Dichter und Richter

Zum Tod des Schriftstellers Herbert Rosendorfer

Von Peter MohrRSS-Newsfeed neuer Artikel von Peter Mohr

„Ich bin immer ein wirklich freier Schriftsteller gewesen, weil ich mit meinem Brotberuf unabhängig von Auflagenzahlen und Kritikern war“, bekannte Herbert Rosendorfer, der bis zu seiner Pensionierung als Richter (zuletzt am Oberlandesgericht Naumburg) tätig war.

„Dieser Mensch schreibt, als hätte er Angst, von seinen  Lesern eingeholt zu werden“, bemerkte der bekannte Kabarettist Dieter Hildebrandt im Vorwort von Rosendorfers Taschenbuchausgabe von „Die Erfindung des SommerWinters“. Tatsächlich ist Herbert Rosendorfers künstlerische Produktivität mehr als beeindruckend. Erzählungen, Romane, Theaterstücke, Opernlibretti, Drehbücher (u.a. „Tatort“) und Hörspiele hat er verfasst und sich darüber hinaus auch noch als Maler betätigt. Unter dem Titel „Vatikanische Idyllen“ wurden in den 1990er Jahren seine Aquarelle in München ausgestellt. Kaum zu glauben, dass sich ein solch umtriebiger Zeitgenosse der Kunst fast nur in seiner Freizeit widmen konnte.

Herbert Rosendorfer, der am 19. Februar 1934 in Gries bei Bozen geboren wurde, zog fünf Jahre später mit seinen Eltern nach München und verlebte seine Jugend (nach dem frühen Tod des Vaters) bei seinen Großeltern in Kitzbühl. Nach dem Abitur begann er zunächst ein Studium an der Akademie für Bildende Künste in München, wechselte aber nach einem Jahr an die juristische Fakultät.

Rosendorfer war bereits drei Jahre als Amtsrichter tätig, als er 1969 mit dem Roman „Der Ruinenbaumeister“ debütierte. Er verblüffte durch seinen Einfallsreichtum und seine Fabulierkünste und stellte sich gleichzeitig als Verfechter eines neuen phantastischen Realismus vor. Sein Werkverzeichnis umfasst im „Kritischen Lexikon der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur“ vier eng bedruckte Seiten. Spricht Herbert Rosendorfer über sich selbst, dann setzte er den Dichter stets in Beziehung zum Richter – und nicht etwa umgekehrt. Er brauchte die „Richtertätigkeit als Kontakt zum Leben“, äußerte Rosendorfer. Desillusioniert stellte er 1999 fest: „Je länger man darüber nachdenkt, um so weniger kann man Gerechtigkeit definieren.“

Aus dieser Erkenntnis heraus sind auch die meisten seiner literarischen Arbeiten zu erklären, in denen der Autor als scharfzüngiger Satiriker und heiterer Spötter auftrat und eine große Leserschaft (weit über eine Million verkaufte Exemplare) erreicht hat. „Das Schreiben ist wirklich eine Unterhaltung für mich selbst. Ich schreibe nur das, was ich gerne lesen würde“, bekannte der „literarische Jurist“.

Sein größter Erfolg waren die „Briefe in die chinesische Vergangenheit“ (1983). Mit dem Untertitel „Neue Briefe in die chinesische Vergangenheit“ erschien im Herbst 1997 der Fortsetzungsband „Die große Umwendung“, in dem Rosendorfer seine Figur „Kao-tai“ in das vereinigte Deutschland, in den Kölner Karneval und an diverse Schauplätze in den neuen Bundesländern versetzt.

Dichter und Richter hatte der stets mit großem Augenzwinkern schreibende Herbert Rosendorfer nie werden wollen – zumindest behauptete er dies in seinem Band „Eichkatzelried – Geschichten aus Kindheit und Jugend“. Maler, römisch-deutscher Kaiser und Komponist standen demnach in der Wunschliste aus seiner Jugendzeit auf den ersten Plätzen.

Mit Musik, Malerei und Literatur verbrachte der Jean-Paul-Preisträger des Jahres 1999 zuletzt seinen Ruhestand in der Nähe von Bozen. Vor einigen Monaten hatte Rosendorfer seinen letzten Roman „Huturm“ veröffentlicht. Nun ist Herbert Rosendorfer nach langer Krankheit im Alter von 78 Jahren in einem Bozener Krankenhaus gestorben.

Hinweis der Redaktion: Rezensionen zu Büchern von Rosendorfer aus dem Archiv von literaturkritik.de

Warum den Hausmeister fast der Fußabstreifer getroffen hätte
Herbert Rosendorfer überzeugt mit abgründigen Geschichten
Von Ulrich Karger
Ausgabe 07-1999

Aufs Maul geschaut
Herbert Rosendorfers Geschichten aus der Mitte der Welt
Von Ulrich Karger
Ausgabe 02-2000