Aufwendig

Nick Stone erzählt in „Todesritual“ die Geschichte einer späten Rache, die dann doch schief geht. Die Moral? Aufwand mindern!

Von Walter DelabarRSS-Newsfeed neuer Artikel von Walter Delabar

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

„Todesritual“ heißt der neue Krimi von Nick Stone, und wer sich angesichts des Titels wenig von ihm erwartet, hat wahrscheinlich recht. Denn ohne Zweifel handelt es sich bei „Todesritual“ um ein Stück Gebrauchsliteratur, das schnell gelesen, ein bisschen begruselt und dann zur Seite gelegt werden soll. Dass das so ist, daran hat der deutsche Titel seinen gehörigen Anteil, obwohl der englische, „Voodoo Eyes“, kaum besser ist. Auch klingt der Verweis auf den Vorgänger „Voodoo“ ein bisschen so, als ob da jemand ein Erfolgsrezept erfolgreich zu Tode reiten will. Und auch das stimmt.

Aber soll man es ihm übel nehmen? Der Mann will auch seine Miete oder sein Haus zahlen, hat vielleicht eine Familie zu ernähren und will sich auch mal was gönnen. Der geht halt nicht jeden Tag ins Geschäft, sondern an den Schreibtisch und denkt sich was aus. Und jeder, der sowas schon mal gemacht hat, wird wissen, dass auch das Ausdenken seine Grenzen hat. Unbegrenzt immer was Neues? Wer will sich und anderen so etwas zumuten?

Bei irgendwas wie „Ritual“ oder „Voodoo“ lassen sich zudem ziemlich abgedroschene Szenen und Plots assoziieren, in denen diverse fiese Dinge passieren oder verabreicht werden. Wen es schreckt, der wird’s genießen.

Aber auch wenn das alles stimmen mag, man unterschätzt Stones Krimis am Ende gehörig. Es ist schon richtig, dass der Plot für amerikanische Verhältnisse ausufernd und befremdlich unwahrscheinlich wirkt. Außerdem hetzt Stone seinen armen alten Max Mingus nicht nur durch Florida, sondern auch noch nach Kuba und dann noch übers Meer zurück. Er wird verdroschen, bedroht und aufs Heftigste belogen. Zwei alte Freunde werden erschossen, auch noch durch’s Auge, sehr symbolträchtig das Ganze. Der eine von ihnen wird sogar direkt neben ihm getötet. Grund genug, sich auf die Suche nach der vermeintlichen Täterin zu machen, einer schwarzen Aktivistin, Vanetta Brown, die angeblich einen Polizisten erschossen hat und danach nach Kuba geflohen ist. Mingus geht also los und sucht die Frau, was ja immer identisch ist mit: „die wahre Geschichte herausfinden“.

Das Ganze wird kombiniert mit der Geschichte dieses Ermittlers, die den Lesern der Vorgängerromanen wohl bekannt sein wird. Nun, wem nicht, der muss sich das alles aneignen.

So erfährt er denn, dass Mingus nicht nur der normale gebrochene Krimiheld ist, sondern einer von den wirklich Bösen war: Er war Mitglied einer Polizeisondereinheit, die sich um sowas wie Rechtsstaat keinen Deut geschert hat. Morden, foltern, Beweise fälschen, mit Kriminellen dealen – kein Ding, dient ja alles der guten Sache, der eigenen Macht.

Aber das ist alles Jahre her, nur eben nicht abgehakt, wie der Mord an dem ehemaligen Leiter dieser Einheit zeigt, der in seiner heruntergekommenen Boxhalle erschossen wird. Mingus – der sich zwischenzeitlich vor allem mit Scheidungsfällen beschäftigt, das Leben als Privatdetektiv ist hart – wird von einem seiner alten Freunde auf den Fall angesetzt. Was aber nicht gut endet, da der alte Freund gleich auch draufgeht.

Na, und dann kommt noch das FBI, und noch eine Sondereinheit, die dummerweise von der Frau geführt wird, deren Vater das Opfer der Aktivistin war. In Kuba schlägt sich Mingus gleich weiter mit irgendwelchen Leuten herum, die ihn zu diesem oder jenem bewegen wollen. Einer Transe rettet er das Leben, als dem Mann die Wange mit dem Rasiermesser aufgeschlitzt werden soll. Und es beginnt eine wilde Jagd über die Insel.

Man erfährt natürlich vieles über das verdorbene Amerika, über das nicht minder verdorbene Kuba, und wie Mingus zu alldem steht. Kapitalismus und Sozialismus haben ihre Schattenseiten, die das Leben in ihnen nicht wirklich schön machen. In Florida sind es die Cops selbst, die das System marodieren, in Kuba eine Schwarzmarkttruppe, die vom Regime notgedrungen hingenommen wird.

Mingus ist mit nichts von beidem zufrieden, und so bewegt er sich in einer ziemlich hässlichen Welt, die von Korruption zerfressen ist. Dabei nähert er sich zugleich immer weiter seinem Ziel, Vanetta Brown, die mittlerweile auch auf Kuba zur persona non grata geworden ist.

Dass die ganze Ermittlungsgeschichte, ja die ganze Biografie Max Mingus’ der letzten Jahre eine große Inszenierung ist, kommt dann ganz zum Schluss. Alles Lüge, also? Und alles nur deshalb inszeniert, damit einer der Vielen, die Mingus in den Knast gebracht hat, seine Rache kalt und langanhaltend genießen kann? Na, wenn das mal nicht ein bisschen viel Aufwand dafür ist, oder nur ein Vorwand, um die Seiten zu füllen.

Titelbild

Nick Stone: Todesritual. Thriller.
Übersetzt aus dem Englischen von Heike Steffen.
Goldmann Verlag, München 2012.
573 Seiten, 9,99 EUR.
ISBN-13: 9783442477166

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