Wenn Glücksmomente glücklich machen

Über Francesco Piccolos Roman „Von Glücksmomenten“

Von Francesca GollRSS-Newsfeed neuer Artikel von Francesca Goll

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Schlägt man ein Buch auf, das man nicht kennt, so überfliegt man meist die ersten Seiten und versucht sich ein Bild davon zu machen, worum es geht. Üblicherweise dreht es sich um Handlungen, die im Laufe der ersten Seiten beginnen und dann nach der Pointe allmählich ein Ende finden. Francesco Piccolo macht es in seinem neusten Buch anders: der Leser ist plötzlich mittendrin – mitten im Leben. „Von Glücksmomenten“ beschreibt jene Momente des flüchtigen Glücks: wie wenn man ein Buch in die Hand nimmt, eine Anekdote liest und dann laut denkt: Genau so ist es. Die Episoden, die Piccolo beschreibt, drehen sich um Augenblicke des Vergnügens und, in einer schönen dialektischen Wechselwirkung, rufen sie beim Leser ebendiese Glücksmomente hervor.

Ob am Strand in Maccarese, alleine im August in Rom, im Verabreden mit Freunden, oder im Schuhgeschäft – Piccolo hebt den Witz und die komische Tragik des Alltäglichen hervor, die in Gesten, Sätzen und Gewohnheiten steckt. Diese Mode der Auflistung von Glücksmomenten wurde in der sensationell erfolgreichen italienischen Fernsehsendung mit Roberto Saviano (Rai Tre, Vieni via con me, 2010) – ein seltener Lichtblick in der desolaten italienischen Fernsehlandschaft – beschwingt. Dort lasen die beiden Moderatoren Roberto Saviano und Fabio Fazio jeden Abend verschieden Listen vor, die jeweils das Thema der Sendung hervorhoben. Die Aufzählungen waren mal ernsthaft, mal süßsauer, mal ironisch – und die Zuschauerzahl der Sendung wuchs weit über die Zuschaltquoten von Fußballspielen der Serie A. Schließlich führte es dazu, dass eine der meistgelesenen italienischen Tageszeitungen, „La Repubblica“ die Leser dazu aufforderte, ebenfalls Listen mit den zehn Gründen, weshalb es sich zu Leben lohne, zu schreiben, die dann auf der Website der Zeitung veröffentlicht wurden.

Nun handelt es sich bei Piccolos erfolgreichem Buch nicht um eine reine Auflistung, sondern vielmehr um eine geschickte und keinesfalls banale Auswahl an Anekdoten die, mal heiter, mal nachdenklich, die absurde Dimension eingefleischter Gewohnheiten zu Tage bringen. Es ist ein geistreiches Buch, das weder belehrend noch belächelnd den Witz des Alltags hervorbringt, wobei der Erzähler nicht beobachtet, sondern mitten im Geschehen steckt. Obwohl Piccolos Text mit den Klischees und Eigenartigkeiten des römischen (und italienischen) Lebens spielt – das Filmprogramm am Freitag, die Tage am Strand, das Freiluftkino im August in Rom oder die festgefahrenen Gespräche mit Freunden – handelt es sich um Aspekte, die überall auf der Welt, womöglich in leicht veränderter Form, zu finden sind. Anfang Dezember fand in Moskau die Vorstellung der russischen Ausgabe statt (in der Übersetzung von Evgenij Solonovich) – ein Zeichen dafür, dass Piccolos Texte durchaus exportfähig sind. Die Kunst der Selbsterkennung steht im Zentrum dieses unterhaltsamen Büchleins, in dem sich Seite für Seite ein Bild zusammensetzt, das das Leben als buntes Mosaik von Menschen, Begebenheiten und sympathischen Absurditäten darstellt. Piccolo, der sich als Drehbuchschreiber für Regisseure des Kalibers Nanni Morettis und Paolo Virzìs profiliert hat, zeigt scharfe Beobachtungsgabe und Stilsicherheit, die dem Text Leichtigkeit und Schwung verleihen. Das Buch lässt sich an einem Nachmittag verschlingen – ein Nachmittag der Glücksmomente.

Titelbild

Francesco Piccolo: Von Glücksmomenten.
Übersetzt aus dem Italienischen von Birte Völker.
Insel Verlag, Berlin 2012.
142 Seiten, 14,95 EUR.
ISBN-13: 9783458175360

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