Wie man die Zeit überlistet

Martin Suter stellt in seinem Roman „Die Zeit, die Zeit“ deren Existenz infrage

Von Frank RiedelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Frank Riedel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Der 1948 in Zürich geborene Schweizer Bestsellerautor Martin Suter gönnt seinem Detektiv Allmen nach zwei Fällen eine Pause und widmet sich, ohne auf einen Mord zu verzichten, dem Nihilismus der Zeit. Dabei fesselt er den Leser mit der sprachlichen Illustration einer Utopie und lässt seine Protagonisten die Zeit zurückdrehen.

„Die Zeit, die Zeit“ handelt von zwei kauzigen Männern, der eine Anfang 80, der andere halb so alt, die das Schicksal der verlorenen Ehefrau vereint. Peter Talers Laura wurde vor einem Jahr vor der Haustür erschossen, seitdem ist die Suche nach dem Mörder der Lebensinhalt des Buchhalters. Martha, die Frau des alten Knupp, war nach einer gemeinsamen Keniareise an Malaria verstorben. Das geschah vor 20 Jahren und das seltsame Gebaren des menschenscheuen Rentners weckt Talers Aufmerksamkeit. Die beiden leidenschaftlichen Beobachter finden zueinander und Taler wird zum Gehilfen bei Knupps skurrilem Zeitexperiment. Es ist ein surreales Projekt, das die Leere des Verlustes der beiden ausfüllt. „Die Zeit vergeht nicht, alles andere vergeht. Die Natur. Die Materie. Die Menschheit. Aber die Zeit nicht. Die Zeit gibt es nicht.“ glaubt Knupp und überwindet Talers Skepsis mit dem Plan, alle sichtbaren Veränderungen der letzten 20 Jahre rückgängig zu machen, wodurch „[D]er Irrtum Zeit“ bewiesen und ebendiese überlistet wäre.

Die Drehbucherfahrung merkt man dem Autor ebenso an wie das Gespür dafür, Außenseiter der Gesellschaft authentisch darzustellen. Wie seine Protagonisten, so hat auch er minutiös an alles gedacht, lässt dem Zufall keine Chance und nimmt jeglichen Einwänden, teilweise mit sehr ausführlichen Erklärungen, Details und grotesken Kausalitätsketten, den Wind aus den Segeln. Nicht zufällig wird ein Filmausstattungsteam für das Projekt, das die beiden als „eine Mischung aus Dokumentation und Fiktion“ verkaufen, engagiert. Auch die ständig steigenden Kosten lässt der businesserfahrene Suter vom Buchhalter geschickt abwickeln. Wo der Autor selbst kein Fachwissen hatte, bediente er sich anderer Quellen. Bei der Suche nach dem Mörder seiner Frau geht Taler allerdings auch vorhersehbaren falschen Verdachtsmomenten nach, was den Lesegenuss, neben der bisweilen etwas langatmigen Arbeit der Witwer an ihrem Experiment, manchmal trübt.

Suter unterhält den Leser ausgezeichnet, er sieht Dinge, die man ohne seine alltäglichen Geschichten nicht wahrnehmen würde. In langsamen Wellen baut er immer wieder Spannung auf, und überrascht schließlich mit einem verblüffenden Ende. Egal wie lange die Lektüre dauert, man muss die Lösung erfahren. Und wer sagt, er habe keine Zeit, dem sei versichert: „Die Zeit gibt es nicht.“

Titelbild

Martin Suter: Die Zeit, die Zeit.
Diogenes Verlag, Zürich 2012.
298 Seiten, 21,90 EUR.
ISBN-13: 9783257068306

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