Vom Tod erzählen

Johannes Wende untersucht umfassend das Thema Exitus im Spielfilm

Von Solange LandauRSS-Newsfeed neuer Artikel von Solange Landau

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Sterben und Tod sind anthropologische Konstanten – früher oder später betreffen sie jeden einzelnen Menschen, und doch kann niemand den Zurückgebliebenen von seinen Erfahrungen berichten. Der Tod gehört sprichwörtlich „zum Leben, wie die Nacht zum Tag“ und ist in seiner Alltäglichkeit doch außergewöhnlicherweise an den Rand der Rezeption gedrängt. Und doch finden sich Auseinandersetzungen mit dem spezifischen Thema des Lebensendes gerade im Film.

Johannes Wende unternimmt in seiner Dissertation den Versuch, sich den filmischen Darstellungen des Todes und des Sterbens anzunähern. Bei aller Komplexität und Vielfalt des Themas erhebt er nicht den Anspruch, eine erschöpfende Analyse vornehmen zu können. Vielmehr stellt er sich die Frage nach einem „gemeinsamen Nenner der Todesdeutung“, wofür Wende eine breite Filmauswahl getroffen hat: Im Fokus steht der „menschliche Exitus i[n] dem im Kino vertriebenen, fiktionalen, abendfüllenden Spielfilm“. Seine Untersuchungsgegenstände erstrecken sich über den Zeitraum von 1895 bis 2012 und umfassen jeden Kontinent – der Schwerpunkt liegt dabei allerdings auf US-amerikanischen und westeuropäischen Produktionen.

In vier Kapiteln widmet sich Wende jeweils vier Ausformungen des Themas, von der Personifizierung des Todes, über die Toten an sich (vor allem als Prinzip der Alterität) bis hin zum Tod in der Filmdramaturgie und der Darstellung des Sterbens.

Der personifizierte Tod (Kapitel 1) findet im Film verschiedenartige Darstellungen, wie beispielsweise den kommunikativen, menschlich erscheinenden Helfer („Click“ oder „Meet Joe Black“) oder aber das „Alien“ in der gleichnamigen Filmreihe, das schon im Namen „ein Differenz etablierendes Gegenüber“ darstellt. Doch bleiben der verkörperte Tod als solcher und diejenigen, die lediglich als ikonografische Todbringer dienen (wie die Femme fatale, der „Terminator“, das „Alien“ et cetera), zu unterscheiden. Schließlich gibt es auch noch die Form des ‚unsichtbaren‘ Todes, der so in der „Final Destination“-Reihe selbst nie offen in Erscheinung tritt und daher vielmehr in der Figurenrede als „personaler Agent“ zum Ausdruck kommt.

Die Toten selbst (Kapitel 2) als „das jeweils andere, das Differente im Verhältnis zu den Lebenden“ erläutert Wende vorrangig am Beispiel der Filme „Los Otros“ und „Beetlejuice“ – dort gilt es, sich als Toter der Lebendigen innerhalb der heimatlichen Umgebung zu entledigen. Zugleich zwingt die Begegnung mit den Toten wie in „Zombie: Dawn of the Dead“ die Lebenden dazu, sich mit sich selbst und ihrer Kultur auseinanderzusetzen. Das Aufeinandertreffen dieser zwei divergierender Prinzipien von tot und lebendig vereint in sich somit Gesellschafts- und Konsumkritik zugleich. Die Toten können dabei „auf eine lange und äußerst lebendige Wirkungsgeschichte zurückblicken“.

Der Tod findet auch als Teil der Dramaturgie Eingang in audiovisuelle Medien (Kapitel 3), da gerade das Erzählen vom Tod kulturgeschichtliche Dimensionen angenommen hat, die sich in allen Gesellschaften wiederfinden. Der Tod als „genuin narratives Ereignis“ ist ebenso eine anthropologische Universalie, wie auch die Trauerverarbeitung der Zurückgelassenen (beispielsweise in „Big Fish“). So wie der Tod „in eine Tradition der sozialen Übergangsphasen“ eingeordnet werden kann, kann auch das Sterben als solches als Abfolge narrativer Ereignisse verstanden werden, wofür sich gerade filmische Medien als geradezu prädestiniert erweisen – dies weist Wende anhand motivischer Einzelkapitel nach.

Die Darstellung des Sterbens (Kapitel 4) erweist sich ebenfalls als äußerst vielfältig und durch die ikonografische Vorprägung als geradezu problematisch, was sich metareferentiell in „Tropic Thunder“ (mit Bezug auf die Pathosformel) niederschlägt. Die „Unmöglichkeit, das Sterben unvermittelt darzustellen“ führte im Film dazu, verschiedene mediale Mittel einzusetzen, um den Akt des Sterbens wirksam auf die Leinwand zu bannen.

Die Verarbeitung des Bandes (bei dem es sich um ein Taschenbuch handelt) ist hochwertig, die Schriftart lädt zum Lesen ein. Zudem sind die Anmerkungen als Endnoten beigefügt, was dem Textfluss zugute kommt. Besonders positiv hervorzuheben ist der Filmtitelindex, der ein schnelles Nachschlagen der entsprechenden Seiten zu einem bestimmten Film erlaubt, und der das ebenso vorhandene Filmverzeichnis, sowie das umfangreiche Literaturverzeichnis, sinnvoll ergänzt. Genaue Quellenangaben der Filmzitate wären wünschenswert gewesen, ebenso deren durchgehende Wiedergabe in der jeweiligen Originalsprache.

Johannes Wendes Dissertation erweist sich als äußerst anregende Lektüre, die notwendigerweise vereinzelte Schwerpunkte setzt und es doch versteht, in großer Bandbreite das komplexe Thema des Todes im Spielfilm darzulegen.

Titelbild

Johannes Wende: Der Tod im Spielfilm. Eine exemplarische Analyse.
edition text & kritik, München 2014.
413 Seiten, 39,00 EUR.
ISBN-13: 9783869163369

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