Die überscharfen Ecken und Kanten der realen Welt

„Spademan“ – ein hard-boiled Thriller von Adam Sternbergh

Von Thomas NeumannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thomas Neumann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Der Protagonist von Adam Sternberghs Thriller ist Müllmann. Dies allerdings in mehrfacher Hinsicht. In seinem früheren Leben hat er bei der Müllabfuhr gearbeitet. In seinem jetzigen Leben ist er jedoch für den menschlichen Müll zuständig. Die Trennung der beiden Lebensabschnitte wird durch ein traumatisches Ereignis markiert – durch den Tod seiner Frau. Die Gegenwart des Thrillers liegt nur ein kurzes Stück in der Zukunft. Wenig unterscheidet die Welt des Protagonisten Spademan von dem Weltgeschehen unserer Gegenwart. Ein bisschen mehr Wirtschaftkrise, ein bisschen mehr Zusammenbruch von ein paar Volkswirtschaften der westlichen Welt und dazu noch ein bisschen atomare Verseuchung – in diesem Fall von New York, wo der Protagonist in einer geräumigen Wohnung residiert. Die meisten Bewohner haben die Stadt mittlerweile verlassen oder liegen in verbarrikadierten Appartements in sargähnlichen Behältern, die den Besitzern den Aufenthalt in einer virtuellen Parallelwelt ermöglichen – zumindest, wenn ihre finanziellen Mittel es ihnen erlauben. Sternbergh entwirft eine Dystopie, in der man sich noch so gerade durchschlagen kann.

Der Protagonist räumt vor seiner Haustür auf und macht die Drecksarbeit für jeden, der ihn bezahlen kann: Betrogene Ehefrauen, die sich ihrer Männer entledigen wollen, Geschäftsleute, die von ihren Partnern enttäuscht und betrogen wurden – der Protagonist hat keine moralischen Bedenken, seinen Job als Auftragskiller zu erledigen. Dies erledigt er unauffällig, unspektakulär und unbeteiligt. Er arbeitet mit Rick zusammen, einem Hacker und Kriminellen, mit dem ihn eine seltsame Beziehung verbindet. Und er ist mit Mark befreundet, der ihm manchmal bei „Problemen“ hilft. Auftragsmord ist zu einem fast normalen Job geworden.

Spademan erhält von einem bekannten Fernsehprediger einen Auftrag, dessen Tochter Grace ausfindig zu machen und sie zu beseitigen. Zwar wird der Auftrag noch modifiziert, aber als sich herausstellt, dass die gesuchte Grace schwanger ist, und dies vielleicht sogar von ihrem Vater, ist Spademans Toleranzgrenze dem Auftragsgeber gegenüber überschritten. Nicht zuletzt der über allem schwebende Missbrauchsverdacht ändert die Meinung des Auftragskillers: „Auf jedem Foto lächelt Grace oder posiert mit Schmollmund. Auf den meisten Bildern sind die typischen Reflexionen eines Handyfotoblitzes zu erkennen. Auf jedem stellt sie sich unbekleidet zur Schau. Und auf manchen gewagter als auf anderen.“

Spademan hilft dem Mädchen. Er weicht nicht von seinen Regeln ab. Denn das Töten von schwangeren Frauen, Kindern und Jugendlichen verstößt gegen seine Regeln. Vor allem, wenn der Auftraggeber ihn nicht ausreichend informiert. Denn die Regeln sind klar. Spademan formuliert es so: „Vielleicht hatte ich früher mal einen schwachen Glauben an so was wie kosmische Gerechtigkeit, aber inzwischen glaube ich nur noch an mein Teppichmesser.“

Ach so, wie Spademan das Problem mit dem Mädchen und ihrem Vater, dem Prediger, löst? Das muss man schon selbst lesen. Es ist jedenfalls ein Buch mit dem Potential eines Klassikers in Sachen „Hard-boiled“-Thriller. Positiv hervorgehoben sei zum Schluß noch die hervorragende Übersetzung von Alexander Wagner, die die Geschwindigkeit des Originals beibehält. Unterhaltung auf dem Weg zur Literatur!

Titelbild

Adam Sternbergh: Spademan. Thriller.
Alexander Wagner.
Heyne Verlag, München 2014.
304 Seiten, 14,99 EUR.
ISBN-13: 9783453268883

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