tausent Krüße an alles mit einanter

Penelope Fitzgerald phantasiert in "Die blaue Blume" über Novalis

Von Ulla BiernatRSS-Newsfeed neuer Artikel von Ulla Biernat

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Wenn Briten sich mit der deutschen Romantik beschäftigen, dann erkennen deutsche Literaturwissenschaftler und Leser oft "ihre" Romantiker nicht mehr wieder. Diese unfreiwillige Verfremdungstechnik wendet auch die englische Schriftstellerin Penelope Fitzgerald (*1916) an. Im Mittelpunkt ihres Romans "Die blaue Blume" steht die Liebe des jungen Novalis zu der noch jüngeren Sophie von Kühn. Doch trotz dieses abgegriffenen Themas und des unoriginellen Romantitels handelt es sich nicht um eine schmalzige Verklärung romantischen Liebens und Lebens. Fitzgeralds Zugriff auf die Biographie von Novalis, seiner begabten Geschwister sowie Sophies Familie ist humorvoll und sachlich - sie erscheinen als leicht versponnene, fast durchweg lebensuntüchtige Menschen. Die sozial- und literarhistorischen Fakten sind gut recherchiert und werden unaufdringlich als sprechende Details in die Handlung eingebaut.

Komik und sachliche Distanziertheit charakterisieren auch die Erfolgsautorin, die mit 61 Jahren ihren ersten Roman veröffentlichte und erst Anfang der 90er Jahre in Deutschland bekannt geworden ist. Was aber an anderen Romanen von Fitzgerald als Understatement, Verdichtung und subtile Psychologisierung gelobt wird, verkehrt sich hier ins Gegenteil: die Figuren scheinen trotz immer wieder behaupteter körperlicher und seelischer Schmerzen kaum leidensfähig, der Leser wird mit diffusen Anspielungen auf zentrale Themen der Romantik (Bergbau, Krankheit) allein gelassen. Woher das "gewisse unaussprechbare Gefühl von Unsterblichkeit" rührt, das Novalis beim Anblick der über zwei Jahre dahinsiechenden Sophie empfindet, bleibt unklar. So hinterläßt der Roman einen ebenso zwiespältigen Eindruck wie Sophies begrenzte Schreibkünste: "tausent Krüße an alles mit einanter" - charmant, aber doch eher unverständlich.

Titelbild

Penelope Fitzgerald: Die blaue Blume.
Insel Verlag, Frankfurt 1999.
238 Seiten, 20,30 EUR.
ISBN-10: 3458169407

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