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Mechtild Borrmann nimmt sich in ihrem Roman „Wer das Schweigen bricht“ der Vergangenheitsbewältigung an und spinnt eine Geschichte von missbrauchtem Vertrauen und gebrochener Freundschaft

Von Walter DelabarRSS-Newsfeed neuer Artikel von Walter Delabar

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Es gibt eine Reihe von Themen, die sich in der deutschen Literatur immer lohnen, zumindest als Option für wenigstens ein bisschen Erfolg. Das „Dritte Reich“ gehört dazu, das geht immer, und Mechtild Borrmann weiß das nur allzu gut.

Immerhin lassen sich auf diese Weise schöne Geschichten von Schuld und Unschuld, schuldiger Unschuld und unschuldiger Schuld, von Verrat und Verbrechen, von Freundschaft und Intrige stricken. Die Matrix einer Gesellschaft, in der niemand ohne Schuld sein kann, weil sie insgesamt verbrecherisch gewesen ist, erlaubt solche widersprüchlichen Geschichten. Und es gibt viele Beispiele in allen literarischen Genres, bei denen das Konzept aufgegangen ist.

Aber es gibt eben auch viele Beispiele dafür, dass an die Stelle der gut gemachten Plots die moralische Entrüstung getreten ist, was weder den Büchern noch ihren Lesern gut getan hat.

Nun, Mechtild Borrmann ist ein solcher Vorwurf nicht zu machen. Die Basis ihres Romans ist die Geschichte einer Gruppe junger Leute, die im „Dritten Reich“ aufwachsen und sich über das jeweilige Bekenntnis zum Regime oder über Konflikte, die daraus entstehen, grundsätzlich entzweien. Der Umstand, dass zwei der jungen Männer auch noch homosexuell sind, ruft einen weiblichen Racheengel auf den Plan. Und dann muss sich eine der jungen Frauen (Therese) auch noch in einen russischen Zwangsarbeiter verlieben, was wiederum den in sie verliebten Wilhelm gegen sie aufbringt – woraus sich dann der Fall entwickeln kann, an dessen Ende der Zwangsarbeiter und die homosexuellen Männer tot sind und Therese und Wilhelm verheiratet.

Darüber ist die Geschichte des Arztes Robert Lubisch gelegt, den der Nachlass seines Vaters auflöst und bei dieser Gelegenheit auf einige Papiere, den SS-Ausweis eines gewissen Wilhelm Peters und das Foto einer jungen Frau stößt. Da nun Lubisch selbstverständlich ein gestörtes Verhältnis zu seinem dominanten Vater hat und sich vor allem sein Leben lang von ihm missachtet fühlte, macht er sich auf die Suche nach jener Frau und nach der Antwort auf die Frage, wer nun dieser Wilhelm Peters gewesen sein mag. Am Ende, ganz schlimm, sagt er sich vom Vater los – was aber auch nur gequirltes Moralin ist.

Dazu fährt er in den niederrheinischen Ort, an dem sich die obigen Ereignisse abgespielt haben (wofür er nun auch wieder nichts kann), und vertraut sich – was will man auch tun – einer Journalistin an, die – selbstverständlich – neugierig wird und die große Story wittert.

Immerhin findet sie schnell den Rahmen der Nachkriegsgeschichte heraus: Das Foto zeigt eine Therese Peters, die wohl mal mit einem Wilhelm Peters verheiratet war. Der aber ist in den frühen 1950er-Jahren – nach einem Streit mit seiner Frau – spurlos verschwunden. Kurze Zeit später ist die Frau selber auch nicht mehr aufzufinden. Ein Schelm, wer böses dabei denkt, oder in Variationen umgekehrt.

Während jetzt aber Lubisch plötzlich die Lust an der Geschichte verliert – anscheinend ist sein Wunsch, die Geschichte des Vaters aufzuklären, urplötzlich erloschen – bleibt die Journalistin am Ball, und ist dann auch schnell einfach tot. Woran man sehen kann, dass man sich besser nicht in fremder Leute Angelegenheit mischt.

Aber immerhin hat man nun zwei Rätsel: die Frage, was sich damals in den Jahren zwischen 1939 und 1950 ereignet hat, und die Frage danach, warum dafür die tölpelhafte Journalistin sterben muss.

Um die beiden Geschichten, die man daraus stricken kann, hinreichend miteinander zu verbinden, legt Borrmann beide Zeitebenen einfach übereinander und erzählt weitgehend parallel.

Sie macht zudem einen weiteren Abzweig ihrer Handlung auf, indem sie die vormalige Therese Peters zur erfolgreichen Mode-Frau macht, die nun ihren Alterssitz auf Mallorca hat und mit einem Mal wieder mit der alten Geschichte konfrontiert wird. Das macht sie selbstverständlich nachdenklich und ein wenig gereizt, was immerhin einiges vermuten lässt. Soll man ja auch, immerhin sollen die Leser dabei bleiben.

Am Ende löst sich natürlich alles: der Mord an der Journalistin, die Frage nach den Umständen um Foto und SS-Ausweis, der Fall des verschwundenen Mannes und der verschwundenen Frau und auch der des verschwundenen Zwangsarbeiters. Die Motivationen werden vorgestellt, Schuld und Sühne werden ausreichend aufgearbeitet.

Das ist soweit alles akzeptabel, und Borrmanns Roman ist sicherlich nicht wirklich misslungen, er ist schlichtweg nur nicht das Gegenteil davon – dafür ist er dann doch zu bieder, zu bemüht. Mithin eine Gelegenheitslektüre, die dann eben doch bestätigt, dass deutsche Krimis allzu oft gut gemeint, aber nicht gut genug gemacht sind, um internationalen Standard zu haben. Das ist dann alles eine Frage des Geschmacks und der Zeit, die man mit solchen Lektüren verbringen will.

Titelbild

Mechtild Borrmann: Wer das Schweigen bricht.
Pendragon Verlag, Bielefeld 2011.
224 Seiten, 9,95 EUR.
ISBN-13: 9783865322319

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