Kulturschock mal anders

Das deutschsprachige Debüt des Australiers Shane Maloney

Von Torsten GellnerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Torsten Gellner

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Besonders gefährlich stellt man sich den Beruf "politischer Berater des Ministers für Wasserversorgung und Kultur" im Australien der späten 80er Jahre kaum vor. Ein paar Staudämme besichtigen, bei Lachshäppchen und Prosecco die vielversprechende und hochsubventionierte Kunstszene des Landes mit kryptisch-imposanten Bemerkungen ("Ein Sezieren der konstituierenden Bestandteile antipodischer Materialität") bestaunen - das lässt sich doch gut an. Für Murray Whelan bedeutet eben dieser Job nach einer Kabinettsumbildung eine kleine Katastrophe, schließlich gehört er zu der Sorte Mensch, die die Sixtinische Kapelle für ein Kurorchester halten. In kulturellen Dingen ziemlich unbewandert findet er sich dennoch schnell zurecht in Melbournes Kunstszene, und nach einer Ausstellung in der National Gallery lernt Murray, ausgestattet mit einer Flasche Chardonnay, im Gebüsch des Botanischen Gartens den Kulturbetrieb in Form der attraktiven Kunstkritikerin Salina von seiner angenehmsten Seite kennen. Aus Ermangelung eines Kondoms müssen die beiden ihr Schäferstündchen in Salinas Apartment verlegen. Doch mit der Vorfreude ist es plötzlich aus, als sie auf dem Weg dorthin beobachten, wie die Polizei gerade die Leiche eines jungen Künstlers aus dem Wassergraben der National Gallery herausfischt. Das Schicksal meint es nicht gut mit Murray: Der tote Maler hat einen Abschiedsbrief hinterlassen, in dem er die australische Kunstszene mitsamt ihren staatlichen Institutionen der Korruption und des Dilettantismus bezichtigt - ein drohender Imageverlust für das neu besetzte Kulturressort. Und an eine Wiederaufnahme des Liebesspiels ist nicht mehr zu denken, denn der Tote entpuppt sich als Salinas Verlobter.

Der Australier Shane Maloney ist in Europa noch relativ unbekannt, in seinem Heimatland genießen die Murray Whelan-Romane - dort erscheint demnächst bereits der vierte - fast schon Kultstatus. "Künstlerpech" scheint diesen Erfolg zu rechtfertigen. Ungewöhnliches Milieu, originelle Wendungen, groteske Situationen und eine Hauptperson, die mit den Widrigkeiten des Single- und Vaterdaseins fast mehr zu kämpfen hat, als mit dem immer unüberschaubarer werdenden Geflecht von Korruption und Intrigen, das sich während seiner Nachforschungen über die Hintergründe des scheinbaren Künstlersuizids langsam offenbart.

"Künstlerpech" ist eine Satire, ein Krimi, eine schwarze Komödie und nimmt sich selbst erfreulicherweise nicht allzu ernst. Maloney blickt spöttisch und leicht wehmütig zurück auf die heute skurril anmutenden Modeerscheinungen der durchgestylten 80er: "Frauen mit Tennisbräune und Frisuren wie aus Spannbeton liefen mit Drinks in den Händen umher und plauderten mit Männern, die übergroße, bis zum Hals zugeknöpfte Hemden und an den nackten Füßen Mokassins mit Quasten trugen." Von solchen Details lebt das Buch, auch wenn der eine oder andere Gag im Laufe des Romans Déja-vu-Gefühle hervorbringt. Und bei aller offensichtlicher Übertreibung - Murray erlebt einen Kulturschock nach dem anderen - wirkt die Geschichte niemals unrealistisch, im Gegenteil: Geradezu naturalistisch werden die Folgen einer Cliffhanger-Szene beschrieben, in der das Leben des Helden nur noch an der bunten Mickey-Mouse-Krawatte seines Widersachers hängt. Mit schlotternden Knien muss der gerettete Murray anschließend in der überfüllten Straßenbahn feststellen, dass er sich vor Angst in die Hosen gemacht hat. So viel Menschlichkeit verdient Sympathie.

Titelbild

Shane Maloney: Künstlerpech.
Diogenes Verlag, Zürich 2000.
437 Seiten, 20,40 EUR.
ISBN-10: 3257062486

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