Nächstes Projekt: Liebesbeziehung

Dinaw Mengestus Roman „Unsere Namen“ ist eine zähe Angelegenheit

Von Simone Sauer-KretschmerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Simone Sauer-Kretschmer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Eine Frau und ein Mann treffen sich: Sie lernen einander kennen, verlieben sich und beginnen eine Affäre, von der zunächst besser niemand erfahren sollte. Obwohl es in Dinaw Mengestus Roman „Unsere Namen“ keineswegs um gehörnte Ehemänner oder -frauen geht, ist das Schauspiel des Betrugs dennoch ein zentrales Thema dieser Geschichte, die abwechselnd in Amerika und in Uganda spielt. Erzählt wird von Isaac und Ellen, die im Mittleren Westen der USA darum kämpfen, gemeinsam in einem Diner zu Mittag zu essen, ohne dass die Blicke der umstehenden Gäste sie durchbohren und Isaac von allen Seiten deutlich gemacht wird, dass er als schwarzer Mann, noch dazu an der Seite einer weißen Frau, hier nicht erwünscht ist. Doch der Flüchtling Isaac, dessen antiquiert anmutendes Englisch ihm schon bald den Spitznamen Dickens einbringt, hat in seiner Heimat weitaus Schlimmeres erlebt. Und so ist es diesmal ihr Klient, der der Sozialarbeiterin Ellen die nötige Kraft und Ausdauer verleiht, um eine Beziehung zu leben, die sie sich in ihrem bisherigen, zurückgezogenen Leben kaum hätte vorstellen können. Die Zeit der gemeinsamen Realitätsflucht währt allerdings nur kurz, denn plötzlich ist Isaac verschwunden.

Soweit die Rahmenhandlung von Mengestus drittem Roman, die einiges verspricht: Spannung, aufwühlende Ereignisse und eine berührende Liaison zwischen zwei Menschen, die der Irrsinn des Krieges zusammengeführt hat. Leider bleibt der Roman jedoch weit hinter seinen Möglichkeiten zurück. Isaacs Vergangenheit ist geprägt von grausamen Kämpfen in seiner Heimat, in der Gewalt und Schrecken grenzenlos scheinen, ein Land also, das jeder, der irgendwie kann, verlässt. Aber soll das Mengestus Botschaft sein? Wie oft haben wir von bewaffneten Konflikten in verschiedenen Teilen Afrikas gelesen und selbstverständlich sind diese ‚Nachrichten‘ von größter Bedeutung. Doch die Art und Weise der Schilderung von Isaacs Erinnerungen verfestigt das Bild eines Kontinents, gezeichnet von Brutalität und Armut, obwohl schon seit vielen Jahren in der Weltöffentlichkeit darum gekämpft wird, Afrika aus anderen Perspektiven zu zeigen, besonders auch mit den Mitteln der Literatur.

Ellen kümmert sich tagtäglich um die Sorgen und Nöte von Menschen, die, obwohl sie in einem sehr reichen Land leben, dennoch von Armut und Einsamkeit betroffen sind. Ihr eigenes Leben plätschert nur so dahin, bis sich durch Isaac alles verändert. Über die Wahl des Wunschpartners anderer soll man nicht urteilen, aber bisweilen erscheint die Beziehung zwischen den beiden nicht als Liebesgeschichte, sondern als weiteres soziales Projekt von Ellen – mit Extras, versteht sich. Denn sie sichert nicht nur Isaacs Gegenwart; nachdem sie Einblicke in seine Vergangenheit erhalten hat, wird auch seine Zukunft zum Teil ihres Aktionsplans. Schlussendlich lüftet sich natürlich auch das Geheimnis um die wahre Identität Isaacs, dem Leser ist das mittlerweile aber recht gleichgültig, denn erahnen lassen sich diese vorhersehbaren Hintergründe bereits von Anfang an und sind damit letztlich nicht mehr als ein Taschenspielertrick, der mit Fragen nach Identität, Herkunft und dem Gefühl der Fremdheit so wenig zu tun hat wie dieser Roman mit einem ‚Pageturner‘.

Titelbild

Dinaw Mengestu: Unsere Namen. Roman.
Übersetzt aus dem Amerikanischen von Verena Kilchling.
Kein & Aber Verlag, Zürich 2014.
335 Seiten, 22,90 EUR.
ISBN-13: 9783036957029

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