Litanei des Erfolgs

Daniel Golemans Buch über "Emotionale Kompetenz" und Karriere

Von Hannelore WeberRSS-Newsfeed neuer Artikel von Hannelore Weber

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Wenn erfolgreiche Manager solche sind, die von diesem Buch profitieren, dann ist es um die deutsche Wirtschaft schlecht bestellt. Nach seinem Erfolg mit dem Buch "Emotionale Intelligenz" erachtet es Daniel Goleman nun offensichtlich nicht mehr als notwendig, Leserinnen und Leser mit einer neuen Idee oder einem neuen Konzept zu überzeugen und zu gewinnen. Nachdem er das Produkt "Emotionale Intelligenz" auf den Markt gebracht hat, dient sein zweites Werk der Absatzsteigerung durch leichte Produktvariation. Diese wird dadurch erreicht, daß die "emotionale Intelligenz" zu "emotionaler Kompetenz" ausgedehnt, mit anderen vorgeblich zu Erfolg führenden Faktoren angereichert und auf Wirtschaft und Arbeitswelt ausgerichtet wird. Das Leitbild sind "Leistungs-Asse", bei Goleman sind das erfolgreiche Manager, und Thema des Buches ist die Frage, wie man ein solches "Leistungs-As" werden kann.

In einer ermüdend monotonen Litanei des Erfolges, der jegliche Spannung fehlt, da kein Thema systematisch aufgebaut und entwickelt wird, zählt Goleman in assoziativ einander gereihten, kurzen, kaum mehr als zwei Seiten umfassenden Kapiteln auf, was vorgebliche "Leistungs-Asse" vom erfolglosen Rest unterscheidet. Da kommt alles zusammen, was gut, edel, anstrengend und schwierig klingt (damit Erfolg auch gewiß eine Auszeichnung und seltene Erscheinung bleibt). Unter vielen anderen sind das intellektuelle Fähigkeiten, hoher Einsatz, Flexibilität, Anpassungsbereitschaft, Selbstbeherrschung, praktische Intelligenz, Überzeugungskraft, Teamfähigkeit, Bereitschaft zu lebenslangem Lernen, Empathie, Selbstvertrauen, Fähigkeit zur Selbsteinschätzung. Jeder einzelne Bestandteil des "Erfolgsquotienten" ist etwa so überraschend wie die Mitteilung, daß das Gelingen einer Mahlzeit durch die Beachtung der richtigen Garzeiten gefördert wird.

Emotionen spielen trotz gegenteiliger Bemühungen des Autors, sie immer wieder explizit zu erwähnen, um an das erste Buch anzuknüpfen, nur noch eine geringe Rolle. Geblieben ist vom ersten Buch die Botschaft, daß emotionale Kompetenz, unter anderem Fähigkeit zur Selbstregulation, Empathie und soziale Fähigkeiten, für Erfolg wichtiger seien als Sachverstand und intellektuelle Fähigkeiten. Das sagt Goleman in einem Satz. Im nächsten Satz steht, daß intellektuelle Fähigkeiten und Sachverstand ohnehin "selbstverständlich" vorausgesetzt werden, zumindest ab einer gewissen Stufe auf dem Weg nach oben. Diese widersinnige Aussage - Wissen ist nicht wichtig, da es Voraussetzung ist - ist hinterhältig, da sie beim oberflächlichen Lesen suggeriert, etwas Unerhörtes sei gesagt worden, nämlich Wissen spielt für Erfolg keine Rolle. Und erst beim genauen Hinschauen wird klar, wie diese Aussage zu relativieren ist. Gnade also dem, der oberflächlich liest und fortan auf Sachverstand und Geist verzichtet, um allein mit emotionaler Kompetenz Karriere zu machen. Andererseits, wer das Buch so liest und versteht, wer überhaupt aus diesem Buch etwas Neues für sich entdeckt, der gehört auch nicht in die Führungsetagen.

Den stärksten Bezug zu Emotionen und zur emotionalen Intelligenz konnte ich beim Lesen dadurch knüpfen, daß ich mir Seite für Seite eines zunehmend stärkeren Gefühls bewußt wurde, und das ich - als emotional einigermaßen Intelligente - nicht abgewehrt habe: das des Ärgers. Die grenzenlose Trivialität der Aussagen und die Belanglosigkeit der vielen aneinandergereihten Geschichtchen von wahren oder fiktiven Menschen, die sich in irgendeiner kritischen Situation so verhalten haben, daß es ein gutes Ende fand, erzeugen bei mir das Gefühl, vom Autor für blöde gehalten zu werden. Und das vor allem auch angesichts der Tatsache, daß nie analysiert wird, wieso das gepriesene Verhalten nun ein Erfolgsgarant sein sollte, denn in allen Fällen hätte es ebensogut schiefgehen können, stellte sich das Verhalten lediglich im Nachhinein als richtig heraus.

Sollte es daher Bestandteil der emotionalen Intelligenz sein, sich in andere einzufühlen, dann verfügt Daniel Goleman nicht über diese Fähigkeit, sonst hätte er das Buch nicht schreiben dürfen, zumindest nicht für den angepeilten Adressatenkreis potentieller Leistungsasse, von denen Goleman selbst sagt, daß bei ihnen intellektuelle Fähigkeiten als selbstverständlich vorausgesetzt werden. Daß sich das Buch vermutlich gut verkaufen wird, zeigt nur, daß es eines neuen Buches bedarf, um den "Erfolgquotienten" von Autoren und Autorinnen zu analysieren. Wenn das kein Thema für Goleman ist...

Titelbild

Daniel Goleman: EQ2 Der Erfolgsquotient. Aus dem Amerikanischen von Friedrich Griese.
Carl Hanser Verlag, München 1999.
480 Seiten, 25,50 EUR.
ISBN-10: 3446196528

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