Schöne Worte, wenig Inhalt

Henning Kobers Roman „Unter diesem Einfluss“ hinterlässt keinen bleibenden Eindruck

Von Antonia FéretRSS-Newsfeed neuer Artikel von Antonia Féret

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Henning Kobers Debütroman „Unter diesem Einfluss“ zu kritisieren, fällt leicht. Am entscheidendsten erscheint aber die Frage, worum es da nun eigentlich geht. Was soll dieses Buch? Welche Aussage, welcher Sinn verbirgt sich in den knapp dreihundert Seiten?

„Unter diesem Einfluss“ erschien 2009. Der Protagonist ist ein junger Mann namens Janus, über ihn erfährt man nicht viel mehr, als dass er Drehbücher schreiben will, dass er der Bruder von Bobby und in Jackie verliebt ist. Von mal mehr, mal weniger begreifbaren Gründen getrieben jettet er von A nach B, dröhnt sich zu und ernüchtert wieder, analysiert seine nähere Umgebung treffsicher und hat doch wenig zu sagen, was haften bleibt.

Dann ist da Bruder Bobby, der ins Exil geflüchtete Autor von „New Order 07“, der und dessen Freunde wegen ihres aufmüpfigen Verhaltens schwerwiegende Repressalien fürchten, und tatsächlich wird einer von ihnen von maskierten Männern entführt. Trotzdem führt Bobby einen Internet-Blog, mit dem er weiterhin Unruhe stiftet und auch kaum Erwähnenswertes von sich gibt.

Damit ist das Wichtigste schon erzählt. Die weiteren Ereignisse, etwa der Gehirnschlag des Vaters, ein Aufstieg auf die italienische Tofana in Turnschuhen, Liebesqualen und Einsamkeit, alles versinkt in Belanglosigkeit. Denn Erzähler Janus kann mit sich und seinem Leben einfach nichts anfangen.

Das Buch sorgt für Verwirrung, denn es enthält zwar eine oberflächliche Handlung, aber keinen dezidierten Inhalt. Permanenter Drogenkonsum aller Beteiligten, ständig neue Szenerien und ein ohne erkennbaren Grund wechselndes Personal, konfuse Dialoge und das ohne Sinn und Ziel ist alles, was geboten wird. Und da sich auch bei den Hauptfiguren keine Entwicklung ausmachen lässt, stellt sich mit der Zeit ein Gefühl des Auf-der-Stelle-Tretens ein.

Dazu gesellt sich eine unleugbare Erstweltdekadenz: Ein gezwungen lässig wirkendes Namedropping von Marken, Medikamenten und exklusiven Lokalitäten, in denen das Figurenpersonal verkehrt. Jeder ist Künstler oder Rebell, und die Frage, woher das Geld kommt, das sie in Jointform verrauchen lassen oder sie in teure Berliner Privatkliniken einkauft, stellt sich einfachheitshalber nicht. Danach zu fragen, warum der Ich-Erzähler mal eben für ein Jahr um die halbe Welt fliegen und nur in Nobelhotels absteigen kann, warum niemand einem geregelten Arbeitsleben nachgehen muss, um sich die teuren Leihwagen leisten zu können, in denen alle immer und überall herumfahren, wäre trivial. Triviales aber ist unerheblich in einem Universum, in dem jeder raucht und keine geringeren Sorgen hat, als einen ausfüllenden Sinn im eigenen leeren Leben zu finden. Und in dem nichts Bedeutung hat, nicht mal die Liebe oder der Tod.

Kober hat seinen Roman dreifach gegliedert: Auf zeitlicher, räumlicher und Erzähler-Ebene. Janus und Bobby berichten abwechselnd von ihren Lebenseindrücken, Janus als Ich-Erzähler, Bobby in Form seines Internet-Blogs. Zu jedem Kalendermonat, von Januar bis Dezember, gibt es ein Kapitel, bestehend aus Janus’ Erzählung und einem Blog-Eintrag.

Besonders die topografische Struktur des Romans springt zu Beginn direkt ins Auge. Fast hat es den Anschein, als arbeite der Autor sich an den Orten ab, lässt er seine Figuren doch durch eine Stadt und eine Nation nach der anderen hetzen. Berlin, London, Paris, Los Angeles, Athen, um nur einige zu nennen, sind seine Stationen. Dabei charakterisiert er sie anhand mehr oder weniger bekannter Fixpunkte mit kurzen Worten. Seine Städtebilder aus der Sicht des vor sich selbst fliehenden Janus sind ein depressiver Reisebericht, er erweckt die Orte traumwandlerisch und teilnahmslos zum Leben. Es sind Zombie-Städte, und doch wieder nicht: Ihnen wohnt im flüchtigen Durchschreiten mehr Wahrhaftigkeit und Lebendigkeit inne als einem detaillierten Porträt. So verhält es sich mit allen seinen Szenerien, an denen er sich entlang hangelt: Nebensächliches, Unbedeutendes erzählt er wortgewaltig, seine Beschreibungen sind beeindruckend prägnant. Aber wird es essentiell, zeigen sich Defizite.

Nachdem der magere Inhalt kaum Begeisterungsstürme zu wecken vermag, sucht man vielleicht doch nach den Stärken des Buches und findet sie in seiner nüchternen Sprache, die Floskeln und Phrasen gekonnt vermeidet. An diesem Stil kann man Freude haben, und schriebe Kober das nächste Mal über etwas anderes, könnte das Resultat durchaus lesenswert sein.

Hat der Autor also nur beim Thema daneben gegriffen? Denn es bleibt das unübersehbare Manko, dass Kober mit all seinen schönen Worten nichts Bemerkenswertes sagen kann. Nichts erzählt er von der Leere, von der sein Buch vielleicht handelt. In paradoxer Weise stimmen der Inhalt und seine Darstellung also überein. Und so hinterlässt der Roman„Unter diesem Einfluss“ keine Spuren und dürfte schnell vergessen sein.

Titelbild

Henning Kober: Unter diesem Einfluss. Roman.
S. Fischer Verlag, Frankfurt a. M. 2009.
285 Seiten, 18,95 EUR.
ISBN-13: 9783100402189

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