Unlustmord

Alfred Döblins Roman „Die beiden Freundinnen und ihr Giftmord“ als Taschenbuch

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Der Autor Alfred Döblin bringt so manche seiner Figuren vom Leben zum Tode. Nicht immer entschlafen sie friedlich. Gelegentlich wird schon im Titel darauf hingewiesen, dass ein mörderisches Geschehen  seinen tödlichen Verlauf nehmen wird. Dem allerdings muss nicht immer ein Mensch zum Opfer fallen. Es kann durchaus auch einmal eine unscheinbare Pflanze am Wegesrand sein. Neben der kurze Geschichte von der „Ermordung einer Butterblume“ hat Döblin auch einen Giftmord in den Titel eines seiner Werke erhoben. Beide Prosatexte unterscheiden sich in vielerlei Hinsicht. Handelt es sich bei der Ermordung der Butterblume um eine skurrile Geschichte, mit fast schon leicht fantastischem Einschlag, so fußt die Schilderung des Giftmords und der anschließenden Gerichtsverhandlung auf einer realen Begebenheit. Doch unterscheiden sich beide Bücher noch in mancher anderer Hinsicht, etwa das Geschlecht der TäterInnen wie der Opfer betreffend. Einmal köpft ein Kleinbürger eine unschuldige Blume, die er auf den Namen Ellen getauft hat; das andere Mal vergiftet eine Frau ihren gewalttätigen Ehemann. Lässt sich die mörderische Untat des ersteren leicht als Lustmord dechiffrieren, so handelt es sich bei der Tat der Frau sozusagen um einen Unlustmord. Verprügelte das Opfer seine Angetraute doch nicht nur ein ums andere Mal, sondern vergewaltigte sie zudem nicht weniger oft auf brutalste Art und Weise.

Döblins unter dem Titel „Die beiden Freundinnen und ihr Giftmord“ veröffentlichte Literarisierung des Tatgeschehens und der anschließenden Gerichtsverhandlung wurde nun im S. Fischer Verlag als günstige Taschenbuch-Ausgabe neu aufgelegt.

Die im Roman Elli Link genannte junge Frau und Mörderin wird auf den ersten Seiten des Romans mit ihrem Vornamen adressiert und als „hübsch blond“ und „harmlos frisch“ beschrieben. Sie sei von der „Munterkeit eines Kanarienvogels“, heißt es weiter. Eine erste kleine Disharmonie setzt Döblin, in dem er ihr „Vergnügen“ erwähnte, „Männer anzulocken“. Einer dieser Männer wird sie ehelichen, sich schnell als prügelnder Trinker mit einem starken Hang zu sexuellem Sadismus erweisen und schließlich vergiftet werden. Findet Elli Link in der Schilderung Döblins zunächst noch ein gewisses masochistisches Gefallen an der gewalttätigen Sexualität ihres Gatten, so empfindet sie sehr bald nur noch Ekel. Dies entgeht ihm nicht, sondern stachelt seine sexuelle Aggressivität nur weiter an. Mit dem Ziel, sie sich endgültig zu unterwerfen, greift er darüber hinaus zu allerlei Erniedrigungen, „hänselt“ sie etwa „wie ein Insekt“ oder kippt ihr das Essen ins Bett. Seine Aggressionen richten sich jedoch auch gegen sich selbst, und so verübt er eine Reihe von Suizidversuchen. Doch ein ums andere Mal rettet sie ihn, indem sie ihn vom Strick abschneidet. Zur Scheidung ist sie da allerdings schon längst entschlossen. Endlich flieht sie vor ihm in ein Versteck. Ihr Vater aber schlägt sich in seinem „alten patriarchalischen Standpunkt“ auf die Seite ihres Mannes, führt den Peiniger zu seiner Tochter und veranlasst sie, zu ihm zurückzukehren.

Schon bald nach der Hochzeit hatte die Gequälte eine andere, nur wenig ältere Frau kennen gelernt, die im Roman den Namen Margarete Bender trägt und anders als Elli fürs erste Distanz schaffen als „die Bender“ adressiert wird. Nimmt die Erzählinstanz jedoch aus deren Perspektive Elli in den Blick, heißt es plötzlich „Margarete“ und „die Link“. Damit hebt Döblin nicht zuletzt die Blickmacht hervor.

Die beiden Frauen freunden sich schnell an, fassen Vertrauen zueinander und verlieben sich schließlich. Wird Elli als sehr fraulich beschrieben, so wird Grete, wie „die Bender“ auch genannt wird, geradezu entfeminisiert, indem dem „merkwürdigen Geschöpf“ etwa eine „große knochige Gestalt“ und „scharf geschnittene, fast strenge Züge“ zugeschrieben werden. So hat es zunächst ganz den Anschein, als werde Margarete Bender die ‚männliche‘ Rolle in der Liebesbeziehung der Frauen zugesprochen. Doch erweist sich bald, dass es ganz im Gegenteil Elli Link ist, die sie einnehmen wird. Die heterosexuelle Matrix aber bleibt in jedem Fall unangetastet. Geradeso, als sei eine Liebe zwischen ‚weiblichen‘ Frauen nicht denkbar. Gebrochen oder doch zmindest ein wenig ‚angeknackst‘ werden Geschlechterrollen und -klischees in dem Roman immerhin dadurch, dass die ‚weibliche‘ Frau ihre Geliebte „ganz in die Rolle eines Mannes“ schiebt, ‚die Frau‘ innerhalb der Beziehung also den aktiven, ‚männlichen‘ Part innehat, ‚der Mann‘ hingegen den passiven ‚weiblichen‘. So vermerkt Döblin über die ‚weibliche‘ Elli: „Sie dachten nur daran, aktiv zu sein, männlich zu sein“.

Nicht weniger bemerkenswert ist, dass die beide Frauen „ihre Liebesgefühle“ für einander „durch immer neuen Haß auf die Männer anheizen“. Letztlich dreht sich also auch noch eine lesbische Liebe um den Mann. Er ist ihr Mittelpunkt und ihr Movens. Anderes lässt männliche Fantasie scheinbar nicht zu.

Was nun den Mord betrifft, so wird er nicht leicht und keineswegs kaltblütig begangen, sondern voller Skrupel, wobei die Mörderin und ihre Komplizin immer wieder zweifeln und unsicher sind, ob sie die Tat tatsächlich zu Ende führen wollen. Denn das unter das Essen gemischte Gift lässt den Mann langsam über etliche Wochen hinweg dahinsiechen. „Es war nicht nur Schwäche und Feigheit, die sie die weibliche Methode des Mordes wählen ließ“, kommentiert die Erzählinstanz und fügt klug an: Ellis „Haß war aufs Töten aus, aber nicht auf den Tod. Sie töteten sich schon immer, sie wollte ihn behalten, um ihn länger töten zu können“.

Fast schon abstoßend ist hingegen die Parallelisierung zwischen den Vergewaltigungen, die Elli von ihrem Mann angetan werden, und ihrer Absicht, ihn zu töten: „Der Entschluss, Link zu beseitigen, drängte, vergewaltigte sie.“ Zudem wird die Täterin damit zwar gleichsam exkulpiert, jedoch zugleich auch entmündigt.

Der Giftmord kommt bald nach der Tat an den Tag, die Frauen in Untersuchungshaft und vor Gericht.  Im Vorfeld des Prozesses, werden sie von der Presse als wahre Monster charakterisiert. Dies ändert sich allerdings vollkommen mit dem Auftritt Ellis vor Gericht, die in den Medien nun plötzlich als zartes, unschuldiges Opfer eines seinerseits monströsen Gatten erscheint und dargestellt wird, Das Pendel schlägt jedoch sofort wieder zurück, als die Liebesbeziehung zwischen den beiden Frau bekannt wird.

Das Urteil lautet, wie könnt es anders sein auf „schuldig“. Verurteilt werden sie beide, wobei eine besondere Kuriosität darin liegt, dass die Täterin ihre Strafe im Gefängnis, die Komplizin jedoch im weit strengeren Zuchthaus verbüßen muss.

Im Epilog der Erstausgabe erklärt Döblin, er habe mit seiner Literarisierung des realen, in der Öffentlichkeit damals hohe Wellen schlagenden Geschehens die „Schwierigkeiten des Falles“ zeigen und „den Eindruck verwischen“ wollen, als verstünde man alles oder das meiste an solchem massiven Stück Leben“. In allen folgenden Auflagen und Ausgaben war der Epilog samt diesen wichtigen Zeilen gestrichen worden. Erst die von Christina Althen herausgegebenen Gesammelten Werke folgten wieder getreulich der Erstausgabe und nahm auch deren gesamten Anhang auf. Ebenso hält es dankenswerter Weise die hier besprochene Taschenbuchausgabe.

Titelbild

Alfred Döblin: Die beiden Freundinnen und ihr Giftmord.
Mit einem Nachwort von Hania Siebenpfeiffer.
Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt a. M. 2013.
144 Seiten, 9,99 EUR.
ISBN-13: 9783596904631

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