Nach dem Aufstieg kommt der Kampf ums Obenbleiben

Mit „Gangland“ schließt Howard Linskey nahtlos an sein Thrillerdebüt „Crime Machine“ an

Von Dietmar JacobsenRSS-Newsfeed neuer Artikel von Dietmar Jacobsen

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

David Blake hat es geschafft. Nach dem Tod von Bob Mahoney – Höhepunkt von Linskeys Debütroman „Crime Machine“ (2013) – ist er der starke Mann in Newcastle. Und kann es sich leisten, seine Geschäfte von Thailand aus zu überwachen. Wo er es sich an der Seite von Mahoneys Tochter Sarah, die nicht ahnt, dass sie mit dem Mörder ihres Vaters zusammenlebt, in einem mondänen Anwesen wohl sein lässt. Bis es nicht mehr so gut läuft in Mittelengland, Konkurrenz aus dem Norden auf den Markt drängt und irgendjemand den Paten von Newcastle persönlich ins Visier genommen hat.

Auch „Gangland“ thematisiert die Industrialisierung des Verbrechens im Zeitalter von Internet, sozialen Medien und globalisierten Märkten. Blakes Geschäfte laufen, auch ohne dass er jeden Tag die Kasse öffnen und das Kleingeld nachzählen muss. Über sein Imperium, bestehend aus Restaurants, Clubs und Bars, Wellnessoasen und Fitnesszentren, Taxiunternehmen und Wechselbüros, wo er die Einkünfte aus seinen kriminellen Aktivitäten wäscht, wachen andere, mit denen er familiär verbunden ist oder die er gut bezahlt. Kleinere Diebereien fallen da nicht so ins Gewicht. Es kommt ja genügend rein in den Laden durch Drogengeschäfte, Schutzgelder, Massagesalons und einen groß aufgezogenen Escort-Service, von den gelegentlichen Banküberfällen gar nicht zu reden. Gefährlich wird es nur, wenn einer erscheint, der das Ganze beansprucht. Dann ist persönliche Anwesenheit Ehrensache und zur Abschreckung allzu gieriger fremder Finger darf es auch an einer gewissen Brutalität nicht fehlen.

Dass es selbst Gangster keineswegs leicht haben, weiß man spätestens seit der genialen Fernsehserie um den Clan der Sopranos. Alltag und Verbrechen – sie passten durchaus zueinander im Leben des Familienvaters Tony Soprano. Und viel brauchte es nie, damit das eine nahtlos in das andere überging. So ist auch David Blake gezwungen, sein ihm Schutz bietendes thailändisches Asyl mehrmals zu verlassen, um in der Heimat wieder für Ruhe zu sorgen. Was er umso gründlicher tut, nachdem bei einem Mordanschlag sein eigener Bruder nur mit knapper Not und verkrüppelt davongekommen ist.

All das bringt uns Howard Linskey nahe, indem er einmal den Fokus von außen auf das Geschehen richtet, dann plötzlich unvermittelt wechselt und die Leser in den Kopf seines Helden mitnimmt. Das ist literarisch raffiniert, denn so erlebt man das Verbrechen zum einen von seiner Außenseite her, die durchaus schrecklich brutal zu sein vermag. Um nur ein paar Seiten weiter dieselbe Sache aus dem Gesichtswinkel des business-as-usual erzählt zu bekommen und fast mitzufiebern mit dem „Geschäftsmann“ Blake, der sein Unternehmen zwischen Skylla und Charybdis – einem Machtvakuum im benachbarten Edinburgh und den Verrätereien in den eigenen Reihen – hindurchsteuern muss.

„Gangland“ ist spannende Lektüre und Weiterentwicklung des klasssischen Gangsterromans zugleich. Howard Linskey schildert das Verbrechen als einen Wirtschaftszweig wie jeden anderen. Ein Geschäft, dass auf bestehende Nachfragen mit Angeboten reagiert, die andere nicht machen können, dürfen oder wollen. In dem sich unterschiedliche Anbieter bis aufs Blut bekämpfen, um ihr Marktsegment zu sichern. Und das von Zeit zu Zeit von Krisen erschüttert wird, nach denen es weitergeht, als wäre nichts gewesen. In diesem Sinne darf man sich schon auf den nächsten Band dieser modernen Gangstersaga freuen. Denn auch David Blake geht nicht nur gestärkt aus den Verteilungskämpfen hervor. Dass seine Lebensgefährtin am Ende ein Kind erwartet, ist zwar ein Zeichen der Hoffnung, doch relativiert wird es sogleich durch die letzten Sätze des Romans: „Aber ich hoffe, es wird ein Mädchen. Das klingt blöd, aber ich meine es ernst. Wer will schon einen Jungen in eine Welt wie die unsere setzen?“

Titelbild

Howard Linskey: Gangland. Thriller.
Übersetzt aus dem Englischen von Conny Lösch.
Knaur Taschenbuch Verlag, München 2014.
416 Seiten, 9,99 EUR.
ISBN-13: 9783426513972

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