Ende und Abgesang

Arne Dahl beendet seine Reihe um seine schwedische Ermittlergruppe und sinnt darüber nach, was noch folgen kann

Von Walter DelabarRSS-Newsfeed neuer Artikel von Walter Delabar

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Wenn ein erfolgreicher Autor eine Serie auserzählt hat, dann hat er zwei Probleme: 1. Wie aufhören, ohne dass das Ganze zum Schluss massiv abfällt? Und 2. Wie weitermachen, denn immerhin will man ja auch in den nächsten Jahren die Miete zahlen?

Arne Dahl hat wohl wie wenige andere vom „Schwedenboom“ der vergangenen Jahre profitiert. Das ist sicher auch dem Umstand geschuldet, dass er seinem Publikum geliefert hat, was es immer wieder gern haben will: lange Geschichten, große Vielfalt und zahlreiche Protagonisten, die eine Auswahl erlauben, wem man als Leser seine Gunst geben will. Zudem gibt es die hinreichende Brutalität bei den Verbrechen, funktionierende Plots und schließlich eine Aufklärung, die mindestens den Grundanforderungen des Genres erfüllt. Ganz ohne dass man am Ende weiß, wer es war, will man ja nun mal ein solch langes Buch nicht zuklappen. Das ist einem der Verfasser schuldig.

Nun aber scheint Dahl die Geschichten um seine A-Gruppe abschließen zu wollen. Immerhin ist es kaum vorstellbar, dass ein solches Team über Jahre hinweg zusammenbleibt. Der eine oder andere geht in Rente, hin und wieder erwischt es auch einen und ein paar werden auch mal Karriere machen. Da kann eine Ermittlergruppe, die sich um Verbrechen mit internationalen Bezügen kümmern soll, noch so toll sein, irgendwann kann auch mal was anderes wichtiger oder attraktiver sein. Zumindest wird einem das die Lebenspraxis sagen. Wer weiß denn schon, wo er in fünf Jahren ist, und hätte man vor fünf Jahren gedacht, dass man heute hier ist? Kaum.

Immerhin beschäftigt Dahl sich und seine Trupp am Ende dieses Romans damit, wie es denn weitergehen wird. Selbstverständlich ist mindestens einer unter den Ermittlern, der alles aufschreiben will, die Geschichte der A-Gruppe und/oder ihre größten Erfolge, die wahlweise auch Desaster genannt werden können. Das ist einigermaßen vergnüglich, wie auch der Anfang, in dem Dahl mit seiner schon zuvor eingesetzten Überblendungs-Technik zwischen den verschiedenen Protagonisten hin- und herspringt, amüsante Momente hat. Aber es ist eben auch eine Wiederholung und als Wiederholung nicht ewig einsetzbar.

Es scheint dennoch, als ob Dahl von seinen liebgewordenen Helden nicht ganz lassen wolle, was ihm erlauben würde, eine nahezu unbegrenzte Zahl von Handlungssträngen zu entwickeln. Und für jeden einen Roman.

Allerdings wird man das abwarten müssen, denn zumindest „Bußestunde“ setzt in Plot und Entwicklung eine enorme Toleranz seiner Leser voraus. Nun weiß man ja, dass die Leser alles mitmachen, wenn sie nur wollen. Aber in diesem Fall grenzt es schon ans Absurde: Ein Überfall auf eine Videobude erregt die Aufmerksamkeit einer der Ermittlerinnen, die zufällig in der Gegend ist, sie beginnt zu ermitteln und bekommt heraus, dass der Laden als Köder für Frauen dient, die an pathologischen Essstörungen leiden.

Die Frauen werden anschließend entführt und teilweise brutal ermordet. Bei den Ermittlungen finden die Polizisten einen abgetrennten Arm einer Prostituierten. Nur knapp entrinnt die gleichfalls unter Essstörungen leidende Tochter Paul Hjelms einem solchen Schicksal, scheint es. Der Fall, der sich schließlich dahinter abzeichnet und in dem Rache mal wieder eine große Rolle spielt, ist allerdings arg dünn. Wäre eine solche Ableitung plausibel, müsste es einen wundern wie friedlich es doch in der bürgerlichen Gesellschaft ansonsten zugeht.

Auch der zweite Hauptfall, der hier erzählt wird, ist ein wenig irritierend angelegt: Paul Hjelm sucht nämlich einen Kollegen, der für die schwedische Spionage gearbeitet hat (er soll zugleich dessen Stelle übernehmen) und der spurlos verschwunden ist. Alle nehmen seinen Tod an, und Hjelm findet auch seine Leiche, an derselben Stelle, an der später auch seine eigene gefunden wird. Anscheinend. Und was dann folgt, ist ein wenig Thrillerkolportage, die man sich auch schenken kann. Es bleibt also ein zwiespältiger Eindruck zurück, der nicht zuletzt daher rührt, dass man sich irgendwann mal aus dem Überbietungsschema verabschieden muss, will man plausibel bleiben. Dahl hat das hier jedenfalls noch nicht getan.

Titelbild

Arne Dahl: Bußestunde. Kriminalroman.
Übersetzt aus dem Schwedischen von Wolfgang Butt.
Piper Verlag, München; Zürich 2013.
464 Seiten, 19,99 EUR.
ISBN-13: 9783492049696

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