlag Winter, Heidelberg 2011.
361 Seiten, 36,00 EUR.
ISBN-13: 9783825357764

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch