Die Faszination des Ritters und seiner Abenteuer

Christian Rohr lässt seine Studenten die „Mittelalterrezeption in der Populärkultur“ erforschen

Von Erhard JöstRSS-Newsfeed neuer Artikel von Erhard Jöst

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

In der Tat: Das Mittelalter ist präsent. Viele Städte, zuweilen auch Dörfer veranstalten übers Jahr einen Mittelalter-Markt, ein Turnier oder ein Mittelalter-Fest. Das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ berichtete in Heft 32/2012 über das jährlich im hessischen Diemelstadt stattfindenden „Drachenfest“: Weit über viertausend Menschen versammeln sich dort auf einer Wiese, um ihr skurriles Hobby zu pflegen und bei einem improvisierten Historientheater mitzuspielen. Sie verkleiden sich als Ritter, Elfen oder Avatare und tauchen für sechs Tage ein in eine „magisch-mystische Parallelwelt“, um sich ein Gegengewicht zu ihrem profanen Alltag zu schaffen.

Zahlreiche Romane sind erschienen, deren Handlung im Mittelalter spielt; die auflagenstärksten Bestseller wurden verfilmt und zogen auch auf diese Weise ein Massenpublikum in den Bann. Verschiedene Brettspiele positionieren sich in dieser Epoche, im digitalen Zeitalter sind Computerspiele hinzu gekommen. Da die „Mittelalter-Events“ so ungemein zugenommen haben, dass „der Terminkalender […] fast unüberschaubar“ wird, ging der Salzburger Mediävist Christian Rohr der Frage nach: „Worin aber liegt das Faszinosum dieser Veranstaltungen, warum erhalten sie einen so großen Zulauf und erfreuen sich bei Alt und Jung wachsender Beliebtheit?“

Dass er seine Studentinnen und Studenten Antworten suchen ließ und die Ergebnisse in einem Sammelband präsentiert, ist grundsätzlich zu begrüßen. Im Bereich der Neueren Literaturwissenschaft hat dies Rolf Düsterberg von der Universität Osnabrück in den letzten Jahren überaus erfolgreich praktiziert, indem er seine Studenten über „Dichter für das ‚Dritte Reich‘ biografische Studien zum Verhältnis von Literatur und Ideologie“ anfertigen ließ. Auf diese Weise können junge Wissenschaftler erste Publikationen vorlegen und ihre Erkenntnisse und Ansichten in die Forschung einbringen, zuweilen auch Forschungslücken schließen. Christian Rohr postuliert, dass „Fachliteratur zu populären Formen der Mittelalterrezeption […] dünn gesät“ sei. Dies ist allerdings eine fragwürdige These, zumindest in Hinblick auf die auf das Mittelalter bezogenen Romane und Spielfilme. Ein Blick in die von Ulrich Müller, emeritierter Professor für mittelalterliche Literaturwissenschaft (wie Christian Rohr an der Universität Salzburg!) herausgegebene Reihe der „Göppinger Arbeiten zur Germanistik“ genügt, um diese Behauptung zu widerlegen. Man kann lediglich konziedieren, dass „Mittelalterfeste oder Computerspiele erst in Ansätzen einer systematischen Untersuchung unterzogen“ worden sind, was freilich nicht verwunderlich ist, weil sich die digitale Welt erst in jüngster Zeit so rasant entwickelt hat.

Christian Rohr hat seine Studenten die „Mittelalterrezeption in der Belletristik“, die Darstellung des Mittelalters im Film, die „Mittelalterrezeption im Gesellschaftsspiel und in den Neuen Medien“ sowie die „Mittelalterfeste und ihr Umfeld“ untersuchen lassen und am Ende des Sammelbands unter der Überschrift „Alles heldenhaft, grausam und schmutzig? Wie das Mittelalter in einem Nebel von Klischees versinkt“ ein Resümee gezogen. Da offenbar der Versuch unternommen wurde, eine Übersicht über die verschiedenen Gebiete der Mittelalterrezeption zu geben, hätte man auch auf die Comics eingehen müssen. Denn für die Jugendlichen in der Nachkriegsgeneration waren Comic-Figuren wie Prinz Eisenherz und Sigurd die ritterlichen Helden, die sie mit ihren Abenteuern in den Bann schlugen.

In der Einleitung unternimmt Katharina B. Zeppezauer den Versuch, das Faszinosum „Mittelalterrezeption“ zu erklären. Sie stellt fest, dass bei jedem Mittelalterfest „von Bogenschießen über Armbrustschießen bis zu Hufeisenwerfen und Sackhüpfen […] alles geboten und verkauft (wird), was ein ordentliches Maß an Historismus beinhaltet“ und da „die populäre Auseinandersetzung der Unterhaltungskultur mit dem Mittelalter“ vor allem Spiel sei, führt sie das Interesse am Mittelalter auf den homo ludens zurück. Gegen diese These gibt es keine Einwände, aber sie reicht sicherlich nicht aus, um das spezifische Interesse gerade an dem Feudalzeitalter zu erklären. Es gibt ja auch durchaus Erscheinungsformen wie den erwähnten „Marktsprech“, das heißt die „bewusste Aussparung moderner Begriffe („Seyed gegrüßt, edle Maid!“, „Taschendrachen“ für Feuerzeug und anderes mehr), die in ihrer Penetranz und Lächerlichkeit so abstoßend wirken, dass sich viele Besucher abwenden.

Die Qualität der in dem Sammelband zusammengestellten Aufsätze ist recht unterschiedlich, manche gehen kaum über Schüler-Referate hinaus. Das mag bei den Beiträgen, die sich mit der Mittelalter-Rezeption in der Belletristik befassen, unter anderem auch daran liegen, dass dieses Feld – entgegen der anders lautenden Aussage von Christian Rohr – bereits umfassend beackert worden ist. Diese verleitet dann dazu, sich größtenteils mit Inhaltsangaben zu begnügen: Zum einen werden die Textvorlagen, zum anderen die Ergebnisse der Forschungsliteratur – häufig recht unkritisch – zusammengefasst. Untersucht werden Umberto Ecos Romane „Der Name der Rose“ und „Baudolino“, Noah Gordon: „Der Medicus“, Ken Follett „Die Säulen der Erde“, „Das Lächeln der Fortuna“ von Rebecca Gablé, „Die Päpstin“ von Donna W. Cross und „Hagen von Tronje“ von Hans Hohlbein.

Stephanie-Christina Kaiser konstatiert in ihrem Aufsatz über Ecos „Der Name der Rose“, dass es sich bei dem Roman „nicht um einen typischen Mittelalterroman“ handele, „sondern um eine Mischform aus Mittelalter- und Kriminalroman, dessen Figuren „in ihrer Darstellung und Denkweise nicht zwangsläufig an das Mittelalter gebunden, sondern in jede Zeit transportabel“ seien. Diese in der Sekundärliteratur häufig vertretene These ist jedoch ebenso fragwürdig wie die Behauptung, dass Ecos Roman „trotz vieler wissenschaftlicher Details – auch voll von Klischees und überzogenen Darstellungen des Mittelalters“ sei. Bernhard Huber, der sich mit der Verfilmung des Romans auseinander setzt, überzieht, wenn er schreibt, dass „die in dem Roman als ebenbürtig abgehandelten philosophisch-theologischem wie kirchengeschichtlichen Themenstränge angesichts ihrer Komplexität und ihrer für eine Emotionalisierung der Handlung inadäquaten Beschaffenheit zu Parallelphänomenen des Films mutieren.“

Für Heinrich Schießer wäre es vermessen, Umberto Eco „als Darsteller oder Nachzeichner von Klischees über das Mittelalter zu bezeichnen“. Er findet zu dessen Roman „Baudolino“ einen positiven Zugang: „Eco verquickt überaus geschickt den geschichtlichen Kontext mit den Abenteuern, Prahlereien und Lügengebäuden des Baudolino und gibt gleichzeitig ein imponierendes Sittenbild über die Zeit des Hochmittelalters mit all ihren Mythen, Wundern, Sagen, Legenden, Reliquienbräuchen.“ Da er den Schriftsteller zurecht als „einen profunden Kenner der mittelalterlichen Geschichte“ ansieht, mündet sein Betrag in ein positives Resümee: „Dem Leser wird somit ein buntes Mittelalterbild vermittelt, mit all seinen Akteuren, Mitläufern, Lebenskünstlern, Städten, Landschaften, Sitten, Gebräuchen, Wahrnehmungen, Aberglauben und – seinen Mythen! Das Urteil, ob dabei Baudolino oder Eco – in seinem Umgang mit mittelalterlichen Stoffen – der größere Schelm ist, bleibt schließlich jedem Leser selbst überlassen.“

Nina Daniela Maier schreibt über die „Mittelalterliche Heilkunde im Spiegel von Noah Gordons Roman ‚Der Medicus‘„. Da Gordon den „Medicus“ selbst nicht als „historischen Roman“ bezeichnet, sieht sie es als zulässig an, dass „viele Ungenauigkeiten oder Übertreibungen im Buch[…] wissentlich und absichtlich platziert (sind), um die Spannung in der Geschichte aufrecht zu erhalten.“ Judith Dannbauer untersucht die „Brutale Mittelalterinszenierung als Bestseller-Garantie in Ken Folletts Roman ‚Die Säulen der Erde‘.“ Fakten und Fiktion werden aber nur schlagwortartig erfasst, eine vertiefende Anlyse findet nicht statt. Um den „Hauptcharakter“ des Romans „verstehen zu können“, müsse „die Entwicklung des Ritterwesens kurz dargelegt werden“, schreibt Eva Rosenburg in ihrem Aufsatz über den Roman „Das Lächeln der Fortuna“ von Rebecca Gablé. Auch wenn die skizzenhafte Darstellung der Entwicklung des Rittertums zu oberflächlich ausgefallen ist, kann man ihr Resümee nachvollziehen: „Rebecca Gablé unternahm als Romanautorin den Versuch, Historie und Fiktion zu vermischen, indem sie historische Tatsachen mit dem Leben einer fiktionalen Hauptfigur verflochten hat. Dieser Spagat gelingt ihr gut, denn die Ereignisse verändern sich dadurch nicht und das Werk bleibt aufgrund der qualitativ hochwertigen Recherche weitestgehend frei von Mittelalterklischees.“

Philip Steiner geht mit dem Roman „Die Päpstin“ von Donna W. Cross besonders kritisch ins Gericht, weil seiner Auffassung nach „triviale Bücher“, die einen kommerziellen Erfolg erreichen, in Bezug auf ihre „fehlerhafte Historienvermittlung“ untersucht werden müssen. Ihn stört vor allem, dass der Alltag des Mittelalters „im Buch als eintönig, hoffnungslos und rau im Sinne einer unüberbrückbaren Geschlechter- und Ständebarriere beschrieben“ und dass der Epoche „Frauenfeindlichkeit“ unterstellt wird. Diese Tatsache streitet er ab. Dem Leser drängt sich der Verdacht auf, dass Steiner selbst ein falsches Mittelalter-Wunschbild vor Augen hat und seinem Ärger Luft macht, weil dieses dem von Cross gezeichneten in jeder Hinsicht widerspricht.

Der Aufsatz „Der nibelungische Antiheld in der Jugendliteratur“ von Peter Wabitsch geht in erster Linie auf Wolfgang (in der Überschrift ist der Name falsch geschrieben: „Wohlfgang“) Hohlbeins Buch „Hagen von Tronje“ ein. Wabitsch lobt das Buch, weil es „spür- und lesbar das Interesse“ beinhalte, Jugendliche bzw. Kinder für die Thematik rund um Worms und seine Helden zu begeistern.“ Manche Schlussfolgerung hört sich merkwürdig an. Beispiel: „Das Buch an sich ist klar der Jugendliteratur zuzuordnen, da die Schlachten und Auseinandersetzungen brutal und langwierig ausfallen und dem Leser stets eine authentische Atmosphäre des Mittelalters vermitteln wollen.“

Sandra Fichtner und Marlene Ernst geben interessante Einblicke in die zahlreichen Verfilmungen der Robin-Hood-Legende. „Nur wenige Filme versuchten, sich an die literarischen Vorlagen zu halten“, konstatiert Sandra Fichtner. „Stattdessen machte man aus Robin Hood einen Sozialrebellen, der […] für das unterdrückte englische Volk eintritt.“ Sie prüft anhand von vier Fallbeispielen, inwieweit die Filme Ähnlichkeiten mit der Legende haben. Marlene Ernst untersucht „Mittelalterrezeption und Mittelalterparodie in der Fernsehserie ‚Robin Hood‘ (2006-2009)“. Für sie ist diese Serie „ein eindrucksvolles Beispiel für die Verarbeitung aktueller politischer Themen im Fernsehen des 21. Jahrhunderts.“ Der lesenswerte Beitrag deckt die aktuellen Zeitbezüge auf und trägt Einschätzungen und Kommentare zusammen. Bedauerlich ist lediglich, dass Ernst es vermeidet, selbst Position zu beziehen.

Im Kapitel „Mittelalter im Film“ finden sich weitere Aufsätze von Sandra Pfistermüller, Katharina Enzinger, Harald Gschwandtner und Stefan Mak über die Spielfime „Königreich der Himmel“, „Braveheart“, „Die Nibelungen. Der Fluch des Drachen“, „Der Herr der Ringe“. Daniela Köck beschäftigt sich mit „historischen Frauenbildern“ im Film, Christina Seitz schreibt über „‚Mittelalterliche‘ Hexen und ihre Nachwirkungen in den US-amerikanischen Fernsehserien ‚Buffy the Vampire Slayer‘ und ‚Charmed‘“. Der Film „Königreich der Himmel“, „der während der Kreuzzüge spielt“, wird in Bezug auf seine zeithistorischen Bezüge untersucht, was zu der Feststellung führt, dass er „hauptsächlich als Kritik am Irakkrieg und Kampf der USA gegen den Terror intendiert ist.“

Katharina Enzinger wird mit ihrem gut geschriebenen Aufsatz über „‚Braveheart‘ zwischen Kunst und Historiografie“ Mel Gibson und seinem Spielfilm in jeder Hinsicht gerecht. Ihr Fazit ist voll nachvollziehbar: „Als Geschichtslektion ist der Film keineswegs geeignet – und soll es auch gar nicht sein. ‚Braveheart‘ soll unterhalten, berühren und begeistern. Dies ist legitim. ‚Braveheart‘ ist ein höchst erfolgreiches und beliebtes filmisches Gesamtkunstwerk, das bestens demonstriert, wie gut seine Schöpfer ihr Handwerk beherrschen.“

Harald Gschwandtner kritisiert Uli Edels „Nibelungen“-Film, weil „vieles anachronistisch“ wirke: „Filme wie dieser prägen in ihrem unreflektierten Zugang auch die allgemeinen Bilder vom Mittelalter und schaffen nach und nach die Basis dafür, dass das gesellschaftliche Bewusstsein von Geschichtlichkeit und ästhetischer Differenz zu vergangenen Epochen verschwindet.“ Stefan Mak verweist darauf, dass die Trilogie „Der Herr der Ringe“ von den Kritikern begeistert aufgenommen und vielfach ausgezeichnet wurde. Die Adaptierung des Stoffs habe „ein durchaus rundes und trotz aller dargestellten Klischees gelungenes Gesamtbild“ abgeliefert.

Im Kapitel „Mittelalterrezeption im Gesellschaftsspiel und in den Neuen Medien“ setzt sich Susanne Karrer mit der „Rezeption des Mittelalters in der deutschsprachigen Brettspielwelt“ und Florian Schwarzwald mit den Computerspielen auseinander. Caroline Sitter prüft, ob Computerspiele mit mittelalterlichen Themen für den Geschichtsunterricht geeignet sind. Teresa Schmid untersucht die „Populärkulturelle Rezeption des Mittelalters auf ausgesuchten österreichischen Homepages“ und kommt zu dem Ergebnis, dass das Internet „wesentlich zur Fortschreibung der gängigen (Mittelalter-) Klischees“ beiträgt. Susanne Karrers Überprüfung der Brettspiele führt zu dem Ergebnis, dass sie „keine mittelalterliche Wirklichkeit darzustellen“ versuchen, aber „von den Konsumenten meist begeistert angenommen“ werden.

Florian Schwarzwald verweist auf die Angabe der Zeitschrift P.M., wonach „70 Prozent der neu zugelassenen Online-Rollenspiele einen mittelalterlichen Hintergrund“ haben. Die Faszination, die von dieser Epoche ausgeht, ist demnach in der Tat sehr hoch und wird für die Entwicklung von Computerspielen genutzt, bei denen dann der „Spielspaß“ und nicht die „historische Authentizität“ im Vordergrund steht. Bedenklich ist zudem, dass für die Spielentwickler stets der Krieg das beliebteste Thema darstellt. Der Einsatz von solchen Spielen im Geschichtsunterricht erscheint nicht nur aus diesen Gründen problematisch. Nach Auffassung von Caroline Sitter ist „eine Behandlung im Geschichtsunterricht unumgänglich und in Zukunft wohl auch zwingend notwendig.“ Dann müssen allerdings praktikable und didaktisch sinnvolle Unterrichtseinheiten konzipiert werden, denn es ist unsinnig, naiv und kontraproduktiv, den Lehrkräften einfach nur den Ratschlag zu erteilen, sie sollten die Aspekte behandeln, die für Schüler von Interesse sind und ihnen Spaß machen.

Mit den Mittelalterfesten und der Frage, was die Menschen an diesen fasziniert, beschäftigen sich Elisabeth Lehner, Franz Althuber, Philip Hirsch, Petra Hauser und Karin Pichler. Das Ergebnis ist nicht verwunderlich: Diese Feste sind kommerziell ausgerichtet und stellen den Unterhaltungswert in den Mittelpunkt. Es sind in der Regel für die ganze Familie „lustige Erlebnisfeste“, denen das Mittelalter als Kulisse dient, wie Elisabeth Lehner anhand der Mittelalterfeste auf der Rosenburg, auf der Festung Hohensalzburg und in der Stadt Eggenburg herausgefunden hat. Auch Petra Hauser bestätigt in ihrem Beitrag, dass bei diesen Festen „vor allem der Spaßfaktor im Vordergrund steht“ und sie findet es „wirklich innovativ“, wenn beim Landesritterfest im Jahr 2009 „Bierdosen im Kettensack passend zum Kettenhemd“ auftauchen. Franz Althuber, der wissen wollte, wieso es im deutschsprachigen Raum „mehr als 400 Mittelaltermusik-Ensembles“ gibt, stellt selbst fest, dass die Auseinandersetzung mit der Thematik „keine großen Überraschungen mit sich gebracht“ hat, denn er kann sich „die Herausbildung vieler mittelalterlichen Musikgruppen“ lediglich „mit dem generellen Boom und der damit einhergehenden diesbezüglichen Nachfrage“ erklären.

Die Ausführungen von Philip Hirsch über „Schaukämpfe, Freikämpfe, Fechtkämpfe“ machen deutlich, dass von den mittelalterlichen Kampfdarstellungen nicht nur eine Faszination, sondern offenbar auch eine Gefahr ausgeht. Denn auf eine „gewisse Romantisierung des Rittertums unter den Schwertkämpfern“ folgt „eine Mystifizierung – bis hin zu einer Glorifizierung – von Schlachten oder Taten einzelner Männer.“ Karin Pichler möchte ihren Artikel über „Mittelalter auf amerikanisch. Das Maryland Renaissance Festival“ als „eine Bestandsaufnahme und keine Kritik an der amerikanischen Auffassung vom Mittelalter“ verstanden wissen. Dabei wäre gerade an diesem verfälschten Disneylandland-Mittelalter-Bild, bei dem „nicht die historische Epoche […], sondern das Vergnügen und der Kommerz“ im Vordergrund steht, Kritik angebracht.

Insgesamt sind die meisten Aufsätze des von Christian Rohr herausgegebenen Sammelbands zu oberflächlich ausgefallen. Sie begnügen sich mit der Bestandsaufnahme, konkrete Lösungsvorschläge werden bestenfalls lediglich angedeutet. Dass die als Buchtitel fungierende Frage „Alles heldenhaft, grausam und schmutzig?“ nahezu von jedem Beitrag wiederholt wird, wirkt monoton. Dem Buch hätte eine sorgfältige Endredaktion gut getan, denn dadurch hätte man auch Stil- und Flüchtigkeitsfehler vermeiden können. Der Leser vermisst auch ein Register und Kurzbiografien der Autorinnen und Autoren. Aber man möchte Christian Rohr und auch andere Mediävisten ermutigen, diesem Sammelband weitere folgen zu lassen, damit ein frischer Wind durch die Forschung weht. Damit verbunden ist die Hoffnung, dass nicht nur die Mittelalterfeste und Computerspiele boomen, sondern auch das Studienfach der älteren deutschen Literaturwissenschaft einen Aufschwung erlebt.

Titelbild

Christian Rohr (Hg.): Alles heldenhaft, grausam und schmutzig? Mittelalterrezeption in der Populärkultur.
LIT Verlag, Münster 2011.
365 Seiten, 39,90 EUR.
ISBN-13: 9783643801159

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch