Der Leser Thomas Mann

Ein Jahrbuch zu seinen Essays über Schriftstellerkollegen

Von Melanie OttenbreitRSS-Newsfeed neuer Artikel von Melanie Ottenbreit

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Wer kennt ,Die Hochzeit der Esther Franzenius' von Toni Schwabe?" fragt Thomas Mann in seinem Essay "Das Ewig-Weibliche" aus dem Jahre 1903. Er meint es rhetorisch. Fast niemand kannte die Schriftstellerin zu ihren Lebzeiten. Bis heute ist sie unbekannt geblieben. Thomas Mann gehörte zu den wenigen, die nicht nur Toni Schwabes Romanwerk lasen, sondern auch ihr lyrisches Œvre. Wie Thomas Mann fühlte sich auch Toni Schwabe zum eigenen Geschlecht hingezogen. Sein Verlangen nach Paul Ehrenberg verarbeitete er literarisch - im "Tonio Kröger" und im "Tod in Venedig".

Mit dem Autor als Leser befassen sich neben Heinrich Detering noch neun weitere Autoren im Thomas Mann Jahrbuch 1999, das den Mannschen Essays über Schriftstellerkollegen gewidmet ist. Gerade die eher unbekannteren Aufsätze über Ricarda Huch, Gabriele Reuter, Theodor Storm und Gotthold Ephraim Lessing, die zur Analyse kommen, vervollständigen das Bild vom Essaywerk Thomas Manns, mit dem man gemeinhin nur die berühmten Schriften über den "alten Fontane" sowie "Goethe und Tolstoi" verbindet.

Anekdotenreich ist die Entstehungsgeschichte der dreibändigen Edition der Mannschen Essays aus den siebziger Jahren von Hermann Kurzke erzählt. "Im Unterholz der Dichtung" habe er zu stöbern begonnen, damals, als er die dreiundneunzigjährige Katia in Kilchberg aufsuchte und von ihr die Erlaubnis erbat, eine Auswahl der Essays ihres verstorbenen Mannes herausgeben zu dürfen. "Sie müßten eigentlich Herr Langke heißen" sei ihr trockener Kommentar zum Editor gewesen, gegen den sie offenbar nur Süffisantes einzuwenden hatte.

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Eckhard Heftrich / Thomas Sprecher (Hg.): Thomas Mann Jahrbuch. Band 12. Hrsg. von Eckhard Heftrich und Thomas Sprecher unter Mitarbeit von Ruprecht Wimmer.
Verlag Vittorio Klostermann, Frankfurt a. M. 2000.
378 Seiten, 39,90 EUR.
ISSN: 09356983

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