Lust am Töten, Lust am Quälen

Andrea Camilleri erzählt in seinem Roman „Mein Ein und Alles“ eine abstruse Geschichte

Von Georg PatzerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Georg Patzer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Was will er uns denn damit erzählen? Dass eine junge hübsche Frau Sex braucht und alle Männer haben kann, die sie will? (Weil Männer eben scharf auf sie sind?) Dass es in einer Ehe auch schon mal seltsame Vereinbarungen und Verträge gibt? Dass eine gestörte Frau, die mit Puppen redet, dann auch ihre Männer und Sexpartner umbringt?

Auf jeden Fall erzählt das neue Buch von Andrea Camilleri, „Mein Ein und Alles“, eine seltsame Geschichte: Es geht um die 33-jährige Arianna, die ihren reichen und um 26 Jahre älteren Lebensgefährten Giulio de Bellis auf dem Friedhof eines kleinen Dorfs kennengelernt hat. Er hat seine Frau Gianna beerdigt, während sie um ihren Ehemann Vanni trauert. Er nimmt die Verzweifelte mit in die Stadt, lässt sie bei sich schlafen, löst ihre Habseligkeiten bei ihrem Vermieter aus, weil sie völlig abgebrannt ist, und nimmt sie schließlich ganz bei sich auf. Sie leben ganz glücklich miteinander, aber  nach einem Verkehrsunfall kann er nicht mehr mit ihr schlafen. Und deswegen schlägt er ihr vor, dass sie jeden Donnerstag mit einem anderen Mann ins Bett gehen darf, den sie zusammen aussuchen, den er dafür bezahlt. Aber nie öfter als zweimal, und die Männer dürfen sie danach nie wiedersehen. Und er will dabeisein.

Und so wird es gemacht. Aber dann lernt sie den jungen Mario kennen: Er verliebt sich in sie, und sie lässt sich in ihre Begierde  fallen. Sie trifft ihn heimlich, lässt sich von ihm, von seiner Verrücktheit, seiner Kindlichkeit mitreißen und von seinen abstrusen Einfällen verzaubern.

Nach und nach erzählt Camilleri Ariannas Geschichte, von ihrer Lust am eigenen Körper und an toten Tieren: Einmal verletzt sie aus Versehen einen Vogel und fährt danach mit dem Auto über ihn, fasziniert von dem roten Fleck, den sie hinterlassen hat. Und von ihrer Lust, die Männer zu quälen – den einen hat sie beim Sex in der Badewanne einmal so lange unter Wasser gedrückt, dass er fast erstickt wäre, den anderen demütigt und provoziert sie so lange, bis er sie vergewaltigt, was ihr gefällt. Nach und nach erfährt man auch, dass sie schon zwei Männer auf dem Gewissen hat, den einen vergiftet, den anderen erschossen. Und dass sie sich eine geheime Höhle eingerichtet hat, ihr „Ein und Alles“, mit einem Kuhkopf, auf den sie gepinkelt hat, damit er magische Kräfte bekommt, und einer Puppe, mit der sie sich berät.

Es ist eine abstruse Geschichte, die interessant beginnt, mit vielschichtigen Andeutungen und Geheimnissen um das nicht ganz normale Leben der Protagonistin. Aber je mehr Camilleri erzählt, desto unbefriedigender und gehaltloser wird die Story. Sehr sicher und gut geschrieben ist der Roman, mit ineinander verschachtelten Zeitebenen, fragt man sich am Schluss aber nur noch: Was will Camilleri uns eigentlich damit erzählen?

Titelbild

Andrea Camilleri: Mein Ein und Alles. Roman.
Übersetzt von Annette Kopetzki.
Kindler Verlag, Berlin 2014.
160 Seiten, 19,95 EUR.
ISBN-13: 9783463406497

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