Mehr als nur ‚hübsch gemolt‘

Christoph Fasbender hat eine Sammlung germanistisch orientierter Aufsätze zu den Lauber-Handschriften herausgegeben

Von Monika StuderRSS-Newsfeed neuer Artikel von Monika Studer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Es ist nicht erstaunlich, dass gerade der Chemnitzer Germanist Christoph Fasbender den neuen Sammelband mit Einzelstudien zu Handschriften aus der spätmittelalterlichen Werkstatt Diebold Laubers herausgegeben hat: Immerhin hatte Fasbender 2002 in zwei Aufsätzen – der eine veröffentlicht in der „Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur“, der andere in „Das Mittelalter. Perspektiven mediävistischer Forschung“ – gefordert, dass man sich mehr mit den individuellen Erzeugnissen dieser Werkstatt auseinandersetzen und damit über die Beschreibung der eigentlichen Produktionsstätte hinausgehen müsse. Fasbender hat dabei explizit die Textwissenschaften und damit insbesondere die Germanistik aufgefordert, ihren Beitrag zu leisten.

Der eben erschienene Sammelband „Aus der Werkstatt Diebold Laubers“ darf als Ergebnis dieser Bemühungen verstanden werden: versammelt er immerhin 14 Aufsätze aus fast ausschließlich germanistischer Feder, die sich aus je individueller Perspektive Handschriften oder Handschriftengruppen annähern, die in der Lauber-Werkstatt entstanden sind oder zumindest mit ihr in Verbindung gebracht werden. Die Einzelstudien leisten dabei als Fallstudien, aber auch in ihrer Gesamtheit einen entscheidenden Beitrag zur Literatur- und Kulturgeschichte des südwestdeutschen Raumes im Spätmittelalter. Durch die umfassende Kontextualisierung der Handschriften und durch die für manche Texte zum ersten Mal vorgenommene Untersuchung ihrer in der Lauber-Werkstatt hergestellten Überlieferungsträger reicht der Interessensradius des Sammelbandes weit über die Handschriftenwerkstatt hinaus. Die Positionierung in der Reihe „Kulturtopographie des alemannischen Raums“ ist nicht zuletzt deswegen sehr passend.

Die Handschriftenwerkstatt Diebold Laubers bestand mindestens zwischen 1427 und 1467. Die Eckpunkte ergeben sich aus der Datierung der ältesten und der jüngsten Handschrift, die der Produktionsstätte zugeschrieben werden können. Die Lauber-Werkstatt ist wohl die bekannteste spätmittelalterliche Handschriftenwerkstatt im deutschsprachigen Raum und gilt als äußerst produktiv und erfolgreich in ihrer Zeit. Die im elsässischen Hagenau, rund 30 Kilometer nördlich von Straßburg gelegene Werkstatt wird als Nachfolgerin der sogenannten „Straßburger Werkstatt von 1418“ gesehen und hatte sich auf die Herstellung von Bilderhandschriften spezialisiert. Je nach Quelle werden der Lauber-Werkstatt zwischen 70 und 80 Handschriften zugeordnet.

Die individuellen Aufsätze in Fasbenders Sammelband konzentrieren sich alle entweder auf einzelne Handschriften oder Handschriftengruppen oder auf bestimmte Texte oder Textgattungen innerhalb des Werkstattprogramms Diebold Laubers und der „Werkstatt von 1418“. Der Einbezug der mutmaßlichen Vorgängerwerkstatt Laubers in eine Studie zu den Lauber-Handschriften erscheint aufgrund der vielen Bezüge sinnvoll, auch wenn der Titel des Sammelbandes eine engere Perspektive erwarten ließe. Die Anordnung der einzelnen Aufsätze im Sammelband ist insofern chronologisch, als die ersten drei Studien sich gänzlich auf Produkte aus der „Werkstatt von 1418“ konzentrieren; der daran anschließende Aufsatz vergleicht das Produktionsprogramm in der „Werkstatt von 1418“ und der Lauber-Werkstatt, bevor die folgenden zehn Aufsätze sich direkt auf die Produkte aus der Lauber-Werkstatt konzentrieren.

Obwohl der Fokus auf die Texte in den Lauber-Handschriften ausgerichtet ist, fassen viele der Einzelstudien die jeweils untersuchten Manuskripte trotzdem in ihrer Gesamtheit als Kompendien mit Text und Bild. Dabei finden auch paratextuelle Elemente wie Register, Bild- und Kapitelüberschriften Beachtung und werden in der Gesamtkonzeption der einzelnen Handschriften gedeutet. Das von Lieselotte Saurma-Jeltsch 2001 in ihrer umfangreichen Studie vorgestellte Ergebnis einer nur losen Verbindung von Text und Bild bei den Lauber-Handschriften wird zwar nicht widerlegt, doch zeigen die neuen Fallstudien, wie wichtig der Blick auf die Handschriften als Gesamtkonzepte mit jeweils individueller Gestaltung ist.

Sowohl die „Werkstatt von 1418“ als auch die Werkstatt Diebold Laubers werden als äußerst kreative Umfelder präsentiert, in welchen nicht nur Texte kopiert und illustriert wurden, sondern wo Korpora mit Bedacht zusammengestellt und adaptiert wurden und wo mit literarisch hohen Ansprüchen an Textvorlagen herangetreten wurde. Auch wenn die einzelnen Studien zu reichhaltig sind, als dass man sie mit je einem Stichwort fassen könnte, zeichnen sich doch die folgenden übergreifenden Themenfelder ab, die in den unterschiedlichen Aufsätzen abgedeckt werden: Der Sammelband befasst sich mit der Frage nach Laubers Vorlagen und seinem Umgang damit (Michael Stolz/Gabriel Viehhauser und Christine Putzo), mit den literarischen Programmen der Lauber-Werkstatt und der „Werkstatt von 1418“ (Wolfgang Achnitz und Walter Kofler), mit den Beziehungen zwischen Text und Bild (Christoph Winterer, Jens Haustein und Ulrike Bodemann) sowie mit der Entwicklung von Bildprogrammen (Cordula Kropik) und Textprogrammen (Irina Merten und Stefanie Schmidt). Weiter wird den paratextuellen Elementen Aufmerksamkeit geschenkt (Christoph Fasbender und René Wetzel) sowie der kulturhistorischen Verortung der Handschriften im spätmittelalterlichen Elsass (Arnold Otto und Christoph Mackert).

Insgesamt präsentiert sich über die individuellen Werkstatterzeugnisse ein äußerst buntes und lebendiges Bild einer Produktionsstätte, die mit hohen Ansprüchen und großer Reflexion ein variantenreiches Programm für einen stellenweise rekonstruierbaren Markt produzierte. Dabei wird deutlich, dass die Lauber-Werkstatt im Laufe der Zeit und für verschiedene Texte und Textgattungen unterschiedliche Schwerpunkte in der Produktion gesetzt hatte. Aus diesem Grund ist es so wertvoll, dass der Sammelband sich aus Fallstudien zusammensetzt, ohne dass in den Einzelergebnissen nach einem allgemeinen Konsens gesucht würde.

Der Band überzeugt sowohl hinsichtlich seiner Einzelstudien als auch im Gesamtkonzept. Viele der Arbeiten beziehen sich direkt auf Ergebnisse in der älteren Lauber-Forschung und bringen diverse Korrekturen an. Insbesondere die kunsthistorische Dissertationsschrift von Lieselotte Saurma-Jeltsch über den Lauberschen Produktionsbetrieb wird in diversen Aufsätzen aufgegriffen, diskutiert und stellenweise korrigiert. Der weite Fokus der verschiedenen Studien und ihre Anschlussfähigkeit in unterschiedlichen Kontexten sorgen aber dafür, dass nicht nur die Lauber-Forschung eine Reihe grundlegender Studien gewonnen hat. Man darf zuversichtlich sein, dass die vom Herausgeber geäußerte Hoffnung, dass es wenigstens „einigen der Beiträge[ ] gelänge, außerhalb der Lauber-Forschung auch in die Spezialdiskurse vorzudringen“, sich bewahrheiten wird.

Titelbild

Christoph Fasbender (Hg.): Aus der Werkstatt Diebold Laubers. Kulturtopographie des alemannischen Raums 3.
De Gruyter, Berlin 2012.
385 Seiten, 99,95 EUR.
ISBN-13: 9783110262063

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