Die nächste Ebene

Art Spiegelmans Buch „Metamaus“ lässt keine Fragen offen

Von Constanze FiebachRSS-Newsfeed neuer Artikel von Constanze Fiebach

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Art Spiegelman hat mit seiner Graphic Novel „Maus“ einen Meilenstein der Literatur geschaffen: der Holocaust-Literatur und der Comic-Literatur. Nie zuvor hat ein Cartoonist den Pulitzer Preis bekommen und nie zuvor hat es jemand gewagt, das Thema Holocaust auf eine solche Art und Weise darzustellen.

Allerdings sei „Maus“ in erster Linie ein Buch über das schwierige Verhältnis zwischen einem Vater und seinem Sohn, wie Art Spiegelman uns wissen lässt. Dass sein Vater das KZ überlebt hat und der Kontext des Holocaust anhand seiner Geschichte aufgegriffen wird, sei zweitranging. Trotzdem stören sich viele Menschen daran, dass er zu diesem Thema einen Comic gemacht hat, in dem er Tiere an die Stelle von Menschen setzt.

Als Reaktion auf die immer gleichen Fragen – „Warum ein Buch über den Holocaust“, „Warum Mäuse?“, „Warum Comics?“ – erschien zum 20. Jubiläum der deutschsprachigen Publikation von „Maus“ nun ein Buch, das Antworten gibt: „Metamaus“. Art Spiegelman gewährt nicht nur der Literaturwissenschaftlerin Hillary Chute Einblick, die das Buch mit ihm erarbeitet und möglich gemacht hat, sondern auch dem Leser. „Metamaus“ öffnet die Tür zu Spiegelmans Arbeitszimmer, zu seiner Arbeitsweise, seinen Unterlagen, seinem Leben und seinem Ich. So wird verständlich, wie und wieso Maus entstehen konnte und musste, wieso es von der Idee bis zur Fertigstellung 13 Jahre gedauert hat und wieso es nicht nur positiv für den Autor ist, dieses Buch geschrieben zu haben.

Viel mehr macht bereits das Intro deutlich, dass Art Spiegelman sich von dem Erfolg von „Maus“ beengt, vielleicht erdrückt fühlt, und „Metamaus“ auch als Befreiungsschlag für ihn selbst dienen soll. Das als Comic gezeichnete Intro zeigt Spiegelman als Maus, die die Schattenseiten des „Maus“-Erfolgs erklärt und versucht, die Mausmaske endlich abzuziehen. Genauso tief, wie „Maus“ mit Art Spiegelman und dessen Leben verbunden ist, reichen die Einblicke und Informationen, die in „Metamaus“ gegeben werden. Einen großen Teil nimmt die Familie ein. Es wird über das Leben der Eltern berichtet, auch darüber, wie es vor dem Holocaust war. Es werden Fäden gesponnen, die alles zu einem großen Ganzen zusammenbringen. Veranschaulicht wird das Ganze unter anderem anhand eines Stammbaumes und mit Kapiteln über Spiegelmans Kinder Dashiell und Nadja, denen er das Buch – so wie seiner Frau – gewidmet hat. Spiegelman betrachtet alles aus der Perspektive der „zweiten Generation“, aus den Augen eines Autors also, der selbst nie im KZ gewesen ist und sich trotzdem die Frage stellt: „Warum wurdest Du geboren, wo es doch gar nicht vorgesehen war?“ Die ausführliche Familiengeschichte füllt Lücken, die in „Maus“ geblieben waren.

Neben diesem eher inhaltlich wichtigen Kontextwissen enthält „Metamaus“ die komplette materielle Arbeitsgrundlage zu „Maus“, die Gespräche mit Art Spiegelmans Vater Wladek. Sie sind außerdem als Original-Tondokument auf der zugefügten DVD zu finden. Ebenso wie Entwürfe, Dokumente und weiteres Recherchematerial – die gesamte Basis des „Maus“-Werkes.

Das Layout des Buches ist collagenartig und sehr ansprechend gestalltet. Neben dem Text, der den sachlichen Hintergrund darlegt, finden sich viele eingearbeitete Skizzen, die nicht nur Auszüge aus „Maus“ zeigen, sondern häufig Anekdoten illustrieren, die Art Spiegelman nach dem Erscheinen seiner Graphic Novel mit dem Buch erlebt hat.

„Metamaus“ ist ein bemerkens- und lesenswertes Gesamtkunstwerk, das sowohl nach künstlerischen als auch nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten überzeugt.

Titelbild

Art Spiegelman: MetaMaus. Einblicke in Maus, Ein moderner Klassiker.
Übersetzt aus dem Amerikanischen von Andreas Heckmann.
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2012.
300 Seiten, 34,00 EUR.
ISBN-13: 9783100768063

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