„Bei Gesprächen hineingestreut wie Gastgeschenke“

Hannah Arendts Gedichte sind in der Sammlung „Ich selbst, auch ich tanze“ als ‚Spuren‘ zu entdecken

Von Maria BehreRSS-Newsfeed neuer Artikel von Maria Behre

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Man wusste, dass Hannah Arendt Gedichte geschrieben hat. Elisabeth Young-Bruehls Biographie For Love of the World (1982) offenbarte dies – was auch nur wenige Vertraute zu ihren Lebzeiten wussten – im Kontext der Lebens- und Denkgeschichte. Der Briefwechsel mit Heidegger aus den Jahren 1925 bis 1975, veröffentlicht 1998, stellte die Gedichte in einen Zusammenhang mit einer Liebesgeschichte, die Verschlüsselung benötigte. Die Gedichte finden sich dort unter der Rubrik „Zusätzliche Dokumente aus den Nachlässen“ als „Gedichte von Hannah Arendt aus der Zeit 1923 bis 1926“. Dabei erging das apodiktische Urteil, dass sie weniger schön als diejenigen Heideggers seien. Die Einfachheit ist aber gewollt, wenn man beispielsweise das zweite Gedicht vom Winter 1923/24, „Im Volksliedton“, in Betracht zieht. Durch die Veröffentlichung des Denktagebuchs aus dem Zeitraum 1950 bis 1973 im Jahre 2002 konnte das ganze Ausmaß der Produktion erahnt werden, nicht nur die Gedichte an Heidegger aus der „Sturm und Drang“-Phase, wie sie Young-Bruehl bezeichnet, sondern das Gedicht als versteckter, verschlüsselter Ausdruck des „privaten Gesichts im öffentlichen Leben“, nach ihrem Freund, dem Dichter W. H. Auden, „private faces in public places“ (und nicht umgekehrt).

Jetzt sehen wir die Gedichte, sehnsüchtig erwartet und mit acht unbekannten Texten sowie zahlreichen Varianten, notgedrungen ohne Kontext, dafür jedoch in einer erstmaligen Gesamtausgabe: Ich selbst, auch ich tanze. Dass einige Literaturkritiker in großen Tageszeitungen enttäuscht sind, ist ungerechtfertigt. Hannah Arendt, im Augenblick, besonders seit 2011, in der historischen, soziologischen, politisch-theoretischen und jetzt auch didaktischen Forschung en vogue und seit der Jahreswende 2012/13 durch einen wunderbaren Film Margarethe von Trottas als weibliche Denkerin präsent, soll – so könnte man fast glauben – doch nicht als Dichterin entdeckt werden. Vielmehr hält Arendt, gegen eine vereinseitigte Philosophie, nach ihrem Vorbild Aristoteles die Poesie wie die Praxis des Lebens in ihrer Pluralität hoch; sie schafft Gedichte gegen die „Schrumpfung von Ausdrucksmöglichkeiten“ in der Philosophie, die Vittorio Hösle erfolgreich am Beispiel des Philosophischen Dialogs (2006) erwiesen hat. Gedichte sind für Arendt nicht nur etwas Privates – im Ausdruck von Liebes- oder Reise-Passionen im Postkarten-Format – oder etwas Politisches – im Pamphlet-Appell –, sondern philosophische Darstellung der Liebe zur Welt in einer freien Zuwendung im Sinne eines amor mundi. Damit sind die Gedichte „die entscheidende Wendung der Philosophie zum wirklich tätigen Leben“, wie Heinrich Blücher Arendts Gedanken während der Entstehung des Hauptwerks Vita activa zusammenfasst.

Von Benjamin gewinnt Arendt die These, dass er, „ohne ein Dichter zu sein, dichterisch dachte“. Wie kann der Gedichtband in dieser Bedeutung erkannt werden? Nur durch Kommentierung, und mit dieser soll hier einfach begonnen werden – in der Hoffnung, dass nach dem Kontext der Gedichte in der Werkgeschichte gesucht wird und dadurch eine Lektüre und ein Gespräch von Lesenden entstehe. Begonnen wird also auch in umgekehrter Richtung zur Buch-Ankündigung, die da lautet: „Der Gedichtband muss wie ein sprachlich betörender, oftmals poetisch origineller Kommentar eines Schaffens gelesen werden, das sich ganz dem leuchtenden Widerstand gegen finstere Zeiten verschrieben hatte“. Vice versa erscheint Arendts Schaffen als philosophisch origineller Kommentar zu ansonsten nicht so interessanten Gedichten, es gibt Licht für manches sonst leider dunkel Bleibende.

Sigrid Weigel vertritt 2005 die interessante These von der „Dichtung als Voraussetzung für Philosophie“ in Bezug auf Arendts Denktagebuch, sie erwähnt allerdings nur Gedichte als autobiographisches Schreiben in Bezug auf Heidegger und geht der „Metaphern-Spur des Herzens“ zur Veranschaulichung von „Liebe als Passion“ nach, einem Luhmann-Titel, Arendts Dissertation zum Liebesbegriff bei Augustin könnte auch Begriffe bieten. Hier möchte ich weitergehen und die „Metaphern-Spur der Hand“ aufzeigen, fragend, ob sich Weigels These umkehren lässt im Sinne einer ‚Philosophie als Voraussetzung von Dichtung‘.

Schon Young-Bruehl bezeichnet die Gedichte der Zeit von 1951 an, vorrangig das mit „Die Gedanken kommen zu mir“ betitelte Gedicht 39, als Kurzfassung des Gedankengangs oder Keimworte zum Werk mit dem dreifachen Titel: „The Human Condition / Vita activa / amor mundi“ – ursprünglich inspiriert durch John Locke unter dem Titel „The labor of our body and the work of our hands“ (1955, in: Arendt/Blücher). Damit liege nach Young-Bruehl Arendts philosophischer Ansatz ihres Hauptwerkes in ihren Gedichten vor, mithin eine vergessene, unentdeckte Textgattung, die auch ihren Freunden unbekannt blieb und die über die Gedichte an Heidegger erheblich hinausgeht. „Die Gedanken kommen zu mir, / ich bin ihnen nicht mehr fremd. / Ich wachse ihnen als Stätte zu / wie ein gepflügtes Feld.“ Die Variante „bebautes Feld“ weist auf den Kontext des Gespräches mit Heidegger. Über die Kulturleistung des Be-Ackerns, des Dichtens als Bauens, Wohnens und Denkens, gibt auch das Gedicht 49 Aufschluss mit den Schlussversen „Gedichtetes Wort / ist Stätte, nicht Hort“. Die Stätte ist – auch nach Heidegger – die Polis, als offener Raum ohne Begrenzungen.

Sicherlich ist die Präsentation der acht bisher unveröffentlichten Gedichte ein Verdienst, aber die im Nachlass vorhandene Dreiteilung der Gedichte in drei Sammlungen hätte beibehalten werden sollen (einen Sonderfall stellt freilich Gedicht 30 dar: Erstfassung 21. Juli 1947, Zweitfassung Juli 1947, Drittfassung Juni 1950, Viertfassung 1954):

(A) die frühen Gedichte von Winter 1923/ 1924 bis Winter 1925/ 1926 (maschinenschriftliche Sammlung 1 von 1925 [?]: Gedichte 1–21),

(B) die Gedichte vor dem Denktagebuch, vom Oktober 1942 bis Juli 1950 (handschriftliche Sammlung 2 von 1950: Gedichte 22–29, 31f., 34f., nur in Sammlung 2 sind Gedicht 23, 31f., 34f., darin aber auch Zweit- und Drittfassung von Gedicht 30)

(C) die Gedichte im Denktagebuch, vom Februar 1951, Heft III, bis Januar 1961, Ende Heft XXIII (handschriftliche Sammlung 3 = Marbacher Teil-Nachlass bis 1961, nur in dieser sind Gedicht 37, 43, 46f., 58–71, und maschinenschriftliche Sammlung 4 von 1954 [41-45, 48-52, 54, 56 sowie 22, 24-28, 30], diese Fassungen werden jeweils gegenüber denen von Sammlung 3 gedruckt, nur in Sammlung 4 ist die Viertfassung von Gedicht 30).

In vielen Gedichten tritt die Hand-Chiffre besonders heraus, das soll hier Leitlinie sein. Gedichte re-integrieren Sinnlichkeit in die Philosophie, diese war dem Denken nach Arendt durch dessen Trennung vom Dichten und den Cartesischen Zweifel ausgetrieben worden. An den Grenzen des Denkens kommt das Dichten erst zum Vorschein. Der Ort eines common sense soll wiedergefunden werden, nach Kant die „Urteilskraft“ als „Teilnehmungsgefühl“ (Denktagebuch). Es geht nicht nur um Logik und Rechnen mit Konsequenzen, wie in der Philosophie seit Hobbes. Vielmehr könne die antike Einheit von Denken und Dichten, wie sie noch bei Hölderlin als Ideal vergegenwärtigend gestaltet wird, wiedergewonnen werden. Darüber hinaus könne die Unzulänglichkeit des Handelns, die „Nichtigkeit des Handelns“ durch „Dauer“ in „poetry [or body politic]“, Poesie [und politischen Körper], im reflektierenden Gespräch darüber ausgeglichen, kompensiert werden (Denktagebuch).

Hier sollen exemplarisch nur die Gedichte als Textsorte herausgegriffen werden, die Arendts Anthropologie unterstützen. Es ist eine Anthropologie des Handelns unter dem großen Symbol der Leiblichkeit, der Hand. Der Begriff „Leiblichkeit“ ist im Englischen durch drei Termini vertreten: ‚corporeality‘ ‚corporeity‘ und ‚bodiliness‘, heute wird von der sinnlichen Erkenntnis als ‚embodied cognition‘ gesprochen. Ingeborg Nordmann, Herausgeberin der Briefsammlung Wahrheit gibt es nur zu zwein. Briefe an die Freunde (2013), spricht von „Leiblichkeit“, Arendt – hierauf weist Nordmann hin – wörtlich in ihrem Jaspers-Nekrolog von „Leibhaftigkeit“: „Irdische Menschen bedürfen der Leibhaftigkeit“, Jaspers habe das Menschsein als „Begriff oder Ideal“ „leibhaftig verkörpert“, in der „Dreieinigkeit“ von „Vernunft, Freiheit, Kommunikation“. Hierin grenzt sich Arendt mit Jaspers von Heidegger ab: Das Selbst bzw. die „Selbigkeit“ ist nicht eine „innerliche Gegebenheit“, sondern eine „leibliche“, wie es im Denktagebuch und in Nordmanns Briefsammlung heißt, das Innerliche sei nämlich nur „schlechte Metaphysik“.

Gedichte, als Textsorte genommen, seien dabei noch leiblicher als andere, z. B. erzählende Texte. Sie würden bei Gesprächen „hineingestreut […] wie Gastgeschenke“, wobei es sich um ein Zitat des befreundeten Dichters Robert Lowell handelt. Sie seien – so Hahn weiter – jeweils personal zuzuordnen, „vervielfältigen […] die Möglichkeiten des Sprechens“ und „setzen […] Unterbrechungen in die Verschwommenheit des Alltags“. Sie repräsentieren den Zusammenhang von Dichten und Denken in besonderer Weise; sie vermitteln „ein gutes Gefühl“, weil in ihnen das Eigene, zu Direkte „ins Unsichtbare und Lesbare verwandelt wird“, so Arendt in einem Brief an Uwe Johnson, eine Formulierung in einem ‚sehr dichten Satz‘, um „gleichsam in den Mittelpunkt der Dichtung“ einzusteigen.

Mary McCarthy fragt Arendt im Briefwechsel „Im Vertrauen“ nur ein einziges Mal nach dieser Ausdrucksform: „Und hast du im Krankenhaus deutsche Gedichte geschrieben?“ Arendt erlitt einen lebensbedrohlichen Autounfall am 19. März 1962, den sie folgendermaßen analysiert: „Das Wichtige war, daß ich einen flüchtigen Augenblick lang das Gefühl hatte, ich hätte es selbst in der Hand, zu entscheiden, ob ich leben oder sterben wolle“; deshalb auch rekapituliert sie als Gedächtnis-Selbsttest das ihr Wichtige, das auswendig Gesagte und damit inwendig Gewusste, eben griechische Worte und auch „Poesie“. Zu diesem Zeitpunkt hatte ihre eigene Gedicht-Produktion offensichtlich schon aufgehört, da nach dem Januar 1961, d. h. vor Antritt der Reise zum Eichmann-Prozess am 7. April 1961, keine Texte mehr überliefert zu sein scheinen.

Das Nachwort des Bandes ist von der renommierten Literaturwissenschaftlerin Irmela von der Lühe erstellt worden. Sie ist ausgewiesen als Hannah Arendt-Forscherin zur Biographie als Versuch über weibliche Intellektualität sowie zur Narrativität nach der Shoah und im Exil. Deshalb ist zu bedauern, dass in Ich selbst, auch ich tanze nur wenige Gedichte im Nachwort erläutert werden: Gedicht 7, 22, 40 und 48, 2 und 4, 49 bzw. 63. Dadurch wird der Eindruck vermittelt, dass Kontake zu Bezugspersonen wie Heidegger, Benjamin, Broch und Blücher dominanter Anlass zum Dichten gewesen seien, also Gedichte als Lob für die ihr nahestehenden „Repräsentanten eines ‚dichterischen Denkens‘“, Ausdruck von Liebespassion, Totengedenken oder Teilhabe an Reise-Empfindungen. Von Arendt selbst als Repräsentantin eines dichterischen Denkens ist aber nicht die Rede. Dabei dominieren Gedichte als Begriffsfindung, Wortprüfung, Metaphern-Genese, kritische Meta-Reflexion, inter- und intrasubjektives dialogisches Philosophieren zur Vita activa und zu „amor mundi“. Das „Gedankending“-Gedicht ist – nach Vita activa – dabei weniger produktionsästhetisch als vielmehr rezeptionsästhetisch interessant. Das Gedicht ist zwar nicht nur vergängliche Arbeit (untere Tätigkeits-Ebene des animal laborans), sondern handwerklich dauerhaft Hergestelltes, als Kunstwerk eines Produzenten, „Schriftstellers“ (mittlere Tätigkeits-Ebene des homo faber). Es ist als ‚Gastgeschenk‘ Vorverweis und Versprechen eines noch nicht Gelungenen, etwas Erstrebtes und doch nur Geschenktes, geschenkt zur Rezeption im Gespräch mit Freunden, der freundlichen Aufnahme, auf der Suche nach einem ästhetischen und politischen sensus communis (höchste Tätigkeits-Ebene des zṓon politikón, das per se nur in Pluralität, eben in der Polis existiert, im sprechendem Handeln und handelndem Sprechen).

Es finden sich kleine Fehler in der Ausgabe: zu Gedicht 1, bei Young-Bruehls Biografie (deutsch) „brichts“ statt „bricht“, zu Gedicht 3 bei Young-Bruehls Biografie (deutsch) „S. 78 und letzte Strophe nochmals S. 92“ statt „S. 78“, zu Gedicht 4 bei Young-Bruehls Biografie (deutsch) „S. 80“ statt „S. 80 und letzte Strophe nochmals S. 92“, zu Gedicht 6 bei Young-Bruehls Biografie (deutsch) „S. 82“ statt „S. 80“, zu Gedicht 12 schon im Heidegger-Briefwechsel-Anhang die Titel-Korrektur „In mich versunken“ statt „In sich versunken“, nach dem textkritischen Hinweis im hochkarätigen literaturwissenschaftlichen Aufsatz zu Arendts Gedichten Hand-Schrift und Körper-Leib von Ottmar Ette aus dem Jahr 2002, zu Gedicht 44 lautet die von Blücher vorgeschlagene Variante „sonne spinnt in warmen ketten“ statt „sonne spinnt die sanften ketten“, letztere erscheint so nur im Denktagebuch. Zudem ist der Zusammenhang zwischen Gedicht 49 mit dessen Fassungen von 1952/1954 und Gedicht 63 von 1956 nicht hergestellt worden.

Es ist unklar, warum vorhandene Informationen wie die Ortsangaben neben den genannten Datierungen im Denktagebuch – hier genügt ein Blick auf die dort genannten ‚jeweiligen Aufenthalte‘ – nicht aufgenommen werden: S. 62: New York; S. 64: Amsterdam, Rotterdam, Den Haag, Harlem, Delft; S. 65: Kiel; S. 68: Palenville; S. 69: Princeton; S. 71: Evanston. Zu Gedicht 30 hätte der Hinweis Blüchers im Brief vom ca. 25. Juli 1947 („Das Gedicht des Hausdichters ist sehr schön, wenngleich ich es nicht ganz verstehe; aber es hat einen nächtlichen Reiz und prägt sich stark ein. Es ist so viel von Dir darin, man sieht Dich richtig laufen“) zum Verständnis der Bearbeitungen geholfen. Zu Gedicht 40 an Hermann Broch ist der Titel „Überleben.“ [!] nicht sofort erkennbar sowie das Denktagebuch-Abschluss-Notat „Das umgedrehte Fühlen ist doch wie ein Dolch, den man im Herzen umdreht“ doch sehr kontextrelevant. Zu Gedicht 45 ist nicht erkennbar, dass das Denktagebuch-Notat als bisherige Druckfassung keinen Titel trägt – der in seiner Besonderheit erst verständlich wird durch den Brief an Blücher über Heideggers Vortrag „Das Ding“, keine Versgruppenleerzeile hat, aber abweichende Großschreibungen („Eines“) und eine klare Datierung auf „Mai 1952“ aufweist.

Aber eines sei abschließend betont: Es ist eine große Freude, dass durch diesen Band für ein breites Publikum die Existenz der Gedichte Arendts überhaupt präsent wird und mit dem Buch in der Hand eine Lektüre der Gedichte unter unterschiedlich motivierten Lektüregängen in angenehmer Weise und als Start einer fruchtbaren Rezeptions- und Forschungsgeschichte erfolgen kann, z. B. unter dem Fokus der Hand-Symbolik, in der Linearität der Chronologie:

(A) In der ersten Phase von der Negation „Kein Gott hebt die Hand“ (Gedicht 1), der Distanz zum Tagesgeschäft „Meine Hände / Finden sich wieder“ (Gedicht 5), der Erinnerungskraft „Nun lasst mich, o schwebende Tage, die Hände Euch reichen“ (Gedicht 7) zum zentralen Gedicht 12 mit der Reflexions-Schlussaussage: „Betracht ich meine Hand, / Unheimlich nah mir verwandt. / Und doch ein ander Ding. / Ist sie mehr als ich bin/ Hat sie höheren Sinn?“ Auf dieser Basis gelingen poetische Bilder der Hand-Gesten wie ‚Gleiten‘ (Gedicht 13), ‚geheimes Geben‘ (Gedicht 14), ‚Zusammenfügen‘ (Gedicht 15) und schließlich ,Mit-beiden-Händen-Fassen‘ (Gedicht 17).

(B) Ein anderer Ton tritt in der zweiten Phase zutage: „die Hand des Du zittert“ (Gedicht 29).

Es erscheinen „Menschen ohne Schatten / Arme ohne Hand“ (Gedicht 36 im Einband von Arendts Exemplar des Ernst Jünger-Kriegstagebuchs Strahlungen).

(C) In der dritten Phase, dem Denktagebuch, liegen Kostbarkeiten vor wie die zweite Versgruppe im Gedicht 45: „Schliesse mich in Deine Hände, / dass sie schwingend/ überschwingen / ins Gelingen, / wenn Dir bang ist“, das Gedicht 61 „Schwere Sanftmut“ mit der ersten Versgruppe: „Sanftmut ist / im Innern unserer Hände, / wenn die Fläche sich / zur fremden Form bequemt“, und der dritten Versgruppe „Sanftmut ist / in Deiner Hand und meiner, / wenn die Nähe jäh / uns gefangen nimmt“, das Sentenz-Gedicht 67 „Ganz vertraut dem Unvertrauten, / Nah dem Fremden, / Da dem Fernen, / Leg‘ ich meine Hände in die Deinen“ sowie das Gedicht 70 als Epitaph auf Erich Neumann mit dem Vermächtnis seiner Hand in der der Trauernden: „Was von Dir blieb? / Nicht mehr als eine Hand […] // Denn dieser Griff verblieb als Spur / in meiner Hand, die nicht vergass […].“

Bibliographische Angaben:

Hannah Arendt: Vita activa oder vom tätigen Leben. 14. Aufl., München/Zürich : Piper 2014.

Hannah Arendt/Heinrich Blücher: Briefe 1936-1968. 2. Aufl., München/Zürich: Piper 2013.

Hannah Arendt/Mary McCarthy: Im Vertrauen. Briefwechsel 1949–1975. München/Zürich: Piper 1997.

Ottmar Ette: Hand-Schrift und Körper-Leib. Alteritätserfahrung, autobiographisches Schreiben und Leibhaftigkeit in einem frühen Gedicht Hannah Arendts. In: Frank Leinen (Hrsg.): Literarische Begegnungen. Berlin: Erich Schmiudt 2002, S. 153–187.

Barbara Hahn: Von den Dichtern erwarten wir Wahrheit. In: Ingeborg Nordmann (Hrsg.): Wahrheit gibt es nur zu zwein. Briefe an die Freunde. München/Zürich: Piper 2013.

Vittorio Hösle: Der philosophische Dialog. Eine Poetik und Hermeneutik. München: Beck 2006.

Ernst Jünger: Strahlungen. Tübingen: Heliopolis 1949.

Ursula Ludz/Ingeborg Nordmann (Hrsg.): Hannah Arendt. Denktagebuch 1950–1973. München/Zürich: Piper 2002.

Ingeborg Nordmann (Hrsg.): Wahrheit gibt es nur zu zwein. Briefe an die Freunde. München/Zürich: Piper 2013.

Sigrid Weigel: Dichtung als Voraussetzung der Philosophie. Hannah Arendts Denktagebuch. In: Heinz Ludwig Arnold (Hrsg.): Text und Kritik. Heft 166/167. München: edition text und kritik 2005.

Elisabeth Young-Bruehl: Hannah Arendt. For Love of the World. (dt.: Hannah Arendt. Leben, Werk und Zeit). 3. Aufl., Frankfurt am Main: Fischer 2013.

Ein Beitrag aus der Redaktion Gegenwartskulturen der Universität Duisburg-Essen

Titelbild

Hannah Arendt: Ich selbst, auch ich tanze. Die Gedichte.
Herausgegeben von Karin Biro.
Piper Verlag, München 2015.
158 Seiten, 20,00 EUR.
ISBN-13: 9783492057165

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