Zwischen Bauhaus und Burg

Eine Hommage an die Textildesignerin Benita Koch-Otte

Von Klaus HammerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Klaus Hammer

Die Weberin Benita Koch-Otte war eine der besonders kreativen Frauen, die das Bauhaus entscheidend mitgeprägt hat. Als die Zeichenlehrerin 1920 zum Studium an das Bauhaus Weimar ging, belegte sie den Vorkurs von Johannes Itten, der die Studierenden zu Rhythmusstudien anhielt, und besuchte den ersten Kurs von Paul Klee, dessen Farbenlehre sie später für ihre Textilgestaltung und freie Kunst nutzte. Formmeister der Bauhausweberei war der Maler Georg Muche, für die handwerkliche Ausbildung war Helene Börner als Werkmeisterin verantwortlich. Akt- und Figurenzeichnen belegte Benita Otte bei Oskar Schlemmer und Theo van Doesburg vermittelte ihr Anregungen der holländischen De Stijl-Bewegung, deren Kompositionen sie dann auch für ihre Teppichentwürfe verwandte. Schnell avancierte sie in der Bauhaus-Weberei und wurde schon 1925 als Leiterin der Weberei an die Kunstgewerbeschule Burg Giebichenstein in Halle berufen, wo sie das Bauhaus-Programm weiterführte und die Weberei der Burg zu einer Produktionsstätte für moderne Raumtextilien entwickelte. 1933, kaum hatten die Nationalsozialisten die Macht ergriffen, erhielt sie ebenso wie ihr Ehemann Heinrich Koch, der die Fotografiewerkstatt leitete, und alle weiteren Kollegen vom Bauhaus, ihre Kündigung in Halle. 1934 bis 1957 stand sie der Weberei an den Bodelschwinghschen Anstalten in Bethel vor, betrieb Werktherapie wie auch klassische Handweberei und vermochte es, die schöpferischen Fähigkeiten der Patienten zur Entfaltung zu bringen.

Dieser prägenden Persönlichkeit in der Textilgestaltung widmet jetzt das Bauhaus-Archiv / Museum für Gestaltung, Berlin, in Zusammenarbeit mit der Klassik Stiftung Weimar eine Ausstellung ihrer Arbeiten aus den Jahren 1920 bis 1933 – bisher unveröffentlichte Handzeichnungen, Entwurfsskizzen, Knüpfmuster, Bauhaustextilien –, die aus dem Nachlass sowie aus öffentlichen Museen und Sammlungen zusammengetragen wurden (bis 27. August). Der reich mit Abbildungen ausgestattete Katalog enthält jeweils instruktive Texte zur Tätigkeit Benita Koch-Ottes am Bauhaus in Weimar 1920 bis 1925 (Michael Siebenbrodt), an der Kunstgewerbeschule Burg Giebichenstein in Halle (Angela Dolgner), an den Bodelschwinghschen Anstalten in Bethel (Irene Below). Zudem hat Ekkehard Schenk zu Schweinsberg einen „Kleinen Flickenteppich“ aus Briefen der Bauhäuslerin zu Leben, Arbeit und Weggefährten zusammengestellt.

Benita Koch-Otte hat Knüpfteppiche, Kleider- und Möbelstoffe, Gardinen, Wandbehänge und vieles andere entworfen. Ihre Gestaltungen sind im Spannungsfeld zwischen rationaler, kontrollierter Formfindung und freiem, spielerischen Selbstausdruck angesiedelt. Ihre größte Arbeit am Bauhaus war 1923 ein Knüpfteppich im Ausmaß von 315 x 315cm für das Direktorenzimmer am Weimarer Bauhaus, in 14 x 14 Quadrate geteilt, mit Fischgrätenmustern, Wellenlinien, Streifen und Punkten in eine lebendige Struktur versetzt. Er ging verloren, wurde 1999 in veränderter Farbigkeit nachgeknüpft und hängt heute im rekonstruierten „Gropius-Zimmer“ in der Bauhaus-Universität Weimar.

Zunächst bevorzugte Benita Otte Musterungen mit unterschiedlich weiten Streifen, später kleinteiligere Flächenmusterungen innerhalb eines Rechteckrasters. Die streng geometrischen, rhythmisch gegliederten Textilentwürfe nahmen den schichtenweise transparenten Farbauftrag ihres Lehrers Paul Klee und dessen Spiel mit den Wirkungen der Komplementärfarben auf. So verweisen ihre Wandbehangentwürfe 1924 auf Klees tunesische Aquarelle, in deren quadratischen Aufbau Kuppeln eingeschrieben sind. Auch Klee scheint sich während der Bauhausjahre mit Textil als Bildträger auseinandergesetzt zu haben und experimentierte mit verschiedenen Gewebeträgern und unterschiedlichen Techniken.

Im Musterhaus am Horn in Weimar wurden, vergleichbar mit den Architekturentwürfen des Malers Georg Muche, unterschiedliche Einsatzgebiete von Textilien vorgestellt: Bodenteppiche, Wandbehänge, Möbelbezugsstoffe. Für das Kinderzimmer fertigte Benita Otte 1923 einen originellen Halbgobelin, kombiniert mit Leinwandbindung, bei dem unterschiedliche Texturen und Farbmischungen durch die verschiedenen Webtechniken erzeugt werden. Das Spiel mit den farbigen Grundformen wird sie hier gereizt haben, zudem kommt das unkonventionelle geometrische Design kindlichem Farb- und Formempfinden entgegen. Auf lichtem Grund wirken die bunten Formen so, als habe man Spielzeug auf dem Teppich verstreut. Der Entwurf eines Wandbehangs von 1924 setzt dann Farb- und Lichtakzente, die Fläche beginnt zu vibrieren, Lichterreihen scheinen aufzuleuchten. Die Farbigkeit hellte sich Anfang der 1930er-Jahre immer mehr auf und Musik, Dekoration sowie malerische Form scheinen miteinander in eine engere Beziehung zu treten.

Die Klassik Stiftung Weimar und das Bauhaus- Archiv Berlin setzen ihre Bemühungen zum Thema „Bauhaus weiblich“ fort und werden als nächste Bauhaus-Künstlerinnen Lou Scheper-Berkenkamp und Gertrud Arndt vorstellen.

Michael Siebenbrodt (Hg.): Die Bauhäuslerin Benita Koch-Otte. Textilgestaltung und Freie Kunst 1920 – 1933; [Katalog zur Ausstellung Die Bauhäuslerin Benita Koch-Otte. Textilgestaltung und Freie Kunst 1920 – 1933; eine Ausstellung der Klassik-Stiftung Weimar in Kooperation mit dem Bauhaus-Archiv, Museum für Gestaltung, Berlin; Neues Museum, Weimar, 20. April bis 10. Juni 2012; Bauhaus-Archiv, Museum Für Gestaltung, Berlin, 20. Juni bis 27. August 2012].
Klassik Stiftung Weimar, Weimar 2012.
136 Seiten.