Eine wahre, doch wohl nicht immer ganz wahrhaftige Streiterin für den Frieden

Brigitte Hamanns Bertha von Suttner-Biographie liegt nun auch als Taschenbuch vor

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

„Fighting for peace is like fucking for virginity“, skandierten blumenbehangene Hippies im San Francisco des Summer of Love auf Demonstrationen gegen den Vietnamkrieg. Die österreichische Historikerin Brigitte Hamann würde sich daran wohl kaum beteiligt haben, charakterisiert sie Bertha von Suttner doch im Titel ihrer der berühmten Pazifistin gewidmeten Biographie als „Kämpferin für den Frieden“. Vielleicht hätte ihr die Parole aber doch gefallen. Denn natürlich wird der Begriff des Kampfes in beiden Fällen keineswegs im gleichen Sinne verwendet. Richtete sich der Spruch der Hippies gegen die vermeintlich für Frieden (und Freiheit) kämpfenden amerikanischen Soldaten in Südostasien, so meint der Titel der Biographie den tatkräftigen und auch streitbaren, niemals aber gewaltsamen Einsatz der Pazifistin für den Frieden.

Nun wurde Hamanns ursprünglich 2013 im Wiener Christian Brandstätter Verlag erschienene Biographie Suttners als Taschenbuch neu aufgelegt. Wie für Bücher dieses Genres bekanntermaßen nicht unüblich folgt Hamann dem Werdegang ihrer Protagonistin von der Wiege bis zur Bahre. Im Falle Suttners beinhaltet die Biographie als wichtige Lebensabschnitte etwa die „leichtsinnige Komtessenjugend“ Bertha von Kinskys, ihre „Gouvernantenjahre“, die „bittere Armut im Kaukasus“ der inzwischen verheirateten von Suttner, ihre „ersten schriftstellerischen Erfolge“ und schließlich ihr Engagement in der „Friedensbewegung“, in dem sie „die Aufgabe ihres Lebens fand“.

Dass manche Lebensabschnitte und Ereignisse oder auch Themen, mit denen sich Suttner intensiv befasste, besonders gewürdigt werden, versteht sich von selbst. Suttners literarischer Welterfolg „Die Waffen nieder“ etwa bekommt sogar ein eigenes Kapitel. Ebenso „die Gründung der Friedensvereine“, Suttners „Kampf gegen den Antisemitismus“, „die Haager Friedenskonferenz“, „die Frauenfrage“ und Suttners „Nobelpreis“.

„Die immer wieder aufgeworfene Frage, ob Nobel oder Bertha die entscheidenden Impulse für die Friedensarbeit gab“, beantwortet die Biographin eindeutig. Es war Alfred und nicht von Suttner. Ihn beim Vornamen und sie beim Nachnamen zu adressieren, wäre Hamann allerdings wohl kaum in den Sinn gekommen. Umgekehrt ist es ihr hingegen eine Selbstverständlichkeit. So wie BiographInnen die ProtagonistInnen und die diesen besonders nahe stehenden Personen, zumal die Frauen, ja überhaupt gerne ganz vertraulich beim Vornamen zu nennen pflegen.

Nun ist Hamann zwar in großem Maße auf Selbstzeugnisse Suttners angewiesen, doch zeigt sie sich gegenüber der Wahrhaftigkeit ihrer Protagonistin aus offenbar guten Gründen gelegentlich recht skeptisch. Diese Skepsis und auch die guten Gründe für sie gelten vor allem der offenkundig sehr beschönigenden Schilderung von Suttners Ehe in den Lebenserinnerungen der Friedensaktivistin. Und gerade für ihre Autobiographie nahm Suttner selbst in Anspruch, sie solle „wahr sein, ganz wahr!“ Hamann aber verweist darauf, dass etwa das „auffällige Fehlen von Berichten über die georgische Zeit“, aus der keiner der zahlreichen Briefe von Suttner und ihrem Mann an dessen Familie oder an Bertha von Suttners Mutter erhalten ist, „nur auf Bertha selbst zurückgehen“ kann. „Als sie ihre Memoiren schrieb, sichtete sie die Papiere und hob nur das auf, was ihre eigene, recht idyllische Schilderung stützte. Sehr bewusst bereitete sie künftigen Biografen das Material auf, mit dem sie zu arbeiten hatten.“

Das klingt recht quellenkritisch. Allerdings scheint die Biographin nicht immer in dem notwendigen Maß zwischen der Beweiskraft, die unterschiedliche Textsorten als Belege für Tatsachenbehauptungen haben können, zu unterscheiden. Dies lässt zumindest eine Bemerkung Hamanns vermuten, die besagt, für die Zeit, die das Ehepaar im Kaukasus verbracht habe, sei ihr aufgrund fehlender anderer Quellen „keine andere Möglichkeit“ geblieben, „als sich nach den beiden aus Berthas schönfärbender Feder stammenden Quellen (den Memoiren und dem Eheroman ‚Es Löwos‘) zu richten.“ Sie wird doch den Roman nicht als Quelle gleichen Grades genommen haben wie die Memoiren? Ihre Rede, er sei schönfärbend, lässt genau das befürchten. Dabei ist ein Roman doch eo ipso fiktional.

Hamann referiert den Plot einiger anderer Romane ihrer Protagonistin recht ausführlich. So etwa „Das Maschinenzeitalter“, das die Biographin zu den wenigen „anspruchsvollen“ Büchern rechnet, an denen sich Suttner „versuchte“. Hamann zufolge hat Suttner „den Ehrgeiz“ besessen, „mit ihren Büchern aufzuklären, zu erziehen, etwas in Bewegung zu bringen“. So habe sich schon bald „ihr künftiger Weg zum Tendenzroman“ angedeutet. Dabei schätzt Hamann die literarische Kunstfertigkeit und Gestaltungskraft Suttners insgesamt recht gering und fällt ein Urteil, das man als Vorurteil gegenüber von Frauen verfasster Literatur nur allzu oft zu hören bekommt. Denn sie erklärt, Suttner „konnte nur über das schreiben, mit dem sie durch und durch vertraut war“. Daher „enthielten“ ihre Romane „Unmengen von authentischem autobiographischem Material“. So seien Suttners Tagebuch und ihre Romane gleichermaßen „gelebtes Leben“. Damit mag Hamann zwar im Mainstream der Suttnerforschung mitschwimmen, doch keine geringere als Marlene Streeruwitz hat einer solchen Sicht auf Suttners literarisches Schaffen unlängst heftig widersprochen.

Zu den ZeitgenossInnen, die Bertha von Suttner und ihre Arbeit sehr zu schätzen wussten, zählten auch KollegInnen der schreibenden Zunft, unter ihnen ein gern gelesener, aber nicht selten belächelter Autor: Karl May, der Suttner in den Figuren Taldscha und Aschta seines vermutlich bekanntesten Romans, „Winnetou“, ein literarisches Denkmal setzte, wie man aus dem vorliegenden Band erfährt. Brigitte Hamann wiederum trägt mit ihrer Biographie dazu bei, die Erinnerung an die acht Tage vor dem Attentat von Sarajewo im Alter von 71 Jahren verstorbene große Streiterin für den Frieden auch im 21. Jahrhundert wachzuhalten.

Titelbild

Brigitte Hamann: Bertha von Suttner. Kämpferin für den Frieden.
Piper Verlag, München 2015.
320 Seiten, 12,00 EUR.
ISBN-13: 9783492304696

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