Eine ungesunde Mischung

In dem neuen Roman „Der Ruf des Kuckucks“ von Joanne K. Rowling alias Robert Galbraith vereinen sich populäres Genre und klischeebehaftete Personendarstellung zu einem höchst fragwürdigen Ganzen

Von Anna-Lena KraftRSS-Newsfeed neuer Artikel von Anna-Lena Kraft

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Ein Mann, der Nachts durch eine einsame Wohngegend geht, leicht gebückte Haltung, wehender Mantel, hochgeschlagener Kragen, blau-grünlich gefärbter Nachthimmel, an dem Unheil verkündende, schwarze Vögel kreisen … Bereits das Cover des zweiten Detektivromans von Joanne K. Rowling alias Robert Galbraith mit dem Titel „Der Ruf des Kuckucks“ erinnert an diverse andere Kriminalromane auf dem derzeitigen englischsprachigen Buchmarkt und auch der Inhalt bietet keine großen Überraschungen: Die Hauptfiguren des Romans bilden der erfolglose Privatdetektiv Cormoran Strike und dessen neue Sekretärin Robin Ellacott, die auf der Suche nach einer längerfristigen Anstellung von einer kurzen Beschäftigung zur nächsten wechselt. Kurz vor dem Bankrott wird Strike beauftragt, in einem Fall zu ermitteln, der in der Londoner Presse hohe Wellen geschlagen hat. Eines der erfolgreichsten Models Englands soll sich von ihrem Balkon in den Tod gestürzt haben, doch ihr wohlhabender Bruder glaubt nicht an einen Selbstmord. Sowohl Themen als auch Setting sind also wenig auffällig.

Was jedoch gleich zu Beginn an K. Rowlings Roman auffällt, ist das wenig ausdifferenzierte Personal. Jede der Figuren bildet ein menschliches Extrem, so wird beispielsweise fortwährend der unvergleichliche Scharfsinn des Detektivs, die perfekte Anpassungsfähigkeit und die genaue Menschenkenntnis der Sekretärin sowie die übernatürliche Schönheit des Models gepriesen.

Neben diesen primären Rollen wird im ganzen Verlauf der Handlung der Unterschied zwischen den männlichen und weiblichen Protagonisten überdeutlich betont. Der Detektiv Cormoran Strike wird beispielsweise als hünenhaft, sehr kräftig und übermäßig behaart beschrieben, ganz im Gegensatz zu seiner zierlichen, blonden Sekretärin, die ihn ständig zu bewundern scheint. Stilisierungen dieser Art finden sich beinahe auf jeder Seite des Buches. Beinahe ebenso häufig lassen sich ausführliche Beschreibungen des Aussehens verschiedener Figuren und eine Bewertung desselben finden. Figuren sind entweder schön, elegant, groß, besonders männlich bzw. weiblich oder sie entsprechen keiner dieser gängigen Normen, besitzen in einigen Fällen auffallend große Zähne, unreine Haut, sind übergewichtig oder schlicht unscheinbar und werden damit zum hässlichen Teil des Personals degradiert. Neben der enormen Anhäufung von Beschreibungen des Äußeren der Figuren steht die eigentliche Charakterentwicklung leider zurück, sodass das Personal trotz ausführlichster Beschreibungen, die phasenweise durch ihre Länge den Fluss der Handlung erheblich stören, letztlich eindimensional und unglaubwürdig bleibt.

Stattdessen besitzt jegliche Art von zwischenmenschlicher Beziehung eine sexuelle Komponente und die Figuren sind dabei bloße Körper, die durch Ge- und Missfallen von sich reden machen. Die häufig auftauchenden Models, männlich wie weiblich, andere Verdächtige, die Sekretärin Robin, selbst die Putzfrau der Wohnung des Opfers werden mit lüsternem Blick betrachtet und die Beobachtungen werden haarklein wiedergegeben, was zunächst unangenehm auffällt, mit zunehmender Seitenzahl jedoch die spärlich gesähten Charakterzüge der Figuren in einem Maß überdeckt, dass es zum echten Ärgernis wird.

Auch die durchweg eingesetzten Soziolekte erscheinen äußerst fragwürdig. Beinahe alle Figuren, die keinen genuin englischen Hintergrund besitzen, sprechen einen mehr oder weniger stark ausgeprägten und scheinbar milieubedingten Dialekt. So beginnt der karibische Wachmann beispielsweise jeden seiner Sätze mit „Yeah …“, was einerseits eine schlechte Übersetzung aus dem Englischen darstellt, ihn aber andererseits deutlich weniger gebildet erscheinen lässt. Mit der konsequenten Verwendung von Soziolekten macht Rowling ein weiteres Hierarchiegebilde innerhalb der Figuren auf: einerseits den gebildeten, reichen, weißen, englischen Teil und andererseits den zumeißt ärmlichen, weniger gebildeten Teil, der beinahe ausschließlich aus Einwanderern besteht. Im Verlauf des Buches bleiben diese Hierarchisierungen unangezweifelt bestehen.

Auch stilistisch lässt der Detektivroman stark zu wünschen übrig. Diverse absurde Metaphern wie „Hatte eine schleimige Flosse diese schimärischen Schleier aus schwarzem Schlick aufgewirbelt, oder waren sie nur bedeutungsloses Gasgeblubber, das irgendwelche Algen abgesondert hatten? War es möglich, dass tief verborgen in diesem Morast irgendetwas lauerte, das sich bisher allen Schleppnetzen entzogen hatte?“, wirken wie zu sehr gewollte Einbrüche von Poesie in eine Sprache, die sonst durchtränkt ist von Fäkalsprache, Drogenjargon und sexualisierter Sprache.

Einzig die reinen Ermittlungsteile, in denen der Leser durch widersprüchliche Zeugenaussagen, falsche Alibis und zufällig gefundene Hinweise immer wieder auf falsche Fährten gelockt und in die Irre geführt wird, wirken stimmig, und so entsteht sogar eine Zeit lang die für Detektivromane typische Spannung, welche zuletzt in einem unerwarteten Ende gipfelt.

Allerdings sind auch diese Anteile des Buchs nicht frei von Mängeln. So wechselt das Wetter beispielsweise im Verlauf des Romans von eisiger Kälte zu Beginn zu derart warmen Temperaturen am Ende, dass der Detektiv sich genötigt fühlt einen Ventilator zu besorgen. Leider wird in einer Passage kaum später in der Geschichte deutlich, dass die Handlung sich über drei Wochen erstreckt und damit einen so rapiden Jahreszeitenwechsel mehr als unwahrscheinlich macht. Zudem werden hin und wieder Namen verwechselt, was zwar in den meisten Fällen glücklicherweise keine große Verwirrung stiftet, insgesamt jedoch dem Eindruck der billigen, schnellen Produktionsweise des Buches zuträglich ist.

Am Ende der Lektüre des Buches bleibt der starke Eindruck zurück, Joanne K. Rowling habe sich bewusst durch Themen und Wortwahl von der Jugendliteratur, die sie so berühmt gemacht hat, distanzieren wollen. Schade jedoch, dass sie ihren erwachsenen Lesern offenbar weniger Interesse an Themen fernab von Äußerlichkeiten zutraut als ihren jugendlichen Fans.

Ein Beitrag aus der Komparatistik-Redaktion der Universität Mainz

Titelbild

Robert Galbraith: Der Ruf des Kuckucks. Roman.
Übersetzt aus dem Englischen von Wulf Bergner, Christoph Göhler und Kristof Kurz.
Blanvalet Verlag, München 2013.
638 Seiten, 22,99 EUR.
ISBN-13: 9783764505103

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