Tyrannenmorde, Hinrichtungen, Attentate

Ein Sammelband über politisch motivierte Morde in der Geschichte

Von Daniele VecchiatoRSS-Newsfeed neuer Artikel von Daniele Vecchiato

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Was haben Wallenstein und J. F. Kennedy gemein? Was vereint die Terrorattacke der RAF im Deutschland der 1970er-Jahre und die vom 11. September 2011? Haben Brutus 44 v. Chr. und der Graf von Stauffenberg am 20. Juli 1944 legitim agiert? Die Geschichte der Menschheit hat in allen ihren Phasen politisch begründeter Gewalttaten gekannt. In der Antike wie in unseren Tagen haben Herrscher immer in der Angst gelebt, Opfer eines Anschlages zu werden, und haben sich ihrerseits oft und gerne der Gewalt bedient, um Opposition oder Dissens zu ersticken.

Der Band „Politische Morde in der Geschichte“, von Georg Schild und Anton Schindling herausgegeben und mit Beiträgen von Dozenten der Universität Tübingen versehen, bietet einen sicherlich nicht vollständigen, jedoch umfangreichen und sehr informativen Überblick über das Phänomen politisch motivierter Gewaltanwendung von der Antike bis hin zur Gegenwart.

Ausgehend von einer weiten Definition des Begriffes „politischer Mord“, die vom Tyrannenmord zur religiös begründeten Hinrichtung, vom Massenmord zum Terroranschlag reicht, präsentieren die zwölf Kapitel des Bandes detaillierte Analysen ausgewählter Fälle politischer Gewalttaten aus unterschiedlichen Epochen. Die einzelnen Untersuchungen situieren die Ereignisse in ihren historischen, kulturellen und gesellschaftlichen Rahmen, manchmal mit einem Ausblick in die Wahrnehmung derselben bei Zeitgenossen und Nachwelt. Durch die breite Perspektive auf ein so vielschichtiges Phänomen lassen sich zugleich aus der Lektüre der Beiträge Vergleiche herstellen, Parallelen und Konstanten erkennen, Rückschlüsse auf die Entwicklung gewisser Konfliktlinien und Wertvorstellungen durch die Jahrhunderte hindurch ziehen.

Neben den interessanten Beiträgen der vielen Historiker stechen die Aufsätze von Barbara Lange und Jürgen Wertheimer hervor, der erste über den Mord am Fotomontagekünstler Gustav Klucis, der andere über die Rolle des politischen Mordes im dramatischen Frühwerk Friedrich Schillers. Gewünscht hätte man sich vielleicht noch, dass dieser – leider zu flüchtige – Hinweis auf die Interaktion von Politik und Künsten durch weitere Beispiele vertieft werden könnte.

Insgesamt liegt das Verdienst dieser Publikation darin, politische Morde im Kontext sich wandelnder Mentalitätsgeschichte differenziert zu betrachten und dadurch auch eine Reflexion über gegenwärtige Umstände und zukünftige Entwicklungen zu fördern. Warum brechen selbst in modernen demokratischen Gesellschaften politische Konflikte aus? Aus welchen Gründen können sich Individuen oder Bevölkerungsteile, die einen höheren Partizipationsanspruch erheben, für den Weg der Gewalt entscheiden? Inwiefern werden in Zukunft neue Konfliktpotentiale entstehen, politisch motivierte Anschläge uns begleiten, die Grenzen zwischen Freiheit und Sicherheit sich auflösen?

Titelbild

Georg Schild / Anton Schindling (Hg.): Politische Morde in der Geschichte. Von der Antike bis zur Gegenwart.
Schöningh Verlag, Paderborn 2012.
260 Seiten, 29,90 EUR.
ISBN-13: 9783506774163

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