Freiheit, aber bitte keine Fanatiker

Christian Moser und Eric Moesker über Schiller und die Niederlande

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Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Friedrich Schiller zeigte großes Interesse an den Niederlanden. Er schrieb historische Arbeiten, so die „Geschichte des Abfalls der vereinigten Niederlande von der Spanischen Regierung“ (1788), „Leben und Tod des Grafen Lamoral von Egmont“ (1789) und die „Merkwürdige Belagerung von Antwerpen in den Jahren 1584 und 1585“ (1795). Außerdem hat sein Theaterstück „Don Karlos“ wichtige Bezüge zur protestantischen Rebellion in den Niederlanden im 16. Jahrhundert.

Den Beziehungen zwischen Schiller und den Niederlanden gehen die Beiträge in dem von Christian Moser und Eric Moesker herausgegebenen Band „Friedrich Schiller und die Niederlande. Historische, kulturelle und ästhetische Kontexte“ nach. Sie gehen auf ein Symposium zurück, das 2009 zum 250. Geburtstag Schillers am Goethe-Institut Amsterdam veranstaltet wurde.

Das Bild der Niederlande bei Schiller ist positiv. Stehen in Goethes „Die Leiden des jungen Werther“ Dämme und Deichen für eine philisterhafte Bändigung der Gefühle, bei Schiller heißt es: „Die Niederländer schützten sich durch Dämme gegen ihren Ocean, und gegen ihre Fürste durch Konstitutionen.“ Bei Schiller stehen die gegen die spanische Herrschaft aufbegehrenden und für die Freiheit kämpfenden Niederländer im Mittelpunk. Es geht um Freiheit, um spannungsreiche Konflikte zwischen Fürsten und Freiheitskämpfern, Katholiken und Ketzern, Gewissen und Gewalt.

Schillers Bild der Niederlande steht damit in einem auffälligen Kontrast zum Niederlande-Bild seiner Zeitgenossen. Das hatte, nach der Bewunderung, die man den Niederlanden im 17. Jahrhundert als kulturellem Vorbild entgegengebracht hatte, bereits eine Wende zum Negativen vollzogen. So unterstellte Immanuel Kant dem Holländer, „lediglich auf das Nützliche“ zu sehen, und „wenig Gefühl vor dasjenige“ zu haben, „was im feineren Verstand schön oder erhaben ist“. Der Holländer, so Kant, sei nicht mehr als „ein sehr phlegmatisierter Deutsche“. Für die Deutschen veranschaulichte die langsam durch die flache Landschaft gleitende „trekschuit“ (Treckschute) das niederländische Phlegma. Holland, das im 17. Jahrhundert als freie Republik zur führenden Weltmacht aufgestiegen und Größen wie Rembrandt van Rijn und Johannes Vermeer hervorgebracht hatte, war schlaff geworden. So sahen es übrigens auch die niederländischen Literaten selbst. So bewunderte der idealistische Potgieter das 17. Jahrhundert, das „goldene Zeitalter“ der Niederlande, und kritisierte die danach entstandene Schlaffheit im niederländischen „Volksgeist“.

Die Beiträge in „Schiller und die Niederlande“ behandeln die historischen Vorlagen, die zu Schillers Zeit bekannt waren, den dramatischen Aufbau seiner historischen Arbeiten, mögliche Einflüsse Schillers auf die niederländische Kultur. Die sollte man nicht überschätzen. Nicht in jeder Spielsaison kann man in den Niederlanden Schiller auf der Bühne sehen, das Schiller-Jahr war nicht der Anlass für viele Neu-Übersetzungen, und seine ästhetischen Schriften werden kaum zitiert. Johan Huizinga ist zweiffelos einer der bekanntesten und wichtigsten niederländischen Historiker, Constant Nieuwenhuis war einer der bekanntesten experimentellen Künstler der frühen Nachkriegszeit – doch warum sollte man den Einfluss Schillers auf ihr Werk nachgehen, wenn sie, wie die Einleitung zugibt, selbst nicht auf Schiller Bezug nehmen?

Dennoch lohnt sich die Lektüre der Beiträge, von denen sich besonders Anton van der Lems kenntnisreiche Schilderung der historischen Quellen über den niederländischen Aufstand und Barber van der Pols Betrachtung über den Umgang niederländischer Theatermacher mit Schiller auszeichnen. Barber van der Pol, die Schillers „Maria Stuart“ ins Niederländische übersetzte, schildert ebenso scharfsinnig wie humoristisch, wie adequate Übersetzungen oft zur Beute veränderungsgieriger Regisseure werden. „Käsehobel und, zur Unterstützung, Hackbeil sind die beiden Werkzeuge, deren man sich bedient“.

„Eine Tragödie“, schreibt der Historiker Van der Lem, „ist die Geschichte des Aufstands in de Niederlanden im vollsten Sinn gewesen“. Er lobt Schillers Darstellung, vor allem der psychologischen Denkweisen auf beiden Seiten. Denn nicht immer ist Schillers Sympathie auf der Seite der Aufständischen. Für Fanatiker hat Schiller kein Verständnis. Der Historiker und Dramatiker würdigt beide Parteien. Er gehört der Partei der Freiheit an.

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Joachim Umlauf / Christian Moser / Eric Moesker (Hg.): Friedrich Schiller und die Niederlande. Historische, kulturelle und ästhetische Kontexte.
Aisthesis Verlag, Bielefeld 2012.
186 Seiten, 29,80 EUR.
ISBN-13: 9783895289064

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