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Franziska zu Reventlows vergnüglicher Roman „Von Paul zu Pedro“ neu aufgelegt

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Franziska zu Reventlow ist eine der nicht sehr zahlreichen Autorinnen des beginnenden 20. Jahrhunderts, deren Werke – nur unterbrochen durch die bekanntlich wenig kultur- und literaturfreundliche Zeit des Nationalsozialismus – über all die Jahrzehnten hinweg bis heute immer wieder neu aufgelegt werden. Alles andere wäre auch eine Schande, denn ihr erzählerisches Werk ist mit einer Handvoll Romane und Kurzgeschichten zwar recht schmal, doch rechtfertigt es das anhaltende Interesse allemal. Nicht nur ihre Romane sind zumindest zu einem guten Teil weiterhin im Buchhandel erhältlich. Auch biografische Dokumente – die Tagebücher und ein Briefwechsel mit Bohdan von Suchocki –wurden in den letzten Jahre teils neu, teils erstmals transkribiert und ediert. Auch dies ist mehr als gerechtfertigt, denn die von Zeitgenossen als „holsteinische Venus“ oder „heidnische Madonna“ vergötterte Autorin verfasste nicht nur lesenwerte Literatur, sondern führte auch ein mehr als außergewöhnliches Leben.

Zuletzt aber wurde nicht eine der autobiografische Schriften neu aufgelegt, sondern ihr kleiner Roman „Von Paul zu Pedro“. Es handelt sich um einen Briefroman, der den Lesenden allerdings nur die Schreiben des weiblichen Parts der Korrespondenz offeriert. Sie sind an einen in dem Büchlein namenlos bleibenden Mann adressiert, der von der Briefschreiberin als „Freund“ und „Doktor“ angesprochen wird und offenbar mit ihrem in Liebeshändel sehr freizügigen Lebenswandel nicht so recht einverstanden ist. Darüber hinaus erfährt man über ihn nicht viel mehr als, dass beide noch unlängst „Teegespräche“ vor einem knisternden Kamin zu führen pflegten, die nun ihre schriftliche Fortsetzung erfahren. So bleibt er über die zahlreichen Amouren seiner Briefpartnerin auf dem Laufenden, die diese „von Paul zu Pedro“ und nicht wenigen anderen Männern führen.

Beide Namen, Paul wie Pedro, bezeichnen weniger bestimmte Individuen, sondern stehen eher für verschiedene Männer- oder genauer gesagt Liebhabertypen. Denn der Roman bietet eine regelrechte Typologie dieser Spezies, wobei die Handlung doch eher in den Hintergrund tritt, ja man muss sagen, sogar etwas dürftig ausfällt. Für ihre Typenlehre kann die Ich-Erzählerin aus einem großen Fundus „flüchtiger Minnehändel“, aber auch einer Reihe „seriöser Dauersachen“ schöpfen, die sie „nacheinander, nebeneinander und durcheinander“ lebt und liebt – und dabei doch sehr wohl stets auseinander zu halten weiß.

Die besten Liebhaber sind „solche, die angenehm und dauernd finanzieren, dabei sympathisch oder wenigstens erträglich sind, nicht zuviel persönliche Ansprüche stellen und uns nicht plagen“, schwärmt sie. Doch sie hat die Erfahrung gelehrt, dass es ein allzu „seltener Glücksfall“ ist, diesem raren Typus zu begegnen.

Viel öfter trifft frau auf einen der ungezählten „Päule“. Denn der „Sammelname“ Paul steht für all die austauschbaren Durchschnittsliebhaber, die ihren Weg kreuzten. Amouresken mit ihnen sind „immer etwas lustig, belanglos, ohne Bedenken, ohne Konsequenzen“ und hinterlassen nie einen „besonders tiefen Eindruck“. Bei dem „bedrückend intensiven“ Pedro wiederum handelt es sich um einen jener Italiener, die „immer die gleiche fade Feurigkeit“ an den Tag legen.

Ganz anders hingegen die „elegante Begleitdogge“. Ein Männertyp, der, „immer vorhanden“, „immer melancholisch und immer tip top“ ist. Kurz, jemand mit dem eine Frau sich sehen lassen kann. Den „fremden Mann“ wiederum trifft frau oft ganz zufällig im Foyer eines Hotels, unterhält sich kurz mit ihm vor dem Aufzug und es folgt ein One-Night-Stand. Sieht man sich wieder, „ist natürlich alles entwertet“. Gelegentlich aber kann auch eine langjährige Beziehung „immer der Fremde Mann bleiben“.

Unerquicklicher sind die „Dichter“, denn sie müssen „immer auf dem Sockel stehen“. Am „schlimmsten“ aber, versichert die Briefschreiberin dem Herrn Doktor, jedoch ist der „Typus ‚Retter‘“. Denn er meint es „gut und aufrichtig“, was für eine Frau vom Format der Ich-Erzählerin alleine schon „schwer zu ertragen“ ist. Hinzu komme zu allem Übel auch noch seine „unheilbare Selbstüberschätzung“.

Tatsächlich scheint sie allerdings „den ‚Siegertypus’, der beim ersten leisen Zeichen von Wohlwollen mit großer Gebärde die Tür schließt“ und somit signalisiert „nun bist du mein“, noch weniger zu mögen. Wird er doch in wenigen Zeilen abgetan. Vielleicht aber gilt er ihr nur darum nicht als der schlimmste Liebhabertypus, weil sie es gar nicht erst zu einer Liebschaft mit ihm kommen lässt.

Übel sind auch die „Reformmänner“, die der Frau nachsagen, sie habe eine „Persönlichkeit“. Eine „Geschmacklosigkeit“, die nur noch von der „Beleidigung“ übertroffen werden kann, von einer Frau zu behaupten, sie sei intelligent. „Hart, sehr hart“, sei es auch, wenn der Frau immer unterstellt werde, sie „wolle doch wenigstens die Illusion haben, dass sie liebt, wenn sie einem Mann angehört“. Dabei gehören Liebe und Erotik ganz und gar nicht „in den selben Karton“, wie die Briefschreiberin aus langjähriger Erfahrung weiß. Dieser Feststellung lässt sie eine kleine ‚Theorie‘ des Unterschieds zwischen Erotik und Liebe folgen. Später räsoniert sie zudem über die Differenz zwischen irdischer und himmlischer Liebe.

Überhaupt sind der Männertypologie einige Reflexionen über das allgemeine Mit- und Gegeneinander der Geschlechter untergemischt. Die Prostitution etwa lehnt die Ich-Erzählerin durchaus nicht schlechthin ab, „nur müßten die Bedingungen stimmen“, doch das sei „selten, ach so selten der Fall“. Beim Vergleich zwischen Prostitution und (Versorgungs-)Ehe schneidet erstere für die Ich-Erzählerin um Längen besser ab. Denn beim „Handel in seiner direktesten Form“ spare man gegenüber dem „festen Utilitaritätsverhältnis“ eine Menge an „Nervenkraft“ und überhaupt sei „das ‚Verkaufen‘“ die „beste Möglichkeit und eigentlich auch die anständigste“. Das „volle Glück“, habe hingegen „etwas so Trostloses, Bedrückendes“, denn es klinge „so peinlich definitiv, als ob dann alles vorbei wäre“.

Reventlows Briefroman „Von Paul zu Pedro“ ist zwar nicht durchkomponiert, sondern hinterlässt eher den Eindruck des Rhapsodischen. Dennoch ist er auch heute, hundert Jahre nach seiner Erstveröffentlichung über weite Strecken noch immer höchst amüsant, wobei die durchgängige Ironisierung allerdings nicht über so manche Bedenklichkeit hinwegsehen lassen kann.

Titelbild

Franziska Gräfin zu Reventlow: Von Paul zu Pedro. Amouresken.
ebersbach & simon, Berlin 2013.
126 Seiten, 15,80 EUR.
ISBN-13: 9783869150796

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