„Berliner Intellektuelle um 1800“ als Programm

Über Potential und Grenzen digitalen Edierens

Von Anne BaillotRSS-Newsfeed neuer Artikel von Anne Baillot und Anna BuschRSS-Newsfeed neuer Artikel von Anna Busch

Die digitale Edition „Briefe und Texte aus dem intellektuellen Berlin um 1800“, um die es im Folgenden gehen soll, entstand weder im Rahmen einer Ausschreibung für digitale Projekte bzw. Editionen noch in Folge eines eigenständigen Antrags für eine digitale Edition. Tatsächlich ist sie im Rahmen einer von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Emmy Noether-Nachwuchsgruppe entwickelt worden. Die Entscheidung für den Aufbau einer digitalen Edition, wie er hier aus der Perspektive der damit zusammenhängenden Forschungsfrage geschildert wird, war auch eine Entscheidung für ein Arbeitsumfeld, in das eine gesamte Gruppe, einschließlich Studierende, eingebunden werden konnten. Dieser Ansatz ist mit dem Anspruch verfolgt worden, dabei nichts an Wissenschaftlichkeit einzubüßen. Das Ergebnis ist unter http://tei.ibi.hu-berlin.de/berliner-intellektuelle/ einsehbar und wird bis zum Ende der Förderlaufzeit (Dezember 2015) regelmäßig aktualisiert und verbessert.

Das Konzept „Berliner Intellektuelle um 1800“[1]

Die Emmy Noether-Nachwuchsgruppe „Berliner Intellektuelle um 1800“[2] begann ihre Arbeiten am Institut für deutsche Literatur der Humboldt-Universität zu Berlin im Juni 2010.[3] Im Mittelpunkt des 5-Jahres-Projektes steht die Frage nach Form und Bedeutung der Teilnahme von Gelehrten am öffentlichen Leben mit besonderer Berücksichtigung ihrer Kommunikationsstrategien und der damit einhergehenden politischen Stellungnahmen. Untersucht werden die Berliner Intellektuellennetzwerke zwischen 1800 und 1830 als Orte des Kultur- und Wissenstransfers. Zentral sind dabei die Kombination von Residenz- und Universitätsstadt, die vorhandenen wissenschaftlichen und kulturellen Einrichtungen und die identitäre Krise und Neupositionierung, die von den Befreiungskriegen ausgelöst werden. Die Originalität des Vorhabens besteht in der Anwendung philologischer Methoden auf politisch orientierte Fragestellungen. Insbesondere die vielgestaltige Verwendung der Textsorte Brief als privates und/oder öffentliches Medium spielt hier eine zentrale Rolle.[4]

Die für die Berliner Intellektuellennetzwerke zwischen 1800 und 1830 entscheidenden Orientierungen und Entwicklungen werden anhand von neu erschlossenen bzw. transkribierten handschriftlichen Beständen im Rahmen von vier thematischen Schwerpunkten herausgearbeitet:

- Inwiefern trug die Gründung der Universität zur Entstehung eines intellektuellen Selbstverständnisses der als Dozenten tätigen Fachgelehrten bei?[5]

- Inwiefern definierte sich das politische Bewusstsein der Intellektuellen durch die Reaktion auf die französische Präsenz in der Stadt?[6]

- Welche Kommunikationsstrategien wurden zur Etablierung als Schriftsteller bzw. als Schriftstellerin verwendet?[7]

- Wie lässt sich aus einem wissenschaftlichen oder literarischen Korpus eine politische Stellungnahme herausarbeiten?[8]

Die Verwendung des Begriffs „Intellektuelle“ macht es möglich, sowohl Gelehrte als auch Literaten und Verleger beider Geschlechter im politisierten Berliner Kontext der napoleonischen Kriege und der Folgejahre zusammen in den Blick zu nehmen, ohne Berücksichtigung oder vorheriger Festlegung ihrer politischen Ausrichtung. Viele dieser Akteure würde man sehr wohl unter dem Begriff „Romantiker“ fassen und dabei (speziell im Berliner Kontext) die Verbindung zwischen politischer Einstellung und literarischer Produktion anschaulich machen können. Aber das würde auch bedeuten, Romantiker von Nicht-Romantikern abgrenzen zu müssen, wobei nicht so sehr der politische Inhalt von Veröffentlichungen als die Tatsache, dass sie politisch geprägt sind und die Form, in der sie es sind, in diesem Projekt relevant sind.

Der Intellektuellenbegriff ist aus zwei Gründen problematisch: zunächst, weil er für diesen Zeitraum anachronistisch ist – viel anachronistischer als der Romantikbegriff –, dann aber auch, weil er sozialhistorisch geprägt[9] und selbst als solcher unscharf ist. Bei allen methodischen Nachteilen gibt es jedoch keinen anderen, der es möglich macht, Schriftsteller und Schriftstellerinnen, Verleger und Verlegerinnen, Publizisten und Publizistinnen, Akademie-Mitglieder und Universitätsprofessoren aus dem Berlin des ersten Drittels des 19. Jahrhunderts so zusammenzuführen, dass dabei Entfaltung und Ausdrucksformen des politischen Bewusstseins, wie sie es um die Jahrhundertwende einsetzen, deutlich werden.

Die Verwendung dieses problematischen Begriffs bringt zwei methodische Vorteile mit sich. Erstens geht es mit „den Intellektuellen“ auch um die Verbindungen zwischen den unterschiedlichen Akteuren aus dem literarischen bzw. wissenschaftlichen Betrieb, die meist in der Forschung als zwei voneinander getrennte Bereiche untersucht werden, obwohl sie faktisch eng miteinander verbunden waren – wenn sie nicht sogar in einer Person zusammenfanden, wie es bei Tieck oder Chamisso der Fall war. Zweitens ist der Intellektuellenbegriff insofern für die Literaturgeschichte von Interesse, als er die Schrift, die Ver-Öffentlichung als das zentrale Moment für die Analyse auffasst.

Jeder Autor (oder Autorin), jeder Verleger, jeder Professor setzte unterschiedliche Kommunikationsstrategien ein. Man suchte sich einen bestimmten Verleger für ein bestimmtes Werk aus,[10] veröffentlichte anonym, unter Pseudonym oder unter dem eigenen Namen. Entsprechend viele Optionen waren auch für Rezensionen gegeben. Kurzlebige Zeitschriften wurden ins Leben gerufen, die ein paar Jahre später Bankrott gingen – auch Zeitschriftenbeliebtheit wollte bei der Publikationsstrategie berücksichtigt werden.[11] Übersetzungen waren ihrerseits durch Verwertungsüberlegungen charakterisiert: Man übernahm Stellen von früheren Übersetzern oder von Freunden, die man mit schwierigen Passagen beauftragte.[12] Man schickte sich Entwürfe der Werke zum gegenseitigen Lesen.[13] Freunde und Verleger griffen direkt in das Manuskript ein.[14] Professoren konnten in den Vorlesungen einen ersten Stand ihrer Erkenntnisse vor der Veröffentlichung vorstellen – Vorlesungsmitschriften beweisen, dass sie in ihren Lehrveranstaltungen gegenüber zeitgenössischer Fachliteratur, also den Schriften ihrer Kollegen, um Einiges kritischer sein konnten als es in veröffentlichter Form der Fall war.[15] In den Salons und Vereinen wurden ebenfalls sondierungsweise ausgewählte, eigene Erzeugnisse vorgetragen. Zentrales Anliegen des Forschungsprojektes ist es, diese Entstehungs- und Rezeptionsprozesse in der größtmöglichen Bandbreite beleuchten zu können.

Somit steht nicht eine einzige Textgattung im Mittelpunkt des Forschungsinteresses, sondern die Vielfalt der Gattungen, die von den Intellektuellen in ihrer Veröffentlichungspraxis eingesetzt wurden und die es möglich machen, dem Verhältnis zwischen privaten, halb-privaten und öffentlich angelegten Schriften auf die Spur zu kommen. Das Zusammenspiel unterschiedlicher Textgattungen spielt daher bei der Konzeption der digitalen Edition „Briefe und Texte aus dem intellektuellen Berlin um 1800eine zentrale Rolle. Es werden die unterschiedlichen Korpora in ein gemeinsames Raster eingebettet: Damit kann eine bedeutende und aussagekräftige Masse an Textinformationen zu Projektende vorliegen, zwar nicht im Sinne von Big Data, dennoch in einer Größenordnung, die über die Arbeit des einzelnen Forschers entscheidend hinausgeht. Die ideengeschichtliche Kohärenz wird dadurch gewährleistet, dass alle Korpora preußische Spezifika der Textpolitik von der Aufklärung bis zum Biedermeier beleuchten. Das Verständnis von „Berlin“ und „um 1800“ ist somit zwar relativ breit aufgefasst, aber die meisten der edierten Korpora bewegen sich in der Zeit um 1810. Weiter zurückzugreifen macht es möglich, die Grundlagen, auf denen sich die Situation um 1810 entfaltete, zu verstehen. Ebenso ist die Einmaligkeit der Situation um 1810 nur durch die Entwicklungen nach dem Wiener Kongress wirklich einzuordnen, was die Edition von „späten“ Korpora erklärt. So erstrecken sich die Entstehungszeiträume der edierten Briefe und Texte von der Mitte des 18. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts.

Zwei Schwerpunkte wurden bei der Entwicklung der XML/TEI-Auszeichnung mit dem Ziel gesetzt, die „Berliner Intellektuellennetzwerke um 1800“ zu erfassen: zum einen die Rekonstruktion von Personennetzwerken, insbesondere unter Berücksichtigung der „zweitrangigen“ Persönlichkeiten, zum anderen die Rekonstruktion von Werkzirkulation. Inwiefern diese Fokussierungen dazu dienen können, sich größeren Zusammenhängen anzunähern, zeigt das Boeckh-Projekt besonders gut.[16] Dieses Projekt besteht aus mehreren digitalen Bausteinen,[17] die so angelegt sind, dass sie mit einander in Austausch treten. Die derzeitige Erfassung von Boeckhs Buchkatalog wird in naher Zukunft mit Links zu Digitalisaten der entsprechenden Werke aus seiner Büchersammlung versehen, was in einem späteren Schritt, wenn es darum geht, sein Kollegienheft zur Encyklopädie und Methodologie der philologischen Wissenschaften zu edieren, ermöglichen wird, direkt auf die von Boeckh in der Vorlesung erwähnten Passagen zu verlinken.

Neben der Auszeichnung der Entitäten, die über eine projektinterne Identifikationsnummer in einschlägigen Indices mit Informationen angereichert werden, wird eine Auszeichnung[18] der textgenetischen Elemente vorgenommen.[19] Diese zweispurige Auszeichnung der personen-, werk-, orts- und zeitbezogenen Entitäten parallel zu den textgenetischen Phänomenen hat nicht zuletzt zum Ziel, Zensurphänomene sowohl feingranular als auch in einer mittelgroßen Größenordnung untersuchen zu können. Unter „Zensur“ werden hier alle Eingriffe, meist fremder, aber gelegentlich auch eigener Hand (beispielsweise für einen weiteren, späteren Druck) verstanden. Insbesondere die Erfassung der in der jeweiligen Handschrift vorkommenden Hände macht es möglich, alle Textschichten mit ihren Hinzufügungen, Streichungen und anderen Änderungen in die editorische Arbeit einzubetten.[20]

Die Erwartungen an die digitale Edition und ihre Umsetzung

Der tatsächlichen Arbeit an der digitalen Edition „Briefe und Texte aus dem intellektuellen Berlin um 1800“ selbst ging eine eingehende Auseinandersetzung mit bereits existierenden digitalen Editionen und hier in erster Linie Briefeditionen voraus. Zentral war die Orientierung an den beiden als modellhaft geltenden digitalen Editionen „Vincent van Gogh. The Letters“[21] und „Carl-Maria-von-Weber-Gesamtausgabe (WeGA)“[22], die in vielerlei Hinsicht für die tatsächliche Umsetzung der dem Projekt zugrundeliegenden Editionsidee leitend waren. In einem folgenden Schritt schloss sich umfangreiche Entwicklungsarbeit sowohl auf konzeptioneller als auch auf technischer Seite an. Arbeitsabläufe wurden etabliert, man verständigte sich auf Editionsrichtlinien, Tools, Arbeitsumgebungen und -anwendungen, Präsentationsmodi – immer auch unter Berücksichtigung der technischen, personellen und finanziellen Beschränkungen, die der Edition zugrunde liegen. Diesen Prozess begleitete eine detaillierte theoretische Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten und Schwierigkeiten von Textauszeichnung im Rahmen digitaler Editionen. Das Verwenden und Befolgen der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft empfohlenen wissenschaftlichen Standards für webbasierte Textpräsentationen (XML/TEI, Open Access, Normdaten, persistente URLs) sind für die Edition Grundlage. Eine besondere Herausforderung stellte die Tatsache dar, dass die speziellen Erfordernisse bei der Auszeichnung von Briefen (im Gegensatz zu anderen Handschriften) häufig nicht in ausreichendem Maße von den TEI Guidelines[23] berücksichtigt werden. Bis zum jetzigen Zeitpunkt gibt es kein TEI-Modul, das sich mit der Edition von Korrespondenzen beschäftigt. Aus diesem Defizit heraus entwickelte sich die aktive Mitwirkung in der „Special Interest Group Correspondence“ (SIG Correspondence) der TEI[24] zur Erarbeitung von Kodierungsrichtlinien für Korrespondenzen in Bezug auf – in einem ersten Schritt – die Erfassung von briefspezifischen Metadaten und – in einem zweiten Schritt – die Textauszeichnung.

Grundlegend – und hinsichtlich digitaler Editionen neu – war die Ausgangsidee, dass der Zugang zu literatur- und wissenschaftsgeschichtlichem Wissen im Netz nicht notgedrungen über einen bestimmten Autor oder ein einzelnes Werk zu erfolgen hat. Die einseitige Autorzentriertheit, die den gängigen Druckeditionen zu Grunde liegt, wurde zugunsten unterschiedlicher Annäherungsmöglichkeiten aufgebrochen. Diese konzeptionell entscheidenden Überlegungen ermöglichen dem Benutzer den Einstieg in die Edition – gleichwertig neben dem Zugang über den Autor – über eine Forschungsfrage, einen Zeitpunkt oder eine Zeitspanne, einen bestimmten Ort oder eine Textgattung. Die digitale Edition „Briefe und Texte aus dem intellektuellen Berlin um 1800“ mit den unterschiedlichen Zugriffs- und Suchmöglichkeiten, deren Ergebnisse sich nach den spezifischen Benutzerbedürfnissen zusammenstellen lassen, macht es möglich. Das erfordert auch ein Umdenken hinsichtlich grundsätzlicher Editionskriterien – nicht nur beim Editor. Auch der Benutzer wird mit Zugangsmöglichkeiten konfrontiert, die ihn womöglich verunsichern, denn sie entsprechen nicht ausschließlich den (bisher) geisteswissenschaftlich etablierten Herangehensweisen. Worum geht es überhaupt? Was für Material wird präsentiert, wenn es sich nicht nur um die Werke/Briefe eines einzigen Autors handelt?

Tatsächlich bietet eine digitale Edition die Möglichkeit, textsortenübergreifend aufzutreten. Unterschiedliche Arten von Texten können miteinander interagieren, korrespondieren und verlinkt werden und ergeben so eine Art Textnetzwerk, das ähnlich einem Personennetzwerk Verbindungen zwischen einzelnen Knotenpunkten herstellen kann, Überschneidungen, Entwicklungen und Abgrenzungen sichtbar werden lässt. Für die Edition „Briefe und Texte aus dem intellektuellen Berlin um 1800“ bedeutet das, dass unveröffentlichte Briefe, Werkmanuskripte, Vorlesungsmitschriften und andere Textkorpora ediert werden, die miteinander in Beziehung zu setzen sind.

Die Edition wendet sich an Fachkollegen, aber auch an die interessierte Öffentlichkeit. Auf der Ebene der Textpräsentation bedeutet dies zweierlei. Erstens wird ein Digitalisat der Handschrift gleichwertig zu den Transkriptionen präsentiert. Hier kann der Handschriftenspezialist mit dem Manuskript selbst arbeiten. Zweitens werden zwei unterschiedliche Ansichten der Transkription zur Verfügung gestellt. Die diplomatische Umschrift gibt buchstabengenau wieder, was das Faksimile zeigt. Alle Streichungen und Hinzufügungen werden angezeigt, Abkürzungen werden nicht aufgelöst und fehlende Textteile, die z.B. durch Löcher im Papier hervorgerufen werden, werden nicht ergänzt. Die Lesefassung bietet einen leicht lesbaren Text. Abkürzungen werden aufgelöst und Vermerke anderer Personen auf der Handschrift weggelassen. Fehlende, aber ohne Schwierigkeiten zu rekonstruierende Textteile werden ergänzt. Auch die Kommentierung erfolgt zweispurig: Sie spiegelt zum einen Feinheiten in der Manuskriptwiedergabe wider und gibt zum anderen Kontexthinweise in Form von Sachkommentaren zum besseren Verständnis des Textes. Diese Kommentare können für beide Darstellungsmodi oder wahlweise auch nur für eine Darstellungsweise verfasst und angezeigt werden. Der Zweigliedrigkeit in der Präsentation liegt pro Brief und Text ein einziges TEI-Dokument zugrunde, das die Transkription sowie die Metadaten der Handschrift enthält, die Textauszeichnung und den wissenschaftlichen Kommentar. Aus dieser TEI-Datei wird neben der Anzeige der diplomatischen Umschrift und der Lesefassung, auch die Metadatenanzeige, die Auflistung der Entitäten/Registereinträge, die XML-Anzeigen und die PDFs generiert. Dies hat Auswirkungen auf die Art der Kodierung, die immer beide Darstellungsmodi berücksichtigen muss.

Die unterschiedlichen Textpräsentationsformate (die Lesefassung, die diplomatische Umschrift, die XML-Kodierung, aber auch ein PDF mit einem eigenen Register des jeweiligen Textes) werden dem Benutzer unter einer CC-BY-Lizenz zugänglich gemacht. Außerdem werden sämtliche zugehörigen Metadaten (Informationen zu Verfasser oder Absender/Empfänger, Bearbeiter, Entstehung des Manuskripts, zu den verwendeten Sprachen, zum Aufbewahrungsort, zur Akquisegeschichte sowie eine Material-, Umfangs- und Zustandsbeschreibung der Handschrift und ihrer Druckgeschichte) und die Indexeinträge zur Verfügung gestellt.

Die edierten Briefe und Texte werden in einen größeren Kontextzusammenhang eingebettet. Ermöglicht wird dies durch die Verbindungen zu externen Projekten und Kooperationspartnern, in erster Linie Archive, aber auch Bibliotheken und Forschungseinrichtungen, die zum Teil Digitalisate der Handschriften zur Verfügung stellen, aber auch infrastrukturell angebunden sind und den Datenaustausch ermöglichen. Zu nennen sind hier die Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz (Kalliope), die Stiftung Stadtmuseum Berlin, die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, das Institut für Bibliotheks- und Informationswissenschaften, die Universitätsbibliothek der Humboldt-Universität zu Berlin, das Institut national de recherche en informatique et en automatique (INRIA), die Oberlausitzische Bibliothek der Wissenschaften Görlitz und das Deutsche Textarchiv. Ein zentrales Anliegen der Edition „Briefe und Texte aus dem intellektuellen Berlin“ ist einerseits die Schaffung von Schnittstellen, die es ermöglichen, dass die im Rahmen der Edition erarbeiteten Daten und Forschungsergebnisse auch auf archivarischer und bibliothekarischer Ebene weiterverwendet und angereichert werden können. Andererseits soll durch die Implementierung von Normdaten (GND, GeoHack, ISO-Codes), XML und TEI, persistente URLs und Open Access die Zugänglichkeit und Standardisierung der Daten sichergestellt werden. Entscheidend ist die Verknüpfung mit anderen Repositorien und Editionen durch die Einbindung und die gegenseitige Verlinkung von Inhalten über BEACON[25], wodurch gewährleistet wird, dass Informationen auch in anderen Editionen weitergenutzt und andersherum Daten aus anderen Editionsprojekten für die Edition „Briefe und Texte aus dem intellektuellen Berlin“ verwendet werden können.

Die dem Projekt eigenen umfangreichen Personen-, Werk-, Orts-, und Gruppenindices, die der Idee einer Rekonstruktion literarischer und ideengeschichtlicher Zusammenhänge Rechnung tragen, spielen für den internen und den externen Datenaustausch, die Verknüpfung und Integration von Informationen eine zentrale Rolle. Zum einen kann ein Text korpus- und projektintern mit anderen Textzeugen verknüpft werden, zum anderen kann durch die Verwendung von Normdaten (GND) Inhalte projektübergreifend verbunden werden.

Hier zeichnet sich ein deutlicher Methodenwechsel im Umgang mit biographischen Forschungsdaten ab. Während bis dato jede Edition bzw. jedes Projekt regelmäßig ein eigenes Repertorium für Personendaten angelegt hat, ist durch die Bereitstellung solcher Informationen anderer Editionen der Zugriff auf bereits erarbeitete Datenbestände möglich. Davon profitieren gerade kleinere Editionen, die damit über große Datenbestände verfügen können, um ihre Texte in Forschungsumgebungen einzubetten. Es können entsprechend auch ausgesuchte Textkorpora in größeren Kontextzusammenhängen verortet und per Verknüpfungen z.B. Personennetzwerke erschlossen werden. Dazu ist dann nicht zwingend eine substantielle Erweiterung der eigenen edierten Textmenge notwendig. Die Verknüpfung mit anderen Editionen kann fehlende Information liefern und erspart doppelte Arbeit.

Um die Möglichkeiten zu illustrieren, die sich daraus ergeben, sei ein einzelnes Beispiel der Edition herausgegriffen:

Wählt man eine Person, sagen wir August Wilhelm Schlegel, aus dem Personenregister und über die Suchfunktion aus, werden neben Lebensdaten, Namensformen, Verwandtschaften, Tätigkeiten und den Links zu der GND oder der Deutschen Biographie, unter der Rubrik „Erwähnungen“ sämtliche Texte der Edition angezeigt, in denen August Wilhelm Schlegel thematisiert wird. Es wird deutlich, dass er in Briefen innerhalb des Tieck-Korpus sowie des Chamisso-Korpus erwähnt wird, dass er als Autor und Empfänger von Briefen im August Boeckh-Nachlassprojekt vorkommt. Ebenso wird ersichtlich, wie oft (und, nach Anklicken, an welchen Stellen) seine Werke in anderen Texten der Edition genannt und vor allem welche Werke von ihm erwähnt und rezipiert werden. Auf diese Weise kann z.B. Mechanismen der Verbreitung bestimmter Schriften nachgegangen werden, indem – unabhängig von einer Personenzentriertheit in einer typischen Print-Edition – analysiert wird, welche Texte eine zentrale Rolle spielten, wie sie angeschafft, in welchen Organen sie besprochen, in welcher Form sie bekannt gemacht wurden. Über die GND-Beacon-Verknüpfung erhält man überdies eine umfangreiche Liste mit August Wilhelm Schlegel-Nachweisen in unterschiedlichen anderen Projekten, Datenbanken, Archiven, Nachschlagewerken und Katalogen.

Ein weiterer entscheidender Aspekt zur Verknüpfung von Texten, der in der hier vorgestellten Edition allerdings nicht umfassend umgesetzt worden ist, ist in der Verschlagwortung der Texte zu sehen. Erste Versuche der Anwendung eines Schlagwortkatalogs sind anhand eines Verschlagwortungsrepertoires, das von der Staatsbibliothek zu Berlin im Rahmen der dort stattfindenden Erschließung des Nachlasses von Adelbert von Chamisso erarbeiteten worden ist, auf die Chamissokorpora der Edition gemacht worden. Zielführend verspricht in diesem Zusammenhang ein von Jochen Strobel prospektierter Thesaurus der Romantik zu sein, der die semantische Erschließung anhand eines explizit romantischen Begriffs- und Ideensystems entwirft.[26]

Fazit

Die wechselseitigen Anregungen und geistigen Durchdringungen eines anregenden Berliner Kulturumfelds um 1800 bringen hybride ästhetische Produktionsformen hervor (dazu zählen z.B. auch Korrespondenzen), bei denen die einzelne Perspektive hinter einem reziproken Austausch von Gedanken zurücktritt und sich dadurch mitunter ein fester Autorschaftsbegriff auflöst. Damit einher geht ein gemeinsames Geselligkeitskonzept, wie es Schleiermacher postuliert,[27] das auch literarische und theoretische Zusammenarbeit motivieren kann. Die digitale Edition „Briefe und Texte aus dem intellektuellen Berlin um 1800“ fragt folglich, welche Gestalt gegenseitige ideengeschichtliche Anregung nehmen kann und woran sich kollaboratives Arbeiten in einem Netzwerk erkennen lässt. Zu ebendieser Offenlegung und Analyse dienen Personen-, Werk-, Orts- und Gruppenrepositorien, die dabei helfen können, gruppentypische Kommunikationsmechanismen der Zeit nachzuvollziehen.

Die Unabgeschlossenheit des Unternehmens, ja der Baustellencharakter, der dieser Art von Edition eigen ist, die sich nicht auf einen bestimmten Autor oder einen einzelnen Text festlegt, ist sicherlich, gemessen an traditionellen Editionskriterien, ein irritierender Punkt. Sie bietet allerdings den Vorteil, einer Erweiterung und dadurch die regelmäßige Aktualisierung des Materials sowie die Anschlussfähigkeit weiterer Handschriften, Datenbanken oder anderer Editionen auch über die Projektlaufzeit hinaus. Dieses Material kann – eingebettet in die bestehende Infrastruktur aus Personen-, Werk- und Ortsrepositorien, aus bereits edierten Briefen und Texten sowie inhaltlichen Zusammenhängen – nicht nur schneller, sondern auch breiter und genauer kontextualisiert werden. So zeigt sich, dass die digitale Edition „Briefe und Texte aus dem intellektuellen Berlin um 1800“ sowohl als Edition als auch als Arbeitsumgebung fungiert.

Anmerkungen:

[1] Auf die spezifische Konstellation „Berlin um 1800“ wird hier nicht eingegangen; es sei in diesem Kontext allein auf die wegweisenden Arbeiten Conrad Wiedemanns sowie die Ergebnisse des Akademieprojekts der Berlin-Brandenburgischen Akademie „Berliner Klassik“ verwiesen. Vgl. beispielsweise C. Wiedemanns Vorwort zu U. Motschmann, Schule des Geistes, des Geschmacks und der Geselligkeit. Die Gesellschaft der Freunde der Humanität (1797–1861), Hannover/Laatzen, 2010.

[2] Der gesamte Projekttitel lautet: „Die Berliner Intellektuellen 18001830. Zur Entstehung einer sozialen Gruppe, ihren Netzwerken, ihrer politischen Rolle und ihrem Ort in der Ideengeschichte“.

[3] Neben der digitalen Edition Briefe und Texte aus dem intellektuellen Berlin um 1800 sind im Rahmen der Nachwuchsgruppe folgende Sammelbände erschienen: in der Reihe „Berliner Intellektuelle um 1800“ (Berliner Wissenschaftsverlag) Netzwerke des Wissens. Das intellektuelle Berlin um 1800 (hg. von Anne Baillot, 2011), Französisch-deutsche Kulturräume um 1800. Bildungsnetzwerke – Vermittlerpersönlichkeiten – Wissenstransfer (hg. von Anna Busch, Nana Hengelhaupt, Alix Winter, 2012), August Boeckh. Philologie, Hermeneutik und Wissenschaftsorganisation (hg. von Christiane Hackel und Sabine Seifert, 2013); France-Allemagne. Figures de l’intellectuel entre révolution et réaction 1780–1848 (hg. von Anne Baillot und Ayse Yuva, Villeneuve d‘Ascq/Lille, 2014). Der Band Briefe um 1800 – Zur Medialität von Generation (hg. von Sylvie Le Moël und Selma Jahnke, Reihe „Berliner Intellektuelle um 1800“) ist zurzeit in Vorbereitung und wird im Jahr 2015 erscheinen.

[4] Die Idee zu einer Rekonstruktion eines romantischen Briefnetzwerks entwirft auch W. Bunzel: Briefnetzwerke der Romantik. Theorie – Praxis – Edition, in: Beiheft zur editio, Brief-Edition im digitalen Zeitalter, hg. Anne Bohnenkamp und Elke Richter, Bd. 34, 2013.

[5] Vgl. A. Baillot: Zwischen Doktorenfabrik und Austauschplattform. Promotionsgutachten am Beispiel der Philosophischen Fakultät in den Anfängen der Berliner Universität, in: Zeitschrift für Germanistik, NF XXIII – 2/2013, S. 276292 sowie A. Busch: Wissensorganisation und -vermittlung in der Gründungsphase der Berlin Universität. Julius Eduard Hitzigs Lesezimmer für die Universität als erste Berliner Universitätsbibliothek, in: Netzwerke des Wissens, hg. von Anne Baillot, Berlin, 2011 und http://tei.ibi.hu-berlin.de/berliner-intellektuelle/topic?Berliner_Universit%C3%A4t+de.

[6] Vgl. A. Baillot, „Les corpus français sont-ils allemands? Éditer des textes de la Prusse frédéricienne en Allemagne“, in: Philologie im Netz Beiheft 7/2014 (hg. von Christof Schöch und Lars Schneider), S. 4963 [http://web.fu-berlin.de/phin/beiheft7/b7t03.pdf] sowie A. Busch: Paris in Berlin? Aspekte deutsch-französischer Kulturbeziehungen bei Julius Eduard Hitzig, in: Französisch-deutsche Kulturräume (wie Anm. 3) und http://tei.ibi.hu-berlin.de/berliner-intellektuelle/topic?Franz%C3%B6sische_Kultur+de.

[7] Vgl. A. Busch: „Verwahre meine Briefe, Briefe sind Archive.“ Julius Eduard Hitzigs Leben und Briefe von Adelbert von Chamisso: Entstehungsgeschichte, Quellenlage, Programm, Rezeption, und S. Jahnke: „Liederlich“ oder „liederreich“? Die Begegnung Adelbert von Chamissos mit Helmina von Chézy 1810“, beides in: Korrespondenzen und Transformationen. Neue Perspektiven auf Adelbert von Chamisso, hg. von Marie-Theres Federhofer und Jutta Weber, Göttingen 2013 sowie http://tei.ibi.hu-berlin.de/berliner-intellektuelle/topic?Schriftstellerinnen+de und http://tei.ibi.hu-berlin.de/berliner-intellektuelle/topic?Literarische_Romantik+de.

[8] Vgl. A. Baillot: Intellektuelle Öffentlichkeit. Friedrich von Raumers Weg zwischen Politik und Wissenschaft, in: Berlins 19. Jahrhundert. Ein Metropolen-Kompendium, hg. von Roland Berbig, Iwan-M. D’Aprile, Helmut Peitsch, Erhard Schütz, Berlin, 2011; A. Busch: Julius Eduard Hitzig und die öffentlichkeitswirksame Popularisierung des Rechts, in: Literatur und Recht im Vormärz, Jahrbuch 2009 des Forum Vormärz Forschung, hg. von Claude D. Conter, Bielefeld, 2010 sowie den Briefwechsel zwischen Ludwig Tieck und Friedrich von Raumer: http://tei.ibi.hu-berlin.de/berliner-intellektuelle/author?p0133+de.

[9] Hierzu s. A. Baillot, Einleitung, in: Netzwerke des Wissens sowie zs. mit A. Yuva, Einleitung, in: Figures de l’intellectuel (beides Anm. 3).

[10] Vgl. A. Busch, „Verlegerbriefe. Heinrich von Kleist und die Bedingungen der Gattung“, in: Gesprächsspiele und Ideenmagazin: Heinrich von Kleist und die Briefkultur um 1800, hg.von Ingo Breuer, Katarzyna Jastal und Pawel Zarychta, Wien/Köln, 2013.

[11] Vgl. E. Osterkamp, „Neue Zeiten – Neue Zeitschriften. Publizistische Projekte um 1800“, in: Zeitschrift für Ideengeschichte I/2 (2007), S. 62–78.

[12] Hierzu vgl. A. Baillot, „Ein Freund hier würde diese Arbeit unter meiner Beihülfe übernehmen. Die Arbeit Dorothea Tiecks an den Übersetzungen ihres Vaters“ [zusammen mit unveröffentlichten Briefen von Jared Sparks an Friedrich von Raumer], in: Übersetzungskultur im 18. Jahrhundert. Übersetzerinnen in Deutschland, Frankreich und der Schweiz, hg. v. H. Brown u. B. Wehinger, Hannover-Laatzen, 2008 sowie http://tei.ibi.hu-berlin.de/berliner-intellektuelle/author?p0217+de ; Übersetzungsübernahmen sind in den Briefen von Heinrich Voß an Karl Solger nachgewiesen (Edition durch Sophia Zeil und Johanna Preusse im Rahmen des Sammelbandes  Johann Heinrich Voß’ Übersetzersprache – Voraussetzungen, Kontexte, Folgen, hg. von A. Baillot, Josephine Kitzbichler, Enrica Fantino, Berlin, 2014).

[13] Hierzu vgl. die Anmerkungen Wackenroders in der Handschrift von Tiecks Roxane sowie die Kommentare über Raumers Werke in seinen Briefen an ihn, beides: http://tei.ibi.hu-berlin.de/berliner-intellektuelle/author?p0133+de.

[14] Besonders eindrücklich lässt sich das an der Schlemihl-Abschrift Adelbert von Chamissos zeigen, in der sein Freund Julius Eduard Hitzig Einfügungen vornimmt. Vgl. A. Busch, „Die digitale Edition der Schlemiel-Handschrift der Stiftung Stadtmuseum Berlin zum Schlemihl-Jahr“, in: Peter Schlemiel’s Schicksale mitgetheilt von Adelbert von Chamisso. Faksimile-Ausgabe der Handschrift mit einer diplomatischen Transkription von Katrin Dennerlein, hg. von der Chamisso-Gesellschaft, Bliesdorf, 2013. Ähnliches gilt auch für das Roxane-Manuskript Tiecks mit Anmerkungen Wackenroders: http://tei.ibi.hu-berlin.de/berliner-intellektuelle/manuscript?Roxane+de#1.

[15] Vgl. beispielsweise die derzeit noch unedierte Vorlesungsmitschrift K.W.L. Heyses zu Solgers „Mythologie der Griechen“ von 1818, aufbewahrt in den Special Collections der Joseph Regenstein Library an der University of Chicago (Ms. 106 der Berlin Collection).

[16] http://tei.ibi.hu-berlin.de/boeckh/.

[17] Vgl. A. Baillot, C. Hackel, S. Seifert: Neue Perspektiven der August Boeckh-Forschung, in: Geschichte der Germanistik, 2012, 41/42, S. 139140.

[18] Dabei haben wir uns gegen die Arbeit mit Critical Apparatus (vgl. http://www.tei-c.org/release/doc/tei-p5-doc/en/html/TC.html) entschieden, da die bereitstehenden Mittel zu gering waren, um die zur Wiedergabe der damit zu kodierenden Feinheiten nötigen Visualisierung und Designarbeit leisten zu können.

[19] Die Kodierungsrichtlinien der Edition Briefe und Texte aus dem intellektuellen Berlin um 1800 sind zu finden unter: http://tei.ibi.hu-berlin.de/berliner-intellektuelle/encoding-guidelines.pdf.

[20] Unterschiedliche Textschichten bzw. Arbeitsunterbrechungen und Überarbeitungen lassen sich an der digitalen Edition des Sandmann-Manuskripts von E.T.A. Hoffmann nachvollziehen: http://tei.ibi.hu-berlin.de/berliner-intellektuelle/manuscript?Sandmann+de#1.

[21] http://www.vangoghletters.org/vg/.

[22] http://www.weber-gesamtausgabe.de/de/Index.

[23] http://www.tei-c.org/release/doc/tei-p5-doc/en/html/.

[24] http://www.tei-c.org/Activities/SIG/Correspondence/ und http://wiki.tei-c.org/index.php/SIG:Correspondence. Die Vorschläge für die Strukturierung briefspezifischer Metadaten sollen noch im Jahr 2014 an das TEI Council zur Begutachtung und Aufnahme in die TEI Guidelines eingereicht werden.

[25] http://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:BEACON.

[26] Verwiesen wird auf den Vortrag „Inventarisierung, Edition und semantische Erschließung der Korrespondenz August Wilhelm Schlegels“, den Claudia Bamberg und Jochen Strobel im Rahmen des Workshops „Datenmodellierung in digitalen Briefeditionen und ihre interpretatorische Leistung. Ontologien, Textgenetik und Visualisierungsstrategien“ (15. und 16. Mai 2014, Humboldt-Universität zu Berlin, organisiert von Anna Busch und Anne Baillot) gehalten haben. Eine Publikation des Beitrags ist in der Zeitschrift Editio. Internationales Jahrbuch für Editionswissenschaft geplant.

[27] „Denn das ist der wahre Charakter einer Gesellschaft in Absicht ihrer Form, daß sie eine durch alle Theilhaber sich hindurchschlingende, aber auch durch sie völlig bestimmte und vollendete Wechselwirkung seyn soll. […] Der Zweck der Gesellschaft wird gar nicht als außer ihr liegend gedacht; die Wirkung eines Jeden soll gehen auf die Thätigkeit der übrigen, und die Thätigkeit eines Jeden soll seyn seine Einwirkung auf die andern. Nun aber kann auf ein freies Wesen nicht anders eingewirkt werden, als dadurch, daß es zur eigenen Thätigkeit aufgeregt, und ihr ein Objekt dargeboten wird; und dieses Objekt kann wiederum zufolge des obigen nichts seyn, als die Thätigkeit des Auffodernden; es kann also auf nichts anders abgesehen seyn, als auf ein freies Spiel der Gedanken und Empfindungen, wodurch alle Mitglieder einander gegenseitig aufregen und beleben.“ Anonym (d.i. Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher), „Versuch einer Theorie des geselligen Betragens“, in: Berlinisches Archiv der Zeit und ihres Geschmacks, hg. von Rambach und Feßler, Berlin 1799, S. 55.