Zusammengekochte Sprachsatire

Kito Lorencs neuer Gedichtband „Windei in der Wasserhose des Eisheiligen“

Von Thorsten SchulteRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thorsten Schulte

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Sinnsprüche und Sprachgebilde an Sprachgrenzen sowie balladenhafte Lieder und satirische Gedichte finden sich im neuen Gedichtband „Windei in der Wasserhose des Eisheiligen“ von Kito Lorenc. Da riecht die Luft nach Bulldozern, jemand pinkelt an eine Denkmalstele und heult wölfisch, ein alter Dichter „kann den Reim nicht halten“ und ein Nichtstuer gibt sich dem Nichtstun hin. Dem lyrischen Ich wird zugerufen, dass es eine Meise habe: „Jetzt endlich sah ich / meine Meise – sie kam / ans Fenster diesen Winter“.

Das ist eine wilde Mischung – zwischen Ironie und Ernst: Bomberpiloten freuen sich auf dem Weg zur Arbeit auf den „Feuerabend“. Kito Lorenc kreiert neue Wörter – den „Feuerabend“, das „Gesichtsbefußtsein“, „Neulust“, „Heringspups-Sprechbläschen“ oder den „Minderheiteneintopf“ als Ergänzung zu Slawenspieß und Zigeunersteak etwa – und spielt mit abgenutzten Wörtern: Selbst die derzeit allgegenwärtige und weit überreizte „Nachhaltigkeit“ findet ihren Platz in seiner Lyrik. Wütend wehrt sich das Gedicht „I love it“ gegen den Fastfood-Ketten-Slogan „Ich liebe es“; hier gehe die Liebe fremd, sinniert das lyrische Ich. Es gebe eben eine allgemeine Sprach-Schluderei, attestiert der Autor.

Kito Lorenc kritisiert einerseits das „Dudengebrabbel“ und ruft andererseits aus: „raus / mit der Sprache: Es stinkt / mir“. Er mahnt sprachliche Toleranz an und fordert gleichzeitig Korrektheit, eine sprachliche political correctness. Dieser Spagat gelingt dem Autor vor allem dadurch, dass er keine Angst vor Absurdem und Humoristischem zeigt. Leichtigkeit gewinnt das Spiel mit der Sprache dann, wenn der Autor zum Beispiel spöttisch den stakkatohaften „Sprechgesang“ einer Dame mit tschechischem Akzent vorträgt, mit dem sie um Telefonsex-Kunden buhlt.

Die Gedichte thematisieren sprachliche Fehlleistungen und überspitzen sie satirisch. In seinen dem Band vorangestellten Bemerkungen „motzt“ der Autor – sic! – auf Sorbisch herum. Aus „Unkenntnis oder Desinteresse“ würden beispielsweise slawische Eigennamen „in neudeutschen Medien“ veruntreut. Diese Verärgerung über Konvergenzprozesse, die in eine sprachliche Annäherung von Varietäten münden, wirkt trotzig. Welche Relevanz subjektive Kriterien für Wandelungsprozesse in der Sprache haben, liegt nicht im Interesse des Autors. Kito Lorenc setzt sich für die sorbische Sprache ein und hat sich bewusst für das Slawentum entschieden: Er wollte sogar mit seinem Namen für jene Minderheit in der Lausitz einstehen: Der Autor wurde unter dem Namen Christoph Lorenz 1938 in der sächsischen Gemeinde Schleife geboren. Bis heute wirbt sein Geburtsort für die Zweisprachigkeit und ringt darum, dass die sorbische Sprache in allen privaten und öffentlichen Lebensbereichen lebendig bleibt. Voller Sorge betrachtet die Gemeinde das Zurückdrängen des Sorbischen durch moderne Einflüsse, insbesondere aber den Einfluss der „Medien“. Lorenc stemmt sich seit Jahrzehnten gegen den Sprachverlust, indem er zahlreiche Gedichtbände veröffentlichte, die vom Zusammenspiel der sorbischen und der deutschen Sprache geprägt sind.

Der Gedichtband „Windei in der Wasserhose des Eisheiligen“ führt diese Reihe des Autors fort. Sorbische Wörter tauchen in den Zeilen auf – bis hin zur „sorbisch-deutschen Abendlesung“. Der Leser kann sich allerdings des Eindrucks nicht erwehren, Kito Lorenc habe alles, was er auf dem Schreibtisch, unter dem Schreibtisch und in verschiedenen Schubladen wiedergefunden hat, geradezu wahllos zwischen zwei Buchdeckel gepresst. Durchsetzt ist der Gedichtband mit „Schmungks“ – „Zusammengekochtem“, Gebilden, die als „widerborstige Sentenzen“ bezeichnet werden. Zitate, allegorische Kurzsätze und satirisches Wortmaterial sind zwischen die Gedichte gestreut worden. Der Lyrikband wirkt nicht ausgereift, unfertig – ein „Windei“, welch passender Buchtitel! Fast ertrinkt der Ernst zwischen Satire und Spott.

Unter dem Titel „Einsatz im Oktober 2009“ thematisiert ein Gedicht den Militäreinsatz in Afghanistan. Zwei Seiten zuvor „gruselt“ sich die „kleine Schwester“ vor der Narbe eines Mitschülers „von dem Spiel / mit der Fundmunition“. Das sind keine humoristischen Themen: Motive des Krieges und des Verlustes der Heimat prägen viele Gedichte von Lorenc. Hier sind sie zwischen Aphorismen geworfen. Sie wirken wie abgelegt und vergessen, eine Struktur der Komposition ist nicht zu erkennen. Vielleicht sollte der Leser aber auch nicht zu viel verlangen. Das Gedicht „Fragment“ fasst es so zusammen: Das Leben „macht mich nicht ernst / noch immer lächle ich ungläubig / vor seinem Ernst“. Und eine Bitte gibt Lorenc seinem Leser und seinem Kritiker noch mit auf den Weg: „Du aber schreibe nicht mehr / als dir einfällt“. Punkt.

Titelbild

Kito Lorenc: Windei in der Wasserhose des Eisheiligen. Gedichte und Schmungks.
Herausgegeben von Jayne-Ann Igel, Jan Kuhlbrodt undf Ralph Lindner.
Poetenladen, Leipzig 2015.
103 Seiten, 16,80 EUR.
ISBN-13: 9783940691668

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