Kopfkinder

Vom Büchermachen

Von Dirk KaeslerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Dirk Kaesler

Von meiner einjährigen Glossen-Pause melde ich mich zurück und kann mitteilen, dass das angekündigte „Kind“ sich fristgerecht in der Endfertigung befindet, das heißt es hat den Kopf und die Hände (sowie den Rechner) seines Schöpfers verlassen. Momentan ist es zwar im Brutkasten, das heißt es wird noch von seinem Vater und den Geburtshelfern aus dem Verlag betreut, aber Mitte März wird es flügge und allgemein zu besichtigen sein.

Amazon war – natürlich? – zuerst da mit der Ankündigung, der Verlag ließ sich einen Monat mehr Zeit und erst die Frühjahrsvorschau des Verlags im Dezember kann als eigentliche Ankündigung der bevorstehenden Geburt gelten.

Für (männliche) Wissenschaftler sind unsere Bücher unsere selbst gezeugten und geborenen Kinder. Dieses Empfinden hatte ich schon immer, wenn eins meiner bislang sieben Bücher endlich fertig war und dem lesenden Publikum übergeben wurde. Bei dieser Zahl rechne ich nur jene, deren alleiniger Verfasser ich bin, also keine Ko-Produktion und keine Herausgeberschaften. Das erste Büchlein, aus dem Jahr 1974, war gerade mal 77 Seiten dick, das bisher umfangreichste war meine Habilitationsschrift von 1984 mit 678 Seiten. Ich werde Sie jetzt nicht langweilen mit den Geschichten, die ich zu jedem dieser Kopfkinder erzählen könnte: welche jeweiligen Mühen ich mit ihnen hatte und was aus ihnen geworden ist. Gestorben sind inzwischen fünf, das heißt sie sind nicht mehr lieferbar, auch wenn bei Amazon hin und wieder eines auftaucht, zwei leben noch als lieferbar, eines davon geht dieses Jahr sogar in die vierte Auflage. Über die diversen japanischen, englischen, italienischen, französischen, chinesischen und polnischen Geschwister weiß ich gar nichts, ihre Verleger teilen nicht mit, wie gut sich meine fremdsprachigen Kinder halten, sie scheinen aber alle noch lieferbar zu sein. Aber, sie alle stehen auf Regalen vieler Bibliotheken in der ganzen Welt. Dort leben sie – hoffentlich – noch lange.

Wie geht es einem, wenn so eine Geburt – mehr oder weniger – abgeschlossen ist? Derzeit warte ich auf den zweiten Umbruch mit den – hoffentlich anstandslos – eingearbeiteten Korrekturen, erst auf dieser Grundlage kann ich das Personenregister erstellen. Dann wird gedruckt und gebunden, und zur Leipziger Buchmesse im März sollte das Buch lieferbar sein. Der 150. Geburtstag von Max Weber ist am 21. April 2014 (Ostermontag). Bereits gut einen Monat vor dem eigentlichen Jubiläumstag wird es also der Öffentlichkeit vorgestellt werden.

An dieser Stelle wollen wir jetzt nicht darüber sinnieren, woher diese Obsession für Jubiläen stammt, sondern lediglich die bevorstehenden kurz erwähnen: Wie schon jetzt erkennbar, wird 2014 die reinste Erster-Weltkrieg-Orgie toben. Zudem starb Michelangelo vor 450 Jahren (Februar), Shakespeare wurde vor 450 Jahren geboren (April), vor 400 Jahren starb El Greco (April), Charlie Chaplin wäre 125 Jahre alt geworden (April), Richard Strauss wurde vor 150 Jahren geboren (Juni), Karl der Große starb vor 1.200 Jahren (Juni). Die Feuilletons werden uns hinreichend darüber benachrichtigen.

Und so warte ich gespannt – und auch ein wenig aufgeregt – auf jenen Moment, in dem ich das Buch erstmals in die Hand nehmen kann, es durchblättern werde, den ersten Druckfehler entdecke und mit einem Glas guten Rotwein darauf anstoße.

Und dann muss es seinen eigenen Weg gehen und sich in der Welt da draußen ohne seinen Vater bewähren, auch wenn dieser natürlich neugierig das Feedback zu seinem Schützling erwartet. Wer nicht auf Rezensionen gespannt ist, lügt. Ich gehe von drei Typen von Kritik aus: Erstens, die besserwisserische vom Typus: Es war nicht Sonntag, der 30. März 1879, an dem Max Weber konfirmiert wurde, sondern der Sonntag darauf – auch wenn das in diesem Fall jedenfalls nicht stimmen würde! Zweitens, die grundsätzliche vom Typus: Wie kommt ein Soziologe dazu, eine Biografie zu schreiben, das ist eher Sache von Historikern oder Literaten. Drittens, die komparative vom Typus: Nach Marianne Weber und Joachim Radkau brauchte es ohnehin keine weitere Biografie, es ist alles schon geschrieben. Radkaus Buch wird nun zum Jahrestag als Taschenbuch erscheinen.

Und dann wird es noch um den Vergleich meiner Biografie mit der von Jürgen Kaube gehen: der Universitätsprofessor und der F.A.Z.-Wissenschaftsjournalist. Es dürfte spannend werden. Ein ebenso spannendes Neues Jahr wünsche ich allen meinen Leserinnen und Lesern. Bleiben Sie mir gewogen.

Anmerkung der Redaktion: Der Beitrag gehört zu Dirk Kaeslers monatlich erscheinenden „Abstimmungen mit der Welt“.