Schocking

Patrick Dunne zwischen Literatur und Trivialität

Von Robert HabeckRSS-Newsfeed neuer Artikel von Robert Habeck

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Gute Krimis funktionieren nach zwei Mustern. Entweder suchen sie aus einem kleinen Detail einen komplexen Fall zu entwickeln, oder sie verbinden abgelegene Enden einer Geschichte, fügen Unzusammenhängendes auf überraschende Weise zusammen. Patrick Dunne tut in seinem Buch "Die Keltennadel" keines von beidem. Und prompt geht sein Konzept nicht auf.

Natürlich ist es möglich, einen dritten Weg zu finden, wie Kriminalliteratur funktionieren könnte. Wahrscheinlich sind sogar diejenigen die besten Krimis, die formal etwas Neues ausprobieren und weder den Mikro- noch den Makrokosmos-Plot vorziehen. Dunne aber sucht nicht einen Ausweg aus engen Erzählmustern, sondern will alles auf einmal. Sein Buch ist ein Kompilat aus Möchtegernmystik, kitschigen Irlandbildern, dem Buhlen um die abstruseste Variante der Apokalypse und aus American-Psycho-Gräueltaten. Eine Reihe von rituellen Morden soll nach dem Glauben einer Internet-Gemeinde sogenannter Erleuchteter die Endzeit einläuten. Ohne zu merken (und wahrscheinlich war das auch dem Autor nicht klar), dass sich die Jungs und Mädels der "Hüter des Siebten Siegels" in einen performativen Selbstwiderspruch verwickeln, indem sie die Voraussetzungen dafür schaffen, dass sich Gottes Plan erfüllt, reinigen sie den weiblichen Körper von innen auf so radikale Weise von seinen Geschlechtsorganen, dass kein Tropfen Blut mehr in ihm zurück bleibt und man ihm eine keltische Gewandnadel in die Backe bohren kann, ohne dass es blutet.

Diese unappetitlichen Szenen schildert Dunne in aller Ausführlichkeit. Der Verbrecher dieser Literatur sieht aus wie eine Mischung aus Hells Angel und gealtertem Bret Easton Ellis. Und so liest man seufzend weiter, von dem braven katholischen Priester Liam Lavelle, der sich in die rothaarige Protestantin Jane Wade verliebt. Deren Suche nach ihrer Schwester Haze, die in die Hände einer Sekte in den USA gefallen ist, rollt dann das leichenübersäte Feld, vor dem die Polizei händeringend steht, sozusagen von hinten auf. Denn diese Sekte ist - wer hätte das gedacht - die der Hüter des Siebten Siegels. Diese bedienen sich der weltberühmten Pop-Diva Becca de Lacy aus Irland als Medium, um ihren Jüngern in aller Welt, die sie zuvor ganz selbstverständlich übers Internet erreicht haben, nun einen arg verworrenen Code zukommen zu lassen. De Lacy hat die Gedichte W. B. Yeats' vertont. Als wäre es nicht ohnehin schon kraus genug, wird dem Buch so noch ein künstliches intertextuelles Herz implantiert. Denn im Zentrum des Sektenglaubens steht nicht die Bibel, sondern das Werk W. B. Yeats'. Angeblich. Tatsächlich tritt einem der irische Nationaldichter hier als durchgeknallter Spinner gegenüber und man erfährt über Yeats genau so wenig Stichhaltiges, wie über die anderen seitenlang bemühten Offenbarungen verschiedenster Provenienz.

Weil man, im Gegensatz zu den Siegelhütern, die Hoffnung auf Gnade selbst für so schlechte Bücher nicht aufgeben mag, liest man bis zum Ende. Dort wird man dann der Vergeblichkeit all seiner Mühen gewiss. Einem angeblich Yeatsschen Hinweis folgend, der aber auch ohne literaturhistorische Kenntnis problemlos möglich gewesen wäre, kommt es zu einem ganz und gar unintelligenten Show-down. Mit Maschinenpistolen bewaffnet stürmen Cops die Folterkammer des Managers von Becca de Lacy. "Die beiden Detectives feuerten gleichzeitig. Edwards' Gesicht zerbarst in einem Regen aus Blut und Knochensplittern, als die Kugeln seinen Schädel durchschlugen. Das Schwert löste sich aus seinem Griff und sauste peifend über Janes Kopf hinweg, bevor es klirrend gegen die Wand prallte. Edwards stürzte vornüber und krachte mit dem, was von seinem Kiefer noch übrig war, gegen die Tischecke."

Wenn das nicht schockt!

Titelbild

Patrick Dunne: Die Keltennadel.
Übersetzt aus dem Englischen von Fred Kinzel.
Limes Verlag, München 2000.
400 Seiten, 20,30 EUR.
ISBN-10: 380902452X

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch