Hard-boiled in Frankfurt

Jakob Arjounis Privatdetektiv Kayankaya und alle seine Fälle in einer Ausgabe

Von Patrick WichmannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Patrick Wichmann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Rund zwei Jahre liegt er inzwischen zurück, der Todestag Jakob Arjounis. Groß war in den Tagen nach dem 17. Januar 2013, als der 48-Jährige seinem Krebsleiden erlag, die öffentliche Trauer. Kein Wunder, war mit Arjouni doch einer der vortrefflichsten deutschen Gegenwartsschriftsteller verstorben. Inzwischen allerdings taucht der Name Arjouni kaum noch auf; es scheint, als sei er im allzu schnelllebigen Literaturbetrieb bereits weitestgehend in Vergessenheit geraten. Gut also, dass der Diogenes Verlag sich seiner Kriminalromane um den eigenwilligen Privatdetektiv Kemal Kayankaya angenommen, und sie nun in einem schmucken Bändchen im Schuber neu aufgelegt hat.

Fünfmal hat Arjouni seinen Kayankaya ermitteln lassen: Von seinem Erstlingswerk „Happy Birthday, Türke!“ (Erstausgabe 1985) über „Mehr Bier“ (1987), „Ein Mann, ein Mord“ (1991) und „Kismet“ (2001) bis zu seiner letzten Veröffentlichung „Bruder Kemal“ (2012) – „Die Kayankaya-Romane“ bilden einen Querschnitt durch das Schaffen Jakob Arjounis. Dabei wird leicht auch die Entwicklung des Schriftstellers selbst deutlich: vom ungestümen, rigoros seine Geschichte erzählenden 21-Jährigen, dem noch die ein oder andere stilistische Schwäche anzumerken ist, zum abgeklärten Autor, der stilsicher und souverän Sujet und Figuren beherrscht.

Seine Figur, das ist eben der titelgebende Privatdetektiv Kemal Kayankaya, der durchaus als deutscher Philip Marlowe oder Sam Spade beschrieben werden darf. Denn Kayankaya tritt als Inbegriff des hard-boiled Detectives auf. Kayankaya ist hart, zynisch, wahlweise betrunken oder verkatert, er macht seine eigenen Regeln und bewegt sich notfalls auch außerhalb der Gesetze, um den Fall zu lösen. Da wird schon mal der reaktionäre Nachbar im Treppenhaus mit einem „Heil Hitler!“-Ruf bedacht oder der Polizist auf dem Revier, der doch eigentlich um wichtiger Informationen willen aufgesucht wird, gleich zur Begrüßung verspottet: „Guten Morgen. Ich bin Kemal Kayankaya, habe zu Weihnachten eine Lizenz für Privatermittlungen geschenkt bekommen und will, nachdem ich Sankt Nikolaus als Schwulen entlarvt habe, nun beweisen, der langhaarige Sohn Gottes war der größte Haschisch-Hippie von Jerusalem.“

Das mag Kayankaya nicht immer gleich zum Ziel führen. Doch so ist diese Figur nun mal, eine „Mischung aus Robin Hood und Bulle“. Und letztlich bringen ihn ein paar Fausthiebe dann doch zumeist ans Ziel. Hard-boiled eben, allerdings nicht in Los Angeles, sondern in Frankfurt, zwischen Äppelwoi und Handkäs mit Musik, zwischen Bankentürmen und Bahnhofsviertel. Es ist diese Melange aus Härte und Humor, die die Kayankaya-Romane auszeichnet.

Hinzu kommt eine gesellschaftliche Dimension, die Arjouni in jedem der fünf Romane verhandelt. Kayankaya mag Deutscher sein, doch sein türkischer Name und sein Aussehen reichen, um an jeder Ecke auf Ausländerfeindlichkeit zu stoßen. Dabei wird Arjouni jedoch nicht moralinsauer, sondern entlarvt augenzwinkernd Heuchelei und Stumpfsinn. Der Nachbar, der ihn in den ersten Romanen noch regelmäßig anfeindet, entdeckt in den nach der Wende veröffentlichten Romanen rasch die Ostdeutschen als den neuen Feind; und die Schmierereien in einer Telefonzelle stehen ohnehin für sich: „Die Türkenschweine sind unser Unklükk – ich bin stols ein Deutscher zu sein!“ Doch auch Umweltaktivismus, Flüchtlingspolitik, Korruption in Politik und Behörden und mehr dergleichen gehören zu Arjounis Themen.

Die fünf Romane um den Privatdetektiv Kayankaya unterhalten prächtig. Denn sie sind schlicht und ergreifend spannende Krimis, mit allem, was dazugehört: Tempo und Spannung, Witz und Charme. Aber durchaus auch mit einigem Anspruch. Und so machen sie Lust auf mehr. Lust auf mehr hard-boiled, vor allem aber Lust auf mehr von Jakob Arjouni, auf diesen viel zu früh verstorbenen Autor, der neben seinem Kayankaya noch das ein oder andere lesenswerte Buch hinterlassen hat.

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Jakob Arjouni: Die Kayankaya-Romane. Happy birthday, Türke!, Mehr Bier, Ein Mann, ein Mord, Kismet, Bruder Kemal.
Diogenes Verlag, Zürich 2014.
1079 Seiten, 29,90 EUR.
ISBN-13: 9783257069006

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