Gemälde gegen Leben

Der vierte Allmen-Band Martin Suters, „Allmen und die verschwundene María“, knüpft nahtlos an seinen Vorgänger an

Von Dietmar JacobsenRSS-Newsfeed neuer Artikel von Dietmar Jacobsen

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Ein Bild verschwindet, taucht wieder auf, verschwindet wieder, taucht erneut auf. Nein, wir sind nicht in der Welt des Cornelius Gurlitt, sondern in jener von Martin Suters Johann Friedrich von Allmen. Und bei dem Bild handelt es sich um ein Dahlien-Stillleben von Henri Fantin-Latour (1836-1904), das Millionen wert ist und schon in Suters letztem Roman um seinen feingeistigen Kunstermittler im Mittelpunkt stand. „Allmen und die Dahlien“ (2013) hieß dieser Roman und es ging darin um die Bemühungen des schweizerischen Detektivs um eben jenes Gemälde, auf dem sieben Dahlien in einer Vase die unterschiedlichen Gemütszustände der aktuellen Besitzerin des Bilds, der Industriellenwitwe Dalia Gutbauer, zu symbolisieren schienen.

Aber was heißt schon Besitzerin. Und gehört große Kunst ohnehin nicht allen? Den Leser wundert es deshalb auch nicht allzu sehr, wenn er erfährt, dass ein Verehrer das Bild einst stahl, um es der jungen Dalia zu Füßen zu legen. Und wenn es nun, da die Dame nicht mehr jung, dafür aber reichlich verschroben ist, wieder verschwindet, um eine weitere bezaubernde Frau, deren Name aufs Neue von den dargestellten Blumen sich herleitet, zu erfreuen, schließt sich der Kreis.

Doch „Allmen International Inquiries“ hat das Bild wiederbeschafft. Dass es dabei nicht ganz mit rechten Dingen zuging, davon wissen weder der betuchte Unternehmer noch seine beiden Gehilfen, der Guatemalteke Carlos und die Kolumbianerin María Moreno. Sie bekommen nur die Folgen eines Betrugs zu spüren, der den Betrüger selbst das Leben und María Moreno, in die sich Allmens Diener Carlos unsterblich verliebt hat, im aktuellen „Allmen“-Roman die Freiheit kostet.

Denn Tino Rebler, Nachtklubbesitzer, Immobilienhai und Bauunternehmer, der das Bild für seine römische Geliebte Dalia Fioriti erworben hatte, ohne zu ahnen, dass es dazu von einer Allianz von Leuten, die die greise Dalia Gutbauer in ihrem Schlosshotel um sich versammelt hatte, gestohlen werden musste, scheint sich nicht damit abfinden zu wollen, dass die „Dahlien“ in den Besitz der Witwe Gutbauer zurückgekehrt sind. Die drei Millionen für den von Allmen geplanten Rückkauf hat er nämlich nie erhalten. Stattdessen ist das Gemälde auch bei ihm über Nacht einfach verschwunden.

Das klingt alles ziemlich kompliziert? Ist es auch – und zwar so kompliziert, dass Martin Suter seinem aktuellen Roman vorsichtshalber einen Prolog vorangestellt hat, in dem auf knapp vier Seiten noch einmal zusammengefasst wird, was sich in „Allmen und die Dahlien“ ereignete. Was der neue „Allmen“ erzählt, in dem es nicht nur erneut um das ständig seinen Besitzer wechselnde Gemälde geht, sondern vor allem auch darum, die entführte María Moreno zu erlösen, stellt sich nicht weniger verwirrend dar. Denn Dalia Gutbauer beharrt auf ihrem Besitz. Und um zu zeigen, wie sehr das Bild ihr allein gehört, schneidet sie eine der Dahlien heraus. Womit als neue Figur der Restaurator Severin Erlbaum ins Spiel kommt, der sich seine Dienste nicht nur teuer bezahlen lässt, sondern auch noch eine eigene kleine Gaunerei an das Schicksal des Gemäldes knüpft.

„Allmen und die verschwundene María“ liest sich wie seine drei Vorgänger flüssig. Es ist nicht die Sorte Spannungsliteratur, bei der man nach der Lektüre sich mühen muss, Kreislauf und Blutdruck wieder unter Kontrolle zu bekommen. Stattdessen erinnert der Roman mit seinen Figuren, Schauplätzen und Intrigen an die guten alten Landhaus-Krimis englischer Machart, in denen gute Manieren, Dutzende in die Irre führende Fährten und ein gemächliches Erzähltempo die Richtung bestimmen. Ein bisschen „Rififi“, ein wenig versteckte Kritik am modernen Kunstbetrieb und viel Routine in der Plotentwicklung machen das Buch zu einem „typischen Suter“. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Titelbild

Martin Suter: Allmen und die verschwundene María. Roman.
Diogenes Verlag, Zürich 2014.
224 Seiten, 18,90 EUR.
ISBN-13: 9783257068870

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