Zwischen Schwarz und Weiß

Malcom Gaskills „kurze Kulturgeschichte“ von Hexen und Hexenverfolgung

Von Andreas BlumeRSS-Newsfeed neuer Artikel von Andreas Blume

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Ob Shakespeares Macbeth oder Rowlings Harry Potter, das Hexenwesen wird nicht nur in der Forschung interdisziplinär untersucht, sondern präsentiert einem wachsenden Publikum seine verschiedenen Facetten auch in belletristischen Publikationen und anderen Medienformaten. Doch das Bild der Hexe wird verzerrt, was einerseits der Popularität der Thematik geschuldet sein mag und andererseits durch substanzlose Definitionsversuche hervorgerufen wird.

Malcom Gaskill, Professor für Geschichte an der University of East Anglia in Norwich, erhebt keinen Anspruch darauf, eine schlüssige Definition von Hexen zu formulieren, sondern will das Phänomen in seiner komplexen Ausformung beschreiben und verstehen. Die vorliegende Monographie ist die 2010 erschienene deutsche Übersetzung des Bandes Witchcraft aus der Reihe „Very short Introductions“ der Oxford University Press. Dem Namen der Reihe entsprechend wird auf relativ knappen Raum ein umfangreicher Überblick über Hexen in verschiedenen Epochen und historischen Bereichen gegeben.

Das Phänomen der Hexen und Hexenverfolgungen, so Gaskill, könne anhand binärer Klassifikationsversuche nicht durchdrungen werden. Der Wortherkunft nach bedeutet ‚Hexe’ „die Zaunreiterin“ und beschreibt ein Wesen zwischen Diesseits und Jenseits, das sich nicht etwa mit dichotomischen Paaren wie „gut und böse“, „jung und alt“ oder „lebendig und tot“ hinreichend erfassen lässt. Vielmehr versucht der Autor „das Liminale“ herauszustellen, „eine Grauzone, bevölkert von Dingen (und Menschen), die keinen eindeutigen Kategorien zuzuordnen sind“. Dafür verwendet er kulturhistorische Begriffe wie „emisch“ und „etisch“, beschreibt das Hexenwesen also aus einer ‚Innensicht’, die die aus den Quellen gewonnenen zeitgenössischen Eindrücke subjektiv vermittelt, und setzt diese in Kontrast zu einer ‚Außensicht’, die der Hexenmystifizierung objektiv und reflektierend gegenüberzustehen versucht.

In acht Kapiteln, die in jeweils drei Unterkapitel untergliedert sind, unternimmt Gaskill den Versuch einer kurzen Kulturgeschichte der Hexe. Er spezifiziert die thematische Verbindung zwischen Mensch, Religion und dem Hexenwesen, indem er beispielsweise mit dem Oppositionspaar ‚Häresie’/‚Orthodoxie’ arbeitet. Dabei werden gesellschaftliche Machtverhältnisse charakterisiert und der Blick wird für ein historisches Tabuthema geöffnet. Immer wieder werden Gegenpositionen angeführt, wobei kontroverse Sachverhalte synthetisiert werden, um das Paradox der Hexe aufzuzeigen und somit die Hauptthese zu begründen, Hexen seien nicht kategorisierbar, sondern nur in ihrer Komplexität verstehbar. Gaskill umreißt die Hochphase der Hexenverfolgungen in der Frühen Neuzeit, beschreibt den justiziellen Umgang mit ihnen und dekonstruiert den sogenannten Hexenwahn. Schließlich werden gegenwärtige Diskussionen über das Hexenwesen referiert und dessen hohe Aktualität aufgezeigt.

Gaskill untermauert seine Ausführungen durch zahlreiche Fallbeispiele, Prozessberichte und mit Hilfe von Abbildungen. Gängige Forschungsdesiderate werden in den Erzählfluss eingeflochten. Gaskills Hypothesen über das Aufkommen des Hexenwesens durch klimatische Bedingungen können jedoch beispielsweise durch Ergebnisse von Walter Rummel teilweise entkräftet oder ergänzt werden, der die Ursache der Hexenverfolgungen eher in ökonomischen und sozialen Konflikten sieht (Die Verfolgung eigener Interessen durch Untertanen. Funktionäre und Herrschaften bei den Hexenjagden im Rhein-Maas-Mosel-Raum).

Dem interessierten Leser wird, ereignisgeschichtlich gesehen, ein großes Informationsspektrum angeboten. Durch das Register, das Abbildungsverzeichnis und den Verweis auf weiterführende Literatur wird die Lektüre transparent und übersichtlich. Für den wissenschaftlichen Gebrauch ist dieses Buch nicht einschlägig. Leider – und das mag dem populärwissenschaftlichen Duktus der Darstellung und/oder der unterschiedlichen Arbeitsweise amerikanischer und deutscher Historiker geschuldet sein – kann der Leser die fachwissenschaftliche Argumentation durch das Fehlen eines Anmerkungsapparates nur bedingt nachvollziehen. Glaubt der Leser den Aussagen Ursula Siepes auf der Rezensionsplattform literaturkritik.de, weist die vorliegende Publikation zahlreiche eklatante Übersetzungsfehler auf, denen nicht wenige zweifelhaft erscheinende Hypothesen geschuldet sein mögen.

Ein Beitrag aus der Redaktion Gegenwartskulturen der Universität Duisburg-Essen

Titelbild

Malcolm Gaskill: Hexen und Hexenverfolgung. Eine kurze Kulturgeschichte.
Übersetzt aus dem Englischen von Ursula Blank-Sangmeister unter Mitarbeit von Anna Raupach.
Reclam Verlag, Ditzingen 2013.
214 Seiten, 19,95 EUR.
ISBN-13: 9783150108505

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