Vor dem Gesetz

Literaturkritik und Wissenschaft im Prüfstand: Neue Studien zum Krimigenre

Von Walter DelabarRSS-Newsfeed neuer Artikel von Walter Delabar

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Das Schöne am Kritikerleben ist, dass man es nicht besser machen muss als der gescholtene Autor, sondern sich mit der Rolle des exemplarischen Lesers, quasi in Stellvertretung, zufrieden geben darf. Dafür gab es große Vorbilder – Alfred Kerr zum Beispiel, man soll ja von den Besten lernen. Was aber zugleich eben auch heißt, dass es nichts ist mit einem gemütlichen Verriss hier, einem lässigen Lob dort. Kritik ist Arbeit, vor allem dann, wenn es weder ein langweiliges Referat noch ein nichtssagendes Gerede werden soll.

Das gilt erst recht dann, wenn die Kritik sich einem Genre verschreibt, das relativ enge Vorgaben an Plot, Struktur und Stil hat wie der Krimi. Im Unterschied zur Hochliteratur steht (meist) im Zentrum ein bestimmter Vorfall, das Verbrechen, und die Handlung ist seiner Aufklärung gewidmet. Wahlmöglichkeiten bestehen in der Hinsicht, dass man Tat und Täter offen benennen kann – oder eben nicht. Der Autor kann verraten, dass die Tat am Anfang oder am Ende steht und dergleichen mehr. Also nicht allzuviel.

(Allerdings: Dass es auch ganz andere Strukturen im Genre gibt, zeigt nicht zuletzt Patricia Highsmith, aber das vernachlässigen wir jetzt einmal.)

Auch ist die Stillage stark dem sogenannten Realismus verpflichtet, wie er in den Texten vor allem der hard boiled-Schule vorexerziert wurde: Das Geschehene muss nachvollziehbar sein, selbst wenn die Plausibilität – wie bei einem der Großmeister des Genres, Edgar Allan Poe – arg auf die Probe gestellt wird.

Aber wem ist das gesagt? Und vor allem: warum?

Bei der Literaturkritik führt der Krimi bis heute ein Mauerblümchendasein. Ja, die „Zeit“ publiziert seit Jahren die Krimibestenliste, die von Tobias Gohlis betreut wird, jetzt hat auch die FAZ ihre Krimiseite, und im Netz tut sich immerhin einiges (Crimicouch und anderes). Dennoch, Krimis sind bis heute im Feuilleton wie in der Wissenschaft eher Marginalien, deren Besprechung als Trittbrett für die große Medien- oder Wissenschaftskarriere denkbar ungeeignet ist. In den frühen 1990er-Jahren warb der Berliner Literaturwissenschaftler Peter Nusser noch in einem gleichermaßen flammenden (ja, das konnte er) wie resignierten Plädoyer für eine literaturwissenschaftliche Beschäftigung mit der Unterhaltungsliteratur. Meines Wissens ist keiner seiner Zuhörer seiner Aufforderung gefolgt – einmal ganz abgesehen davon, dass es ohnehin nur wenige waren, die sich damit abgaben.

Allerdings verstärkt sich der Eindruck, dass sich das Genre respektive die Beschäftigung mit ihm mittlerweile um die Anerkennung der respektablen Wissenschaft kaum noch scheren muss. Allein im letzten Jahr sind drei Bände mit „Tatort“-Studien erschienen, in denen sich Literatur-, Medien- und Kulturwissenschaftler um die sonntägliche Fernsehstunde kümmern. Einige Jahre zuvor hat der Bielefelder Transcript-Verlag sogar einen Sammelband zum Topos der „Tatort“-Serie publiziert.

Der von Anna Häusler und Jan Henschen herausgegebene Sammelband zum „Topos Tatort“ könnte sogar als eine Startschuss der „Tatort“-Studien gelten. Er hat allerdings einen anderen Fokus, der allgemeiner ist: den Tatort selbst, der im Krimi-Narrativ eine große Rolle spielt, als Ausgangspunkt, als Orientierung, als Initiationspunkt. Mit einer Mutmaßung komme der Tatort in die Welt, kennzeichnen die Herausgeber den Ausgangspunkt ihrer Überlegungen (die freilich mit diesem Band kaum als abgeschlossen gelten können). Er sei Projektionsfläche für Spekulationen und Imaginationen, konventionell gesprochen ist er der Ausgangspunkt der Aufklärung, die an ihm auffindbaren Elemente werden zu Spuren gewandelt und sollen beides, den Tathergang rekonstruieren und den Täter identifizierbar machen. Dass dafür der Tatort erst überhaupt konstruiert werden muss, vor allem, wenn er das Zentrum medialer Erzählungen sein soll, ist naheliegend. Damit aber nicht genug, in einer Gesellschaft, in der die Tat einen derart zentralen Raum einnimmt, dass ihre extremste Form, der Mord, zum Paradigma werden kann, ist der Tatort nicht minder aufgewertet. Es mag dabei ein Zufall sein, dass das TV-Format, das (fast) allsonntäglich seine Jünger anlockt, den Tatort im Titel führt.

Allerdings ist der Tatort eben nicht derart menschenleer, wie dies Joke de Wolf in ihrem Beitrag über die frühe Fotografie und ihre Interpretation als Tatortfotografie vorstellt. Eine Überlegung, die unter anderem (aber eben nicht originär) auf Walter Benjamin zurückgeht. Die vor einigen Jahren veröffentlichten Tatortfotografien des LAPD Archivs („Scene of the crime. Photographs from the LAPD archive.“ New York: Abrams 2004) zeigen ein anderes Bild, was allerdings die Überlegungen zur Kontamination von Fotografie und Verbrechen nicht suspendiert.

Dass die Tat und ihr Ort eng miteinander verbunden sind, zeigt aber nicht zuletzt der einleitende Text von Alf Lüdtke über dessen Bürostapel – wohl der amüsanteste Beitrag des Bandes überhaupt. Der Text zum Staub von Uwe Nettelbeck, der hier nachgedruckt wird, zeigt freilich auch, wie weit sich heute die kulturwissenschaftliche Forschung von jenem heuristischen Optimismus entfernt hat, den noch die (trotzdem äußert fruchtbare) Studie Nettelbecks bestimmt: Als ob es Spuren ohne das Narrativ, also letztlich ihre Imagination, geben würde, und als ob sie ohne weiteres Aufschluss über Tat, Tathergang und Täter geben würde. Das zeigt auch der Beitrag über Schillers Pariser Ermittlungen (Stephan Gregory), in dem schon für diese frühen Texte deren erkenntnisleitender Charakter vorgeführt wird. Dies wird auch bei den Beiträgen erkennbar, die die medialen Krimiverarbeitungen vorstellen (meist am „Tatort“ oder am „Polizeiruf 110“ von Wolfgang Struck, Daniel Eschkötter und Rembert Hülser). Wie voluntaristisch und von wie vielen Prämissen abhängig die Ermittlung eines Tathergangs jedoch ist, führt David Sittler am Exempel der Rassenunruhen in Chicago im Jahr 1919 vor.

Den erkenntnisleitenden Charakter des Kriminalgeschehens hat die rege Doderer-Forschung wahrgenommen und mit einem Aufsatzband zu Heimito von Doderer als Krimi-Autor ins rechte Licht gesetzt. Ein erstaunliches Unternehmen, wenn man bedenkt, dass Doderer beim besten Willen nur einen auch nur halbwegs als Krimi zu lesenden Roman geschrieben hat, der immerhin einen klingenden Titel trägt: „Ein Mord den jeder begeht“ (1938). Am Ende war es ein Unglücksfall, gepaart mit Übermut, was aber weder die Gestaltungslust des Autors, noch die Interpretationsfreudigkeit der Exegeten behindert hat. Die Exposition des Falles ist jedenfalls aufschlussreich und bekannt: Eine Tote wird in einem verschlossenen Eisenbahnabteil aufgefunden. Woher also kam der Mörder? Und ist es überhaupt ein Mord? Der von Gerald Sommer und Robert Walter herausgegebene, dickleibige Band behandelt im größeren Teil nur diesen einen Roman (wobei im zweiten Teil Texte zur „Strudlhofstiege“ und weitere Themen folgen, die einem Jahrbuch einer Autorengesellschaft gut anstehen). Das ist gewagt (und gewonnen?).

Gewonnen. Allein schon der Blick auf Doderers Ansatz bei diesem Roman zeigt, wie flexibel das vorgeblich so enge und starre Gerüst des Genres ist. Doderer hatte mit seiner Wahl eben mehr vor, als nur einen Krimi zu schreiben, wie Martin Loew-Cadonna zeigt. Thomas Wörtche nun sucht seinerseits die Überschneidungen des Genres mit diesem Text des mittlerweile anscheinend wieder allzu stark vernachlässigten österreichischen Autors. Stefan Schäfer bindet den Roman immerhin und nicht unerwartet an Poes klassischen Mord-Roman und zeigt ihn als Variation. Und auch Joachim Linder (einer der wichtigsten wissenschaftlichen bundesdeutschen Krimiexperten, der 2012 verstorben ist) verweist darauf, wie sehr Doderer dem zeitgenössischen Krimigenre verpflichtet ist. Roman und Fall werden juristisch gewürdigt und anthropologisch betrachtet. Es wird Spurensicherung betrieben und es werden die „Strategien der Spannung“ untersucht. In 20 Beiträgen und eine Bibliografie wird der Roman auf den Kopf gestellt, gedreht, gewendet und immer wieder aufs Neue durchforstet – was er schließlich, und das ist so erstaunlich nicht, auch tatsächlich verträgt.

Nimmt man auch nur einige jüngere Publikationen der letzten Jahre dazu – Boltanskis Studie zum Rätsel oder Josef Hoffmanns Krimi-Philosophie-Sichtung, so ist die intellektuelle Beschäftigung mit dem Krimi recht rege, auch wenn es in den vergangenen 30 Jahren nie gelungen ist, ein eigenständiges Krimi-Magazin auf die Beine zu stellen. Im Netz mögen die einschlägigen Seiten (Krimi-Couch, Europolar) hinreichend viele Besucher finden, Käufer und Leser haben die gedruckten Magazine dieser Dekaden nicht gefunden. Die Krimi-Szene will Krimis lesen und weniger über Krimis. Und was in der Literaturwissenschaft geschieht, interessiert mittlerweile eh niemanden.

Das lässt vermuten, dass die Krimi-Szene sehr viel stärker von ihren Lesern getrieben wird als von medialen Multiplikatoren. Zwar gibt es keinen derartig extraordinären Fall wie die „Shades of Grey“-Reihe in der Krimi-Szene. Aber sie ist dennoch voller Überraschungserfolge. Der letzte große dieser Erfolge war sicherlich Andrea Maria Schenkels 2006 erschienener Roman „Tannöd“, der die unbekannte Autorin mit einem Schlag bekannt machte und den kleinen Nautilus-Verlag erfolgreich. Bis 2009 sollen 1 Million Exemplare des Titels verkauft worden sein. Ein phänomenaler Erfolg, der bestenfalls von der Kritik begleitet und von der Literaturwissenschaft nachvollzogen und analysiert werden kann. Er wird von anderen Akteuren gemacht.

An diesen Extremen des Literaturbetriebs entwickelt sich ein Erkenntnisinteresse, das nach dem Zusammenhang von literarischer Produktion, feuilletonistischer Kritik und Literaturwissenschaft fragt. Allerdings zugleich mit dem Reflex, warum sich gerade dieses Interesse überhaupt entwickeln muss. Denn zweifelsohne sind Krimigenre und Kriminalroman seriöse Gegenstände literatur- und kulturwissenschaftlicher Untersuchungen. Dass sich größere Teile der Wissenschaft, was das angeht, in Abstinenz üben, ist dabei allerdings nicht nebensächlich, respektive berührt die Frage der Verteilung von Renommee und Position in den Fächern. Beides nämlich wird in der Regel bis heute über Forschungsschwerpunkte vergeben, die dem literarischen Kanon entnommen sind, und nicht nach fachlichem Desiderat oder Notwendigkeit. Mit anderen Worten, es fällt bis heute insbesondere in Deutschland und in der Germanistik leichter, Erfolg zu haben und Karriere zu machen mit einer Kafka-Studie als mit einer Studie, sagen wir, zum Kriminalroman. Zugleich bliebe ernsthaft zu fragen, wieviele Kafka-Spezialisten das Fach noch vertragen kann, ohne völlig den Anspruch aufzugeben, sich mit der deutschsprachigen Literatur (wenn wirs darauf beschränken) insgesamt zu beschäftigen. Dasselbe lässt sich sicherlich auch für die Literaturkritik behaupten – auch hier fallen Popularität des Genres und Aufmerksamkeit in den Schlüsselmedien des Literaturbetriebs entschieden auseinander.

An dieser Schnittstelle könnte, so ist anzunehmen, die Studie von Nele Hoffmann weiterhelfen, gerade weil auch ihr diese Differenzen auffallen, weil eben auch sie wahrnimmt, mit wie wenig Textkenntnis die Literaturwissenschaft über ein Genre zu urteilen versteht. Dabei wäre hier wie immer wieder auf jenen fast schon peinlich alten Text von Leslie A. Fiedler zurückzugreifen, der in seinem berühmten Playboy-Essay 1969 die Langeweile der etablierten Texte der klassischen Moderne und die Brisanz der populären Medien hervorgehoben hatte und der – titelgebend – dazu aufrief, die Grenzen zwischen U- und E-Literatur zu überschreiten und die vorgebliche Lücke zwischen beiden zu schließen. Sie sind Teil ein und desselben kulturellen Kontextes, und deshalb als Gegenstände gemeinhin von gleichermaßen großer Bedeutung.

Demgegenüber konstatiert Hoffmann bis heute eine Vernachlässigung und Abwertung der Kriminalliteratur, führt dies aber nicht auf die Verteilungskämpfe innerhalb des Faches respektive der Fächer zurück, sondern scheint – und hier deutet sich bereits eine merkwürdige Unschärfe der Studie an – an deren Aufwertung interessiert zu sein.

Wenn sich eine These der Studie festhalten lässt, dann ist sie mehrfach gestaffelt formuliert (und ohne Fragestellung): Kriminalliteratur wird in Kritik und Wissenschaft als kommerziell geprägte Literatur verstanden, was ihre Wahrnehmung essentiell bestimmt. Thematischer Kern seien Verbrechen und dessen Aufklärung, der Krimi sei mithin „konstitutiv mit einer Semantik der sozialen Abweichung befasst“. Darüber hinaus weise der Krimi Bezüge zur jeweils aktuellen Gesellschaft auf, soll heißen, der Krimi schaltet sich mehr oder weniger direkt in die gesellschaftlichen Bewertungen nicht zuletzt von richtigem und falschem Verhalten ein. Er diskutiere, was gut oder böse, ungerecht oder gerecht, normal oder abweichend und schließlich sogar männlich oder weiblich sei. Hinzuzufügen wäre noch, dass Hoffmann den Krimi (oder das konventionelle Krimi-Verständnis) als Normierungsgenre versteht. Ziel der Texte sei, so das durchgängige Verständnis insbesondere in der Literaturkritik, die Restituierung der durch das Verbrechen gestörten Ordnung.

Was daraus folgt, versucht Hoffmann im Folgenden anhand von Beispielpaaren zu präsentieren, die sie jeweils aus Texten zusammenstellt, die zwar thematisch zusammen gebracht werden können, jedoch einerseits hohe Auflagen, andererseits als Kritikererfolg gekennzeichnet werden können, ohne dass sie eine größere Öffentlichkeit erreicht hätten. Als Paarung stellt sie Walter Mosley und Liza Cody (die hard boiled-Fraktion), Henning Mankell und Pieke Biermann (der Polizeiroman) sowie Thomas Harris und Derek Raymond (das Serienkiller-Subgenre) zusammen. Jeden der Romane unterzieht sie einer systematischen Untersuchung, die erstens aus einer Präsentation von Biografie des Autors, Werkzusammenhang und Autor-Persona, zum zweiten aus einer Positionierung des Werks im Literaturbetrieb sowie weitergehendem Material besteht. Eine Analyse des Textes steht jeweils am Schluss der Autoren-Abschnitte. Die Kapitel werden anschließend knapp zusammengefasst. Ein Abschlusskapitel mit „Schlussfolgerungen“ bindet die Studie ab.

Keine Frage, Hoffmanns Studie bietet eine ganze erstaunliche Reihe von Fundstücken und Teilüberlegungen, die fruchtbar gemacht werden können. Von stilistischen Schwächen und Schwankungen abgesehen (die Arbeit strotzt vor Verweisen, welche Aufgaben die Verfasserin als nächstes zu erledigen vorhat, und ist zudem voller Redundanzen), bleibt die Frage, ob die Textteile die im theoretisch-methodischen Vorspann angerissenen Fragestellungen tatsächlich aufnimmt und bearbeitet (hier ist Skepsis angebracht). Die Genre-Diskussion, die Hoffmann intensiv referiert, bleibt merklich funktionslos. Ebenso die Skizze der Bourdieu’schen Feldtheorie, die sie eben nicht in einer Analyse der Wahrnehmung und Positionierung im Literaturbetrieb und in der Wissenschaft nutzt. In der Diskussion der fachlichen Beiträge wird die Position der Verfasserin weniger herausgearbeitet als zugeordnet, was deren Relevanz und Plausibilität nicht eben förderlich ist. Auch wird man die Thesen zum thematischen Kern des Krimis eher kritisch sehen: Neben Abweichung und Restituierung von Ordnung, die zweifelsfrei einen Teil der Texte charakterisieren, stehen Irritation und Aufhebung sozialer Normen nicht weniger im Zentrum von Texten des Genres.

In den Kapiteln selbst bleiben die Abschnitte zu Autor, Werk und Position im Literaturbetrieb eher unangebunden und funktionslos. Für die jeweils abschließende Analyse der Texte selbst spielen sie eigentlich keine Rolle. Die zweifellos interessante Aufarbeitung der Vorgeschichte des Erfolgs des Serienkille-Subgenres in den 1980er-Jahren, wird ohne Anbindung an kulturwissenschaftliche Fragestellungen übernommen. Welche gesellschaftlichen Fragestellungen anhand des Subgenres erzählerisch diskutiert werden, bleibt unbeantwortet (das heißt die Antwort ist vergleichsweise banal: es werden Ängste manipuliert, genutzt, geschürt und verarbeitet).

Der Schwerpunkt der Arbeit bilden – naheliegenderweise – die Textanalysen, mit denen Hoffmann spätestens den Wechsel von der Beobachterin der zweiten Ordnung wieder zurück zu der erster Ordnung vornimmt. Sie beobachtet die Texte und nicht die Beobachter der Texte. In diesen Textanalysen nun arbeitet Hoffmann die Konzepte der Texte heraus, mit denen sie sich an die jeweiligen kulturellen Diskurse (männlich-weiblich, normal-abweichend et cetera) anschließen lassen. Das ist diskussionswürdig und in einigen Teilen erhellend, aber insgesamt eben wenig befriedigend. Die Studie leidet daran, dass sich Hoffmann eben nicht hat entscheiden können, welcher Frage sie nachgehen will. Die Frage nach dem Zusammenhang von Text, Kritik und Forschung reißt sie nur an. Die Kreativität einiger Autoren hat sie immerhin in ihren Textteilen vorstellen können, Biermann, Cody, und Raymond sind zweifelsohne höchst interessante Autoren, deren Werk nicht dem Mainstream der Kriminalliteratur verpflichtet ist (aber wir vergleichen Franz Kafka auch nicht dauernd mit Max Brod, ohne damit etwas gegen Brod zu sagen, und vermerken, dass Brod konventioneller ist und Kafka eben nicht mehr).

Aber ein Ergebnis, das irgendwie halbwegs aus einer Fragestellung und den daraus sich ergebenden Zwischenschritten erarbeitet worden wäre, legt die Autorin nicht vor. Die Studie verpufft – möchte man sagen – in ihrer Arbeitsamkeit und in ihrem Gestus. Der Verweis darauf, dass die deutsche Krimi-Forschung insbesondere der angloamerikanischen deutlich hinterherhinkt, macht das nicht besser.

Titelbild

Gerald Sommer / Robert Walter (Hg.): Doderer, das Kriminelle und der literarische Kriminalroman. Zu Heimito von Doderers "Ein Mord den jeder begeht".
Verlag Königshausen & Neumann, Würzburg 2011.
653 Seiten, 68,00 EUR.
ISBN-13: 9783826047145

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Titelbild

Anna Häusler / Jan Henschen (Hg.): Topos Tatort. Fiktionen des Realen.
Transcript Verlag, Bielefeld 2011.
212 Seiten, 26,80 EUR.
ISBN-13: 9783837615104

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Kein Bild

Nele Hoffmann: A Taste for Crime. Zur Wertung von Kriminalliteratur in Literaturkritik und Wissenschaft.
blumenkamp verlag, Salzhemmendorf 2012.
336 Seiten, 35,00 EUR.
ISBN-13: 9783942958059

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